Bensheim. Im Herbst 2018 hatte die Stadt über den Eigenbetrieb Kinderbetreuung die Trägerschaft für die Nachmittagsbetreuung an der Schlossbergschule in Auerbach übernommen. Die Stadtverordnetenversammlung stimmte dem Trägerwechsel damals über einen Grundsatzbeschluss mehrheitlich zu. Zu diesem Zeitpunkt war der Eigenbetrieb bereits in der Schillerschule in diesem Bereich aktiv.
Ab 2019 schlüpfte dann auch die Carl-Orff-Schule in Fehlheim unter eine städtische Trägerschaft. Davor war an allen drei Schulen der Arbeiter-Samariter-Bund Darmstadt für diese Aufgabe zuständig. Durch die Regie des Eigenbetriebs sollten eine Kontinuität der Betreuungsleistungen und eine konstante Qualität im Pakt für den Nachmittag gewährleistet sein.
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Jetzt hat sich die Situation verändert. Hintergrund ist wieder einmal das liebe Geld. Die Stadtverordnetenversammlung hatte im Dezember 2023 beschlossen, dass die Stadt angesichts der angespannten Haushaltslage für die beiden Auerbacher Grundschulen eine „kostendeckende Fortführung der Trägerschaft“ für die Betreuungsleistungen finden und umsetzen solle. Ansonsten sei die Zusammenarbeit fristgerecht zu kündigen. „Und leider ist die Trägerschaft nicht kostendeckend“, so Christine Klein vor dem Rathaus, wo sich am Montag rund 200 Eltern und Kinder eingefunden hatten, um gegen die Entscheidung lautstark zu demonstrieren.
Karnevalsvereine und Kunstrasen wichtiger als Kinder?
Aufgerufen hatten mehrere Elternvertreter und Schulelternbeiräte. Angemeldet wurde die Kundgebung von Markus Jäger. Er ist Vater einer Erstklässlerin an der Schlossbergschule. Er ist sauer, dass man die Kinderbetreuung in Bensheim als „Verlustgeschäft“ versteht, während andere Bereiche mehr oder weniger üppig finanziert oder bezuschusst würden. Offenbar seien Kinder weniger wichtig als Karnevalsvereine, Kunstrasenplätze oder die Bereitstellung von Hundekotbeuteln, heißt es sinngemäß in einer schriftlichen Stellungnahme von sechs Elternvertretern. Ihn ärgert, dass im Stadtparlament erstmals seit langem an dem unausgesprochenen Tabu gewackelt wurde, an der Grundschulbetreuung zu sparen. Nun befürchten Jäger und viele andere Eltern, dass die Betreuungsqualität unter einem Trägerwechsel massiv leiden könnte. „Vor Ort gibt es sehr gut eingespielte Teams und gewachsene Beziehungen zwischen Kindern und Betreuern“, betont der Familienvater.
Die politische Entscheidung verunsichere auch die Angestellten enorm. Jäger zitierte einen Pädagogen, der in der Schlossbergschule im Ganztagsangebot tätig ist: Er habe von einer „Endzeitstimmung“ gesprochen. Unter einem privaten Träger seien wahrscheinlich höhere Kosten für Eltern und eine schlechtere Bezahlung der Betreuer zu erwarten, glaubt Markus Jäger. Eine Gebührenerhöhung sei für dieses Jahr ohnehin schon angekündigt.
Mit dem Beschluss werde nun ein gut funktionierendes System aufgegeben und eine hohe pädagogische Qualität aufs Spiel gesetzt, da sich private Anbieter einem höheren Kostendruck ausgesetzt sähen wie kommunale, heißt es aus den Reihen der Elternschaft. Sie erwarten vom Stadtparlament, dass es seine Entscheidung überdenkt und an den realen Verhältnissen und Bedürfnissen an den Schulen ausrichtet. „Geld allein ist kein Argument“, so eine Mutter vor dem Rathaus.
Nach einer halben Stunde kam auch Christine Klein dazu. „An den betroffenen Grundschulen wird es weiterhin eine Betreuung geben. Die Stadt lässt die Eltern nicht im Stich“, betonte die Bürgermeisterin. Der Eigenbetrieb Kinderbetreuung gebe zwar die Trägerschaft auf, doch werde selbige durch den Kreis Bergstraße als zuständiger Schulträger neu ausgeschrieben. An vier der acht Bensheimer Grundschulen seien bereits heute verschiedene freie Träger tätig.
Dies werde nun auf weitere Schulen ausgedehnt, da der Eigenbetrieb als Träger nicht kostendeckend agieren könne, wie eine Prüfung ergeben habe. Klein nannte Zahlen: Im Haushaltsjahr 2024 betrage der Zuschuss für die Schillerschule 377 339 Euro, an die Schlossbergschule 207 080 Euro. In beiden Schulen werden Fachkräfte gemäß Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes beschäftigt, um eine gute pädagogische Qualität anbieten zu können.
Die Zuschüsse des Landes Hessen sowie des Kreises Bergstraße hätten sich seit der Übernahme der Trägerschaft im Jahr 2017 allerdings gar nicht beziehungsweise nur minimal erhöht, so die Bürgermeisterin. Wachsende Ausgaben für das Personal durch steigende Tariferhöhungen hätten aber dazu geführt, dass die Zuschüsse durch die Stadt Bensheim an beiden Schulen weiter angestiegen sind.
Die Entscheidungshoheit hat das Stadtparlament
Christine Klein verwies in der Angelegenheit ausdrücklich auf die politische Entscheidungshoheit der Stadtverordnetenversammlung. Sollte es im Gremium einen alternativen Beschluss zur Schulkindbetreuung geben, werde die Stadtverwaltung selbstverständlich danach handeln, sagte sie.
Anika Scholtissek, die für die Eltern der Schillerschule sprach, nahm explizit die Bensheimer Koalition aus CDU, SPD und FDP in die Pflicht. Unter deren Mehrheit sei die Entscheidung gefallen. Bei der Kundgebung appellierte sie an die gewählten Mandatsträger, ihr Votum zu überdenken.
Betroffene Eltern würden sich bei den nächsten Kommunalwahlen sicherlich daran erinnern, wer wie abgestimmt hat, sagte sie vor dem Rathaus, wo sich ab 17 Uhr immer mehr Menschen eingefunden hatten. Die Demo war bis 18 Uhr angemeldet. Vor Ort lagen Unterschriftenlisten aus, die demnächst den im Stadtparlament vertretenen Fraktionen übermittelt werden sollen, wie Markus Jäger ankündigt.
„Die Eltern hängen in der Luft und wissen nicht, wie es weitergehen wird“, sagte er. Vom Parlament erwartet er vernünftige Entscheidungen und die Bereitschaft zu inhaltlichen Kompromissen, um den Bensheimer Nachwuchs eine bestmögliche pädagogische Begleitung anbieten zu können. Grundschulbetreuung sei kein Verlustgeschäft, sondern eine Investition in die Zukunft Bensheims.
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