Bensheim. Ihren Orgelwochen-Debütauftritt feierte beim dritten Konzert der 24. Festivalausgabe die gebürtige Bensheimerin Miriam Schulze. Die ursprünglich vom früheren Propsteikantor Konja Voll unterrichtete Mittzwanzigerin ist nach dem Bachelor-Abschluss seit 2019 Master-Studentin an der Hochschule für Kirchenmusik in Heidelberg.
Ergänzend hat sie kürzlich ein Klavierstudium mit dem Schwerpunkt Liedgestaltung an der Karlsruher Musikhochschule begonnen. Ihr facettenreiches Programm in der gut besuchten Michaelskirche hielt neben effektvollen Klassikern einige schöne Fundstücke parat, die das Instrument von seiner eher unbekannten Seite zeigten.
Ein festlich-frischer Auftakt gelang mit der beschwingt dargebotenen fünften Toccata aus dem „Apparatus musico-organisticus“ von Georg Muffat (1653 – 1704). Mit dieser 1690 erschienenen Sammlung lieferte der damalige Passauer Hofkapellmeister wichtige stilistische Anregungen auch für Johann Sebastian Bach.
Schulzes Gestaltungsruhe und Durchdringungskraft beeindruckten vor allem in Bachs einzigartiger c-Moll-Passacaglia BWV 582, deren organisch verdichtete Variationenfülle sich wie selbstverständlich entfaltete. Die unprätentiöse Genauigkeit ihrer stets natürlich fließenden Wiedergabe zeugte von der bemerkenswerten Reife der jungen Organistin.
Für den Mittelteil des Programms hatte Schulze drei ebenso originell gefärbte wie selten gespielte Charakterstücke ausgewählt, die sich den Bensheimer Konzertbesuchern besonders stark einprägten. „Der hängende Garten ist des Künstlers ewig verfolgtes wie entfliehendes Ideal, sein unerreichbarer wie unverletzlicher Sehnsuchts- und Zufluchtsort“: Diese Worte stellte der kurz nach Kriegsbeginn gefallene Messiaen-Zeitgenosse Jehan Alain (1911 – 1940) über sein 1934 entstandenes Orgelpoem „Le jardin suspendu“, dessen sphärische Klangimpressionen die berückendsten Minuten des Konzerts herbeizauberten.
Frecher Kontrast
Einen frechen Kontrast dazu schuf die mitreißende kleine Pedalstudie „Jig for the feet (Totentanz)“ des US-Amerikaners William Albright (1944 – 1998), deren Spaßfaktor auch durch eine kurze Orgelpanne kaum getrübt wurde. Ähnliches Hörvergnügen bereitete der 1930 komponierte Ohrwurm „Valse mignonne“ opus 142/2 von Sigfrid Karg-Elert (1877 – 1933), zu dem sich der zunehmend wiederentdeckte Reger-Nachfolger erklärtermaßen vom Sound einer Kino-Orgel inspirieren ließ.
Am Ende stand dann noch große französische Orgelromantik in Gestalt der drei letzten Sätze aus der 1878 im Pariser Palais du Trocadéro uraufgeführten sechsten Orgelsinfonie g-Moll opus 42/2 von Charles-Marie Widor (1844-1937).
Miriam Schulze überzeugte erneut durch sicheres Stilgefühl und gewandte Spieltechnik: virtuoser Elan im g-Moll-Intermezzo, unsentimentale Innigkeit im Des-Dur-Cantabile, präzise Steigerungsdramaturgie im bei aller Opulenz nie unnötig aufgeblähten G-Dur-Finale.
Der begeisterte Schlussbeifall für die seit über fünf Jahren an der Weinheimer Stadtkirche wirkende Nachwuchsorganistin machte klar, dass das Bensheimer Publikum von ihr wohl gerne die ganze fünfsätzige Widor-Sinfonie gehört hätte.
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