Bensheim. Die gut einjährige Testphase ist abgeschlossen und sie war für alle Beteiligten erfolgreich. Sichtlich stolz macht das nicht nur Karl Reinhard Wissmüller, Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Gerspenztal (VGG), sondern alle Beteiligten eines bemerkenswerten Pilotprojektes. Beim Ortstermin am Samstagnachmittag am Busbahnhof war auch der hessische Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori durchaus beeindruckt, zumal die hier vorgestellte Hochleistungsladestation durchaus ein Booster für die angestrebte Mobilitätswende sein könnte.
Denn das größte Problem bei der Mobilitätswende ist der erforderliche Netzausbau und die Verfügbarkeit des benötigten Stroms. Das gilt insbesondere für den ländlichen Raum, wo die mittelständischen Busunternehmen eine wichtige Säule im öffentlichen Personennahverkehr bilden. Doch nicht nur die Elektrifizierung entlang der Strecke ist eine wirtschaftliche Herausforderung, auch die großen und sehr schweren Speicherbatterien in den Bussen sind ineffizient.
Das Zauberwort heißt „Streckenladen“ und macht es möglich, dass Busse auch im Odenwald zu „Stromern“ werden können. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die VGG bereits getan und mit einer Eigeninvestition von 375.000 Euro ein E-Fahrzeug für die Stadtbuslinie angeschafft. Über ein Jahr war dieser Bus im Probebetrieb auf den drei Stadtbuslinien in Bensheim unterwegs und wechselt jetzt in den Dauerbetrieb in Eigenregie der VGG.
Das Betriebsmodell des Hochleistungs-Zwischenladens hat sich bewährt, denn der Bus kann bei seinen Zwischenstopps am Busbahnhof innerhalb von zweieinhalb Minuten verbrauchte Energie aufladen. Und muss er eine vorgeschriebene 30-minütige Pause einlegen, geht auch mehr. Wie der Probebetrieb gezeigt hat, sind in aller Regel am Abend, wenn der Bus wieder auf den Betriebshof fährt, gerade mal 20 Prozent des Ladevolumens an Strom verbraucht, so der bei der VGG zuständige Projektleiter Martin Müller. Aufgrund dieser Erfahrung könnte die am Busbahnhof in Bensheim installierte Ladeinfrastruktur fünf bis sechs Linien versorgen, doch das sind Investitionen, die ein mittelständisches Unternehmen an seine Grenzen stoßen lässt, denn E-Fahrzeuge sind immer noch deutlich teurer als Diesel-Busse.
Umsetzung der Mobilitätswende braucht Unterstützung der Politik
So hofft auch Geschäftsführer Wissmüller bei der Umsetzung der Mobilitätswende auf mehr Unterstützung durch die Politik. Das Interesse des Wirtschaftsministers wurde am Samstag auf jeden Fall geweckt, denn auch er weiß, dass die für die Mobilitätswende gewünschte Geschwindigkeit wohl so nicht möglich sein wird. Mansoori zeigte sich interessiert, mit den Projektverantwortlichen zu besprechen, wie sich das Betriebs- und Infrastrukturmodell auch in andere Regionen übertragen lässt.
Auch für den SPD-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Sven Wingerter, war die Thematik von großem Interesse. Als Mobilitätsmanager der Stadt Friedrichsdorf zählt auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur zu seinem Aufgabengebiet und er kennt das politische Ziel, dass ab dem kommenden Jahr 65 Prozent der Busse im Stadtbereich mit alternativen Antrieben fahren sollen.
Umgesetzt wurde das Pilotprojekt „Buffered-HLL“ (zwischengespeichertes Hochleistungsladen) in Bensheim in einer Gemeinschaftsaktion von einem Konsortium aus Forschung und Wirtschaft.
Konsortialführer ist die Isabellenhütte Heusler aus dem hessischen Dillenburg. Der Hersteller von Messtechnikprodukten ermöglicht mit einer neuen Generation von Gleichstromzählern eine eichrechtskonforme Erfassung der Energiemengen sowie eine cloudbasierte Bereitstellung aller gesammelten Daten. Das gewährleistet der ebenfalls beteiligten Verkehrsgesellschaft Gersprenztal (VGG) eine intelligente und sichere Abrechnung. Das mittelständische Unternehmen mit Sitz in Bensheim und Reichelsheim betreibt mit rund 90 Bussen ein ausgedehntes Streckennetz in den Kreisen Bergstraße, Odenwald und Darmstadt-Dieburg.
Ein weiterer Partner ist die CuroCon GmbH aus Zwingenberg. Der Ingenieurdienstleister realisierte die gesamte Leistungselektronik sowie die Kommunikation zwischen Ladeinfrastruktur und Bus.
Kern der Lade- und Speichertechnologie ist ein weltweit einzigartiger und mehrfach patentierter, magnetisch im Hochvakuum gelagerter Schwungmassenspeicher. Entwickelt wurde er von der Adaptive Balancing Power GmbH aus Darmstadt, die am Busbahnhof von Geschäftsführer Hendrik Schaede-Bodenschatz vertreten war. Für ihn habe der Probebetrieb gezeigt, „dass die entwickelte Technologie mit dem Schwungmassespeicher im Kern den Aufbau von Schnellladestationen im suburbanen Raum deutlich erleichtert und kostengünstiger macht“. Außerdem werde das Stromnetz durch diese Art der Speicher- und Ladesysteme entlastet.
Projekt wird wissenschaftlich begleitet
Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von dem in Berlin ansässigen unabhängigen Reiner Lemoine Institut. Unter anderem wird untersucht, welche Auswirkungen Schnellladungen auf das Stromnetz haben und wie sich das Konzept auf andere Nutzungsszenarien übertragen lässt.
Fest steht, dass die Anlage am Busbahnhof in Bensheim erhalten bleibt: „Das Projekt war für uns ein voller Erfolg. Das Betriebsmodell des Hochleistungs-Zwischenladens ist energieeffizient und senkt unsere Betriebskosten“, äußert Karl Reinhard Wissmüller, Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Gersprenztal mbH.
Gelobt wurde von Geschäftsführer Schaede-Bodenschatz aus Darmstadt die gute und sehr effiziente Zusammenarbeit mit den Mitspielern vor Ort. Das war zum einen die Stadt Bensheim, die von Anfang an das Projekt offen und positiv begleitete und bei den Genehmigungen unterstützte. Zum anderen erwies sich auch die GGEW AG als kooperativer und schnell handelnder Partner. „Und das vor allem in einem hochverdichteten Raum im Umfeld des Busbahnhofs“, so Schaede-Bodenschatz, der von einem „spannenden Referenzprojekt“ sprach.
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