Museum

Mit seinen Bauten hat Heinrich Metzendorf die Bergsträßer Landschaft ergänzt

Gemeinsam mit der Metzendorf-Gesellschaft fand am Donnerstag die zweite Veranstaltung statt.

Von 
Thomas Tritsch
Lesedauer: 
Heinrich Metzendorf © Stadtarchiv

Bensheim. Mit seinem charakteristischen Landhausstil hat Heinrich Metzendorf die Bergstraße geprägt. Doch seine Villen, Land- und Arbeiterhäuser beeindrucken nicht allein durch ihre typisch neoklassizistische Ästhetik und die feinen Anleihen des Jugendstils in einem homogenen Gesamtkunstwerk: Auch die Anordnung der Gebäude zueinander sowie deren Ausrichtung in der sanften Hügellandschaft spielen eine zentrale Rolle im baukulturellen Werk des gebürtigen Heppenheimers, dessen Todestag sich am 15. Februar zum 100. Mal gejährt hat.

Anlässlich dieses Datums hat die Stadt Bensheim, wo der Stadtplaner und Designer allein mehr als 130 Bauten geplant hatte, eine besondere Vortragsreihe initiiert. Gemeinsam mit der Metzendorf-Gesellschaft fand am Donnerstag die zweite Veranstaltung statt. Mehr als einhundert Gäste kamen ins Museum – und manch einer sehnte sich ob der räumlichen Enge nach der großzügigen Bauweise Metzendorfs, für die er bekannt war. Bürgermeisterin Christine Klein und Museumsleiter Christoph Breitwieser begrüßten ein großes Publikum zu einem kurzweiligen Ausflug in ein spezielles Thema, der den Anspruch und die Wirkungsmacht von Metzendorfs Werk sehr präzise verdeutlicht hat.

Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"

Mit dem Titel „Der Hang fließt durch die Häuserzeile“ ist im Grunde bereits alles gesagt. Damit brachte Frank Oppermann den Bezug von Metzendorfs individueller Interpretation der Reformarchitektur zu den umgebenden Gärten und Landschaften auf den Punkt. Beispielhaft sind die Villen unterhalb des Bensheimer Kirchbergs und am Maiberg in Heppenheim: Hier offenbart sich nicht nur ein spannungsreicher Abstand der Gebäude unter- und zueinander, sondern auch ein räumlicher Bezug zu der natürlichen Kulisse im Hintergrund.

Harmonisch in die Umgebung integriert

Der Baumeister folgt nicht der geometrischen Strenge, den räumlichen Symmetrien und der klaren antiken Formensprache, wie sie Georg Moller etwa in Darmstadt umgesetzt hat („Mollerstadt“). Metzendorfs Villen sind in die Umgebung der Bergstraße harmonisch integriert und zeigen einen markanten Rhythmus, was ihre jeweiligen Standorte und Korrespondenzen angeht. Frank Oppermann spricht von einer Perlenkette, die sowohl durch bauliche Verbindungen wie auch durch optische Bezüge entsteht. Ob und in welchem Maße Metzendorf dieses Spannungsverhältnis bewusst konstruiert habe, sei bislang noch nicht erschöpfend geklärt.

Mit seinem Ansatz habe er aber zweifellos die Ideen von Architekturtheoretikern der Jahrhundertwende aufgenommen und umgesetzt, so der Vorsitzende der Metzendorf-Gesellschaft und pensionierte Professor für Baugeschichte und Denkmalschutz an der Hochschule Darmstadt. Oppermann war Mitglied des Denkmalrats des Landes Hessen und erster Stadthistoriker von Bensheim.

Professor Frank Oppermann vor Beginn seines Vortrags im Bensheimer Museum mit einem Modell eines von Heinrich Metzendorf entworfenen Hauses. Bild: Thomas Zelinger © Thomas Zelinger

Die 2013 formierte gemeinnützige Gesellschaft bemüht sich aktiv um die Bewahrung und Erforschung des Erbes der Architektenbrüder Heinrich und Georg Metzendorf im Sinne eines architektonisch-künstlerischen Gesamtwerks. Neben öffentlichen Vorträgen finden regelmäßig auch Exkursionen statt, um das kulturelle Bewusstsein der Öffentlichkeit für Architektur und Denkmalschutz zu fördern.

