Bensheim. Ganz auf Johann Sebastian Bach konzentriert waren die Passionsandachten an den drei vorösterlichen Wochenenden in der Michaelskirche. Den Anfang machten Solosuiten mit dem Barockcellisten Ludwig Frankmar, gefolgt von einem Duoprogramm mit Andrea Bergner (Blockflöte) und Christoph Bergner (Orgel plus Cembalo).
Als Evangelist bekannt
Am Palmsonntag nun rückten Bachs Vokalmusik und einige ihrer tenoralen Höhepunkte ins Zentrum der Andacht. Gastsolist Theodore Browne wurde dabei von Judith Portugall (Querflöte), Benia Leonhardt (Violine), Mira Voll (Cello) und Leiter Konja Voll (Truhenorgel) begleitet. Stimmig zu den klingenden Beiträgen fügten sich Pfarrer Bergners meditative Betrachtungen und der gemeinsam gesprochene Psalm 69 „Gott, hilf mir!“.
Der 1991 in Manchester geborene und an der Frankfurter Musikhochschule bei Thomas Heyer ausgebildete Tenor Theodore Browne ist in Bensheim schon seit seinem ersten Auftritt als Evangelist des Weihnachtsoratoriums 2016 kein Unbekannter mehr. Inzwischen scheint seine durch vielfältige Opernerfahrung gestärkte Stimme an Kraft und Farbe nochmals deutlich hinzugewonnen zu haben.
Fesselnde Beispiele dafür boten bereits die beiden Tenorarien aus der „Johannes-Passion“ (1724), die der in Deutschland aufgewachsene und entsprechend akzentfrei artikulierende Sänger mit wahrhaft passionierter Expressivität erfüllte. Das charakteristisch knapp gefasste fis-Moll-Stück „Ach, mein Sinn, wo willst du endlich hin“ atmete so energiegeladene Spannung pur. Noch intensiver wirkte die c-Moll-Arie „Erwäge, wie sein blutgefärbter Rücken“, die auch in ihren virtuos gesteigerten Passagen (Mittelteil) keinerlei Forciertheiten erkennen ließ. Das anlassgerecht reduzierte Begleitensemble passte insgesamt sehr gut.
Ergreifende Stücke
Besonders nachdrücklich warben Browne und das Quartett für Bachs einzige Tenorkantate „Ich armer Mensch, ich Sündenknecht“ BWV 55 (Erstaufführung: 17. November 1726). Dabei wurde wieder einmal klar, dass ihre beiden Arien „Ich armer Mensch“ (g-Moll) und „Erbarme dich“ (d-Moll) zu den ergreifendsten Stücken des Komponisten gehören – zwei einzigartig persönliche Sologesänge, die allemal auch der späteren „Matthäus-Passion“ würdig gewesen wären.
Wie mitteilsam Browne Bachs bildhafte Kantatentexte zu gestalten versteht, zeigte sich erst recht in den feurig verdichteten Rezitativen. Den schlichten Schlusschoral übernahm ebenfalls der junge Tenor.
Von Judith Portugalls klanglichem Feinschliff profitierte neben dem ausdrucksstarken Flötenpart der „Erbarme dich“-Arie auch der als stimmungsvolle Andachtseröffnung gewählte „Siciliano“-Ohrwurm g-Moll aus der (leider nicht ganz gespielten) Es-Dur-Sonate BWV 1031. Die rund 60 Besucher dieser Passionsandacht in der Michaelskirche dankten am Ende mit herzlichem Applaus.
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