Bensheim. Im Rahmen der 18. Bachtage im Kreis Bergstraße präsentierte Christoph Bergner am Himmelfahrtstag in der erneut gut besuchten Michaelskirche seine vierte Bachstunde mit weiteren bedeutenden Orgelwerken aus den vom Komponisten über Jahrzehnte hin systematisch vertieften Gattungen (Präludium und Fuge, Toccata, Triosonate, Choralbearbeitung).
Wie bereits die früheren Konzerte der im Februar gestarteten Reihe war dieser Abend erneut eine Benefizveranstaltung für die von der Michaelsgemeinde unterstützten pädagogischen Partnerprojekte in Njombe (Tansania) und Padilha (Brasilien) – letzteres wegen der jüngsten Flutkatastrophe im Süden Brasiliens von besonderer Dringlichkeit.
Bachs Orgelmusik war auch für prominente Bewunderer oft ein Schlüsselerlebnis beim Kennenlernen seiner Kompositionskunst. Kunde davon gibt etwa ein brieflicher Bericht des alten Goethe vom Juni 1827: „Wohl erinnere ich mich bei dieser Gelegenheit an den guten Organisten von Berka; denn dort war mir zuerst, bei vollkommener Gemütsruhe und ohne äußere Zerstreuung, ein Begriff von eurem Großmeister geworden. Ich sprach’s mir aus: als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sich’s etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung, möchte zugetragen haben, so bewegte sich’s auch in meinem Innern, und es war mir, als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen und weiter keine übrigen Sinne besäße und brauchte.“ Dank Christoph Bergner kann man derzeit in Bensheim wieder ausgiebig in Bachs einzigartig reiche Orgelwelt eintauchen.
Christoph Bergner zeigte sich in Bestform
Zwei Leipziger Großwerke der aktuellen Bachstunde hat Bach selbst besonders geschätzt: Präludium und Fuge G-Dur BWV 541 zählten 1731 zu einem Konzertprogramm in der Dresdner Sophienkirche sowie 1733 zum Bewerbungsrepertoire seines ältesten Sohnes Wilhelm Friedemann für den dortigen Organistenposten; Toccata und Fuge d-Moll BWV 538 (sogenannte „dorische“) führte der Komponist 1732 anlässlich einer Orgeleinweihung in der Kasseler Martinskirche auf.
Christoph Bergner wählte beide Stücke zu Recht als krönende Abrundung seines Programms und zeigte sich dabei in Bestform: BWV 538 erlebte man als mindestens gleichrangiges Schwesterwerk der viel berühmteren d-Moll-Toccata BWV 565, BWV 541 als einen der erquickendsten Ohrwürmer des Meisters.
Für Bachs unerreichte Kunst der Verschmelzung von tiefer Expressivität und dichter Virtuosität standen vielleicht am eindrucksvollsten Präludium und Fuge e-Moll BWV 548, deren elementare Sogkraft durch Bergners spielerisches Temperament grandios herauskam.
Von der gestalterischen Freude des technisch wie stilistisch jederzeit souveränen Organisten zeugten auch die wunderbar leichtgängigen Ecksätze und das melodisch fein beredte c-Moll-Adagio der kaum geschlossener vorzutragenden Es-Dur-Triosonate BWV 525. Was Bach-Spiel überhaupt an Transparenz und Balance aufbieten kann, schien hier realisiert. Eingerahmt wurden diese zwei Stücke vom eröffnenden D-Dur-Satz „Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist“ BWV 667 und dem besonders erhebenden G-Dur-Juwel „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ BWV 663.
Auf eine Zugabe nach Präludium und Fuge G-Dur BWV 541 wollte Christoph Bergner trotz langen Beifalls ausdrücklich verzichten, tröstete sein treues Publikum aber durch die Aussicht auf weitere Konzerte im Juni und Juli.
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