Der Vortrag im Museum ist diesem Anspruch konsequent gefolgt. Kenntnisreich und verständlich hat Oppermann das Publikum an die Hand genommen und – visuell wie wortreich – zu einigen der wichtigsten Bauwerke mitgenommen. Der stille Dialog von Architektur und Szenerie stand dabei fast immer im Zentrum des Interesses.

Am Beispiel einiger Stiche und Zeichnungen aus dem 19. Jahrhundert erkennt man, wie die vitale Wechselwirkung von Siedlung und Hanglandschaft auch in der – durchaus stilisierten und abstrahierten – Perspektive der Kunst deutlich wird. In Darstellungen historischer Ortsbilder von Darmstadt-Bessungen oder Bensheim rücken die Gebäude gleichsam den Hang hinauf. In der Realität schmiegt sich die Architektur nah an die Abbruchkante der Hügelkette im Übergang von den Terrassen zur rheinischen Ebene.

Ein Dorfartiges Ensemble

Aber auch abseits der Bergstraße behält Metzendorf diese halbdurchlässigen Strukturen bei. Zum Beispiel beim dorfartigen Ensemble der Odenwaldschule, das er ab 1910 für Paul Geheebs reformpädagogisches Projekt in Ober-Hambach bei Heppenheim realisiert hat. Auch dort wirken die Gebäude in hellem Sandstein mit weißen Fenstern vor einer dunklen Wald-Kulisse leuchtend in ihrer Silhouette und gleichermaßen – durch den Baustoff Holz – zerfließend mit ihrer Umgebung.

In den Worten Oppermanns habe Metzendorf „die Landschaft ergänzt“. Die großen Zweckbauten waren von Beginn an so konzipiert, so der Experte, dass man sie im Falle eines pädagogischen Misserfolgs auch als Wohnhäuser nutzen konnte – was gut einhundert Jahre später unter allerschlimmsten Umständen auch eingetreten ist.

Neben den rein architektonischen Besonderheiten skizzierte Oppermann auch die wichtigsten biografischen Details und landschaftlichen Bezugspunkte in der Wirkungsphase des Baumeisters, der aus einer Handwerkerfamilie (Steinmetze) stammte und 1895 in Heppenheim sein erstes Büro eröffnete.

1902 zog er mit seiner Ehefrau Anna, gebürtige Heckler, und fünf Kindern in das neu erbaute Wohnhaus in der Ernst-Ludwig-Straße 25 in Bensheim. Während sich Heinrich mit seiner Arbeit fast ausschließlich auf den Raum Bergstraße konzentrierte, wirkte sein Bruder Georg Metzendorf als namhafter Architekt über die Region hinaus. Er plante unter anderem ab 1909 die von der Margarethe-Krupp-Stiftung in Auftrag gegebene Gartenvorstadt „Margarethenhöhe“ in Essen.

Mehr zum Thema

Museum

Vortrag über Heinrich Metzendorf in Bensheim

Veröffentlicht
Von
ps
Mehr erfahren
Sagen und Geschichten

Sagen und Geschichten: Heppenheim hat viel zu erzählen

Veröffentlicht
Von
mbl/ü
Mehr erfahren

Heinrich Metzendorfs Bensheimer Büro etablierte sich schnell als erste Adresse für zeitgemäßes Bauen im Süden des Großherzogtums Hessen-Darmstadt. Seine Auftraggeber waren vor allem vermögende Fabrikanten und Finanziers – ein Großbürgertum, das seinen zeitgemäßen, charismatischen, klassisch inspirierten und doch verspielten Baustil zu schätzen wusste. Bei der Bürgerschaft fand er auch deshalb großen Anklang, weil er den Jugendstil nicht so radikal einfließen ließ wie die Künstler der Mathildenhöhe.

Seinen Erfolg verdankte er nicht zuletzt seinen guten Kontakten zum Architekten Friedrich Pützer und zum Papierfabrikanten Wilhelm Euler, der in der Stadt auch politisch und gesellschaftlich ein hohes Ansehen genoss. Früh erhielt er zudem Aufträge der Industriellenfamilie Merck. „Es gibt wenige Architekten, die sich so verwirklichen konnten wie Heinrich Metzendorf an der Bergstraße“, so Frank Oppermann im Museum.

Freier Autor

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger