Umwelt

Bensheimer Masterplan Klimaschutz soll kein „Papiertiger“ sein

Stadtverordnete verabschieden den Maßnahmenkatalog und legen erste Prioritätenliste vor.

Von 
Anna Meister
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Bensheim. Mithilfe des Masterplans Klimaschutz II möchten die Stadtverwaltung und ihre Betriebe bis 2035 klimaneutral arbeiten, für die gesamte Stadt soll dieses Ziel 2040 erreicht sein. Dass das nicht von heute auf morgen und auch nicht von alleine passiert, ist klar. Vielmehr müssen alle Akteure in einem Boot sitzen: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Hierzu wurde ein breit gefächerter Maßnahmenkatalog erarbeitet, der nun von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde. Ergänzt wird der Beschluss von einem Änderungsantrag der Koalition, der Prioritätenliste beinhaltet. Geprüft werden soll, wie schnell - und zu welchem Preis - unter anderem die Förderung von Fahrgemeinschaften, Carsharing und regionaler und umweltfreundlicher Lieferketten, die Optimierung des Verkehrsflusses durch eine grüne Welle oder die Überdachung von Parkplätzen mit PV-Anlagen umgesetzt werden können. All diese Maßnahmen sind Inhalt des Maßnahmenkatalogs.

In den vergangenen Monaten fanden zum Masterplan Klimaschutz II eine Reihe an Informationsveranstaltungen statt. Dabei präsentierte Maria Real von „Net Positive Cities“, einem Beratungsunternehmen für Kommunen, Regionen und kommunale Unternehmen, die Kennzahlen für Bensheim, anhand derer der Maßnahmenkatalog für den Klimaschutz erarbeitet wurde. Haupttreiber der Emissionen in Bensheim sind drei Sektoren.

Verkehrssektor: Die Treibhausgasbilanz der Stadt Bensheim für das Jahr 2022 zeigt Gesamtemissionen von 314 Tonnen CO₂-Äquivalenten, wobei der Verkehrssektor mit einem Anteil von 50 Prozent der größte Emittent ist. Der Energieverbrauch im Verkehrssektor betrug im Jahr 2022 rund 455 Gigawattstunden, was zu 142 Tonnen CO₂-Emissionen führte.

Strom- und Wärmeverbrauch: Im Bereich Strom- und Wärmeverbrauch lag der Gesamtenergieverbrauch im Jahr 2022 bei 538 Gigawattstunden, was zu 144 Tonnen CO₂-Emissionen führte. Die größten Verbräuche entfallen auf Wohngebäude (49 Prozent des Gesamtverbrauchs), Industriegebäude (26 Prozent), Gewerbegebäude (20 Prozent) und öffentliche Gebäude (ein Prozent).

Strom- und Wärmeerzeugung: Bei der Strom- und Wärmeerzeugung produziert Bensheim derzeit insgesamt 3,8 Tonnen CO₂-Äquivalente. Der größte Teil des Stroms wird importiert, während die lokale Erzeugung zu 57 Prozent auf fossilen Energieträgern basiert und zu 43 Prozent durch erneuerbare Energien wie PV-Anlagen auf Dachflächen gedeckt wird. Um die Energiewende zu schaffen, sind ambitionierte Maßnahmen notwendig, darunter der Ausbau von Dach-PV-Anlagen, Windkraftanlagen, Solarparks, die Nutzung geothermischer Wärme, die Einbindung von Wasser- und Abwärme sowie die verstärkte Nutzung von Biomasse und Biogas.

