Musiktheater Rex

Julia Neigel bringt Lieder, die Herz und Seele erfüllen

Sängerin Julia Neigel war mit ihrem Programm „Lieblingslieder“ zu Gast in Bensheim

Von 
Niklas Wagner
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Julia Neigel bei ihrem Konzert im Bensheimer Parktheater. © Thomas Neu

Bensheim. Lieblingslieder. Jeder Mensch hat sie. Es handelt sich um Lieder, die eine ganz besondere Bedeutung haben. Sie sind verbunden mit wichtigen Ereignissen, bestimmten Künstlern oder sprechen einem sprichwörtlich aus der Seele. Doch meistens bleiben die Lieblingslieder etwas Intimes, etwas das man nicht mit anderen teilt. Nicht aber bei Julia Neigel. Die bekannte Sängerin und Songwriterin gastierte am Sonntagabend im Musiktheater Rex. Für Neigel war der Auftritt gleich in doppelter Hinsicht ein besonderer. Zum einen war es der letzte Auftritt mit dem Programm „Lieblingslieder – live und in Farbe“. Zum anderen war es für die 1966 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Künstlerin eine Rückkehr in die Heimat. 1971 zog Neigel mit ihrer Familie nach Ludwigshafen am Rhein. „Es ist so schön, so viele bekannte Gesichter im Publikum zu sehen“, sagte sie.

Das Programm an diesem Abend setzte sich aus Songs aus älteren Alben, Kollaborationen mit anderen Künstlern und ganz persönlichen Lieblingsliedern zusammen. Emotional wurde es gleich zu Beginn mit „Die Seele brennt“. Das Lied stammt aus dem Album „Herzlich Willkommen“, welches sich 27 Wochen in den Top-10 der deutschen Charts hielt. Die Bühne erstrahlt in rotem Licht und Neigel nimmt Platz auf einem Hocker. Sie umgreift mit beiden Händen das Mikrofon und wippt mit dem Kopf zu den Klängen des Gitarrenspiels, das an diesem Abend so wunderbar hintergründig und doch immer wieder virtuos hervortretend von Dennis Hormes und Uwe Fischer zelebriert wird. Zum Refrain wird es dann urplötzlich laut, Neigels tiefe, fast rauchige Stimme füllt für einen kurzen Moment den ganzen Raum aus. Es wird nicht der einzige und bei weitem nicht intensivste Moment des Abends bleiben.

Julia Neigel hat bereits mit Peter Maffay gesungen

Das erste Lieblingslied des Abends kündigt Neigel mit einem Blatt Papier an. Darauf zu lesen ist ein französischer Satz: „Les yeux sans visage“. Auf deutsch: Augen ohne Gesicht. Oder eben „Eyes without a face“. Den Musikexperten im Publikum ist nun klar, dass es sich um den Song von Billy Idol handelt. Der französische Refrain, den im Original Perri Lister singt, wird nun vom Publikum gesungen. Das entstehende Zusammenspiel zwischen Bühne und Publikum entwickelt sich zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk, bei dem die Sängerin im Wechselspiel zwischen ruhigen und rockigen Passagen ihre Gesangskunst ausdrucksvoll demonstriert.

Im Laufe ihrer Karriere – bekannt wurde sie zunächst unter dem Namen Jule Neigel – hat sie mit verschiedenen Musikern zusammengearbeitet. Zum Beispiel mit Peter Maffay. Zusammen haben sie 2016 in der Dortmunder Jahrhunderthalle den Song „Dafür sind Freunde da“ aus dem Album „Tabaluga – Es lebe die Freundschaft“ gesungen. Die produktive Zusammenarbeit der beiden führte dazu, dass Maffay „mich bat, für ihn zu schreiben“. Aus Neigels Feder stammt unter anderem der Song „Siehst du die Sonne“.

Julia Neigel gedenkt Edo Zanki mit einem besonderen Song

In dem Song geht es um Frieden und damit einem Thema, das in Zeiten wie diesen wichtiger denn je ist. Er enthält eine wichtige Botschaft. So heißt es: „Sieh in das Sonnenlicht über dir und lass zu, dass es den Hass zerbricht.“ Ein anderer Song, den die Rockmusikerin für Maffay geschrieben hat, heißt „Freiheit, die ich meine“. „Der Inhalt dieses Textes ist für mich ganz besonders bedeutend“, sagt sie. Auch in diesem Song ist eