Marktplatz

Kundgebung: Ein Friedenslicht auf dem Bensheimer Marktplatz

Von 
Dirk Rosenberger
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Die Bensheimer Parteien und Wählergemeinschaften setzen am Samstag bei einer Kundgebung auf dem Marktplatz erneut ein Zeichen für den Frieden. © Neu

Bensheim. Was weckt Zuversicht in Zeiten erschütternder Nachrichten und schrecklicher Bilder aus der Ukraine? Was macht Mut, was motiviert und treibt die vielen ehrenamtlichen Helfer in ihrem unglaublichen Engagement an? Wer wollte, konnte am frühen Samstagabend auf dem Marktplatz Antworten finden.

Bensheimer Parteien und Wählergemeinschaften – namentlich CDU, Grüne, SPD, FDP, BfB und Freie Wählergemeinschaft – hatten erneut eine Kundgebung gegen den Angriffskrieg von Wladimir Putin organisiert. „Wir wollen gemeinsam ein Zeichen für den Frieden setzen, heute aber bewusst die Helfer und vielleicht Betroffene zu Wort kommen lassen, wenn sie sich äußern möchten“, erklärte Moritz Müller, der durch die Veranstaltung führte.

Zwei mutige Mädchen aus Lorsch

Etwa 120 Personen waren in die Stadtmitte gekommen, oberhalb des Brunnens formierten Kerzen das Peace-Zeichen. Unter den Teilnehmern waren auch zwei mutige junge Mädchen aus Lorsch. Julia und Mira traten gemeinsam ans Mikrofon und erzählten, dass sie in ihrer Schule 130 Unterschriften gegen den Krieg gesammelt sowie „Spielzeug gespendet haben für die Kinder, die nichts mehr haben“, erklärte Julia.

Ihre Freundin Mira appellierte an die Erwachsenen, in ihrer Unterstützung nicht nachzulassen, zu spenden. Es mache sie sehr traurig, wenn sie in den Nachrichten Kinder sehe, die ihre Eltern zurücklassen müssen. „Das ist sehr schlimm.“ Für ihren berührenden wie bemerkenswerten Auftritt erhielten sie viel Applaus.

Betroffen machte auch der kurze Beitrag von Boris Kabachenko aus Odessa („einer wunderschönen Stadt, so wie alle ukrainischen Städte“). Er schilderte kurz seine persönliche Geschichte und bedankte sich für die Hilfe aus Deutschland. Das sei wichtig für alle Ukrainer. „Jeder möchte in Frieden und Freundschaft leben.“ Was in seiner Heimat allerdings momentan nicht mehr möglich ist.

Um einen Austausch über den „Schmerz und die Hilflosigkeit, die uns erfasst hat“, ging es den Organisatoren, so Moritz Müller. Während man hier rede, werden nur wenige hundert Kilometer entfernt Städte bombardiert, müssen Menschen ihr Leben lassen. Den Opfern gedachten die Teilnehmer mit einer Schweigeminute, bevor Bianca Scholz und Annalena Homa vom Vorstand des Vereins Wir sind Bergstraße über ihre Hilfsaktion zusammen mit dem Team Bensheim der Tour der Hoffnung sprachen (wir haben berichtet).

Wir sind Bergstraße: „Nicht tatenlos zusehen“

„Wir wollten nicht tatenlos zusehen, wir wollten der Ohnmacht mit Taten begegnen“, so Vorsitzende Scholz. Sie habe in den vergangenen Tagen die Erfahrung gemacht, dass unheimlich viele Menschen das ebenso empfinden. Über ihr starkes Netzwerk konnten zwei 40 Tonner mit Gütern in ein Auffanglager nach Polen und über die Grenze in die Ukraine geschickt werden. In dieser Woche wird Jürgen Pfliegensdörfer von der Tour der Hoffnung erneut in den Osten fahren, um die weiteren Schritte in die Wege zu leiten – und dabei erneut Spenden mitnehmen. Der nächste Schritt sei, gezielt in dem Land Frauen, Kindern und Männern zu helfen, meinte Annalena Homa.

Wichtig sei immer genau zu wissen, was gebraucht werde. Nach wie wir sind es vor allem Hygieneartikel, Essen für auf die Hand und Getränke. „Es ist ein schönes Gefühl, etwas bewegen zu können“, schlossen die beiden Frauen ihre Ausführungen. Am heutigen Montag (21.) und am Dienstag (22.) können noch Hilfsgüter in die Lagerhalle auf dem Gelände der Firma Sartorius (Elbinger Straße 12) gebracht werden. Unter Telefon 0171/9517657 gibt es Auskunft, was benötigt wird.

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Bewegend war auch der Auftritt von Thomas Molitor. Der Handwerker aus Bürstadt, seit ein paar Jahren in Rodau zu Hause, hatte im Ried eine Aktion koordiniert, nachdem er von einer Freundin, der Bensheimer Krankenschwester Beata Kowalska-Krzyszton, um Hilfe gebeten wurde. Sie hatte aus ihrem polnischen Heimatort von mittlerweile 430 geflüchteten Kindern mit körperlicher oder geistiger Behinderung erfahren, die dringend versorgt werden mussten.

„Sie hatten eine 40-stündige Odyssee hinter sich, wurden in Matratzen eingewickelt, damit ihnen nichts passiert“, schilderte Molitor das kaum Vorstellbare. Der Handwerksmeister organisierte daraufhin einen ersten Transport mit 13 000 Windeln, 1500 Babygläschen und 2000 Kilogramm Shampoo, warb bei Vereinen und Unternehmen Spenden ein, motivierte Helfer und ging mit unglaublichem Engagement voran.

Mittlerweile konnten sogar Familien aus Polen an die Bergstraße in private Unterkünfte gebracht werden, über einen Feuerwehrmann kam zudem der Kontakt zu dessen Kollegen in Kiew zustande. Dort mangelt es an allem, aber vorwiegend an Verbandsmaterial und Schmerzmitteln. Ein Teil der Spendengelder wurde nun hierfür verwendet, „am Montag wird alles über die Grenze und in die Hauptstadt gebracht“, berichtete Molitor sichtlich bewegt von den aktuellen Plänen. Er und seine Frau nahmen noch am Samstag nach seinen Angaben eine Mutter mit Kind in seinem Haus auf.

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Die Lampertheimer Rotarier hatten eigens ein Spendenkonto eingerichtet und selbst nachhaltigen Beistand zugesagt. Der Initiator war nach eigenem Bekunden selbst davon überrascht, wie viel Geld in kurzer Zeit dort einging. Spenden werden seinen Angaben zufolge auch weiterhin benötigt, „dann können wir im Großhandel gezielt einkaufen oder bei Unternehmen anfragen“.

Kindern eine Zukunft geben

DGB-Ortsvorsitzender Günther Schmidl mahnte an, die Hilfe für die Flüchtlinge vor Ort nicht zu vergessen oder zu unterschätzen und nicht nur Lastwagen an die Grenze zu schicken. Denn diesen Menschen, vor allem den Kindern, die nun in der Region ankommen, müsse man eine Zukunft ermöglichen.

Mit dem Anzünden der Friedenskerzen („um ein Licht in die Dunkelheit zu bringen“, erläuterte Moritz Müller) endete der offizielle Teil. Im Anschluss blieben viele noch zu einem Erfahrungsaustausch zusammen – oder um sich gegenseitig Halt zu geben. Die am Marktplatz gesammelten Spenden sollen der Aktion von Wir sind Bergstraße und der Tour der Hoffnung übergeben werden. Vor Wochenfrist kamen bei der damaligen Kundgebung 4000 Euro zusammen.

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