Maßnahmen wurden mit vielen Akteuren erarbeitet

Der Maßnahmenkatalog, den die Stadt Bensheim in Zusammenarbeit mit vielen Akteuren aus Wissenschaft, Verwaltung, Gesellschaft und Wirtschaft erarbeitet hat, soll zur Erreichung der Klimaziele einen Rahmen geben und weniger eine Liste zum „abhaken“ sein. „Wir möchten aktiv etwas für den Klimaschutz in Bensheim tun, dafür müssen wir auch vor Ort aktiv werden. Nach der breiten Öffentlichkeitsbeteiligung geht es jetzt an die Frage der Ausgestaltung. Der Katalog soll uns einen Handlungsrahmen geben. Wir möchten mit unserem Antrag schon jetzt erste Projekte vorschlagen, die wir angehen möchten“, erklärte Tobias Heinz (CDU). Das Dokument solle schnell mit Leben gefüllt werden. „Der Masterplan darf nicht zu einem Papiertiger werden.“

Der Klimaschutzplan der Stadt Bensheim ist sehr ambitioniert - gleichzeitig gibt es auf lokaler Ebene bereits einige Projekte, die in die richtige Richtung weisen, so Michael Sydow (SPD). Die GGEW habe es mit ihrer Parkplatz-Überdachung vorgemacht. „Das würden wir gerne auch bei anderen Unternehmen sehen.“ Ein weiterer Schritt in Richtung Klimaneutralität müsse sein, Fußgängern und Radfahrern zu ermöglichen, sich sicherer in Bensheim bewegen zu können. „Der Klimaschutz muss unser zentrales Anliegen sein - allerdings müssen alle Vorhaben im Verhältnis zu den entstehenden Kosten betrachtet werden. Bei unseren Vorschlägen handelt es sich um einen Prüfauftrag, erst muss die Finanzierung aller Ideen geklärt sein. Der Umfang mit unseren Steuergeldern hat oberste Priorität. Wir brauchen beim Klimaschutz einen ausgewogenen Ansatz, der die Leistungsfähigkeit der Stadt bewahrt“, ergänzte Lisa Marie Blumenschein (FDP).

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Bereits mehr als die Hälfte der Maßnahmen aus dem ersten Klimaschutzplan, den die Stadt 2012 verabschiedet hatte, seien erfolgreich umgesetzt worden, resümierte Doris Sterzelmaier (Grüne). Es sei an der Zeit gewesen, die Ziele von damals zu überarbeiten und die neuen Erkenntnisse, die im Bereich Klimaschutz seitdem gesammelt werden konnten, mit in den Katalog einzuarbeiten. Besonders erfreut zeigte sie sich über den Umstand, dass nun „sogar“ FDP und CDU sich mit der flächendeckenden Einführung von Tempo 30 im Stadtgebiet, eine der gelisteten Maßnahmen, um den CO₂-Ausstoß im Verkehrssektor zu verringern, anfreunden könnten. Die Grünen selbst befürworteten den Antrag der Koalition, Sterzelmaier warf allerdings ein, dass ihre Fraktion auch eine erhöhte Priorität in Sachen Parkraumbewirtschaftung sieht. Einen Antrag hierzu hatten die Grünen wegen erheblicher Kritik der anderen Fraktionen zunächst zurückgezogen (wir haben berichtet).

Franz Apfel (BfB) wollte den Klimaschutzplan zwar nicht zerreißen, bezeichnete ihn allerdings als „unbezahlbares Wunschkonzert“ - besonders jetzt. Trotzdem sieht er einige Punkte, die kostengünstig umsetzbar wären, etwa die Förderung von neuen Wohnkonzepten wie Alters-WGs. Klar positionierte Apfel sich gegen Windkraftanlagen in FFH-Gebieten, etwa über Gronau und Hochstädten. Seine Forderung: Die Vorgaben zur Errichtung von PV-Anlagen auf Parkplätzen müssten gelockert werden, damit mehr Unternehmen mitmachen.

„Der Anspruch ist sehr hoch. Wenn wir uns aber keine Ziele setzen, dann können wir auch nichts erreichen“, fand Rolf Kahnt (VuA) das Schlusswort. Ob sich der Klimaschutzplan vollständig umsetzen lässt, muss die Zeit - und der Füllstand der Stadtkasse - zeigen. Mit Tempo 30 alleine sei es in Bensheim nicht getan: „Nach wie vor dominieren die Autos die Straßen, die Sicherheit aller anderen Verkehrsteilnehmer muss aber verstärkt berücksichtigt werden. Vielleicht kann die Stadt Bensheim an dieser Stelle zum Vorreiter werden.“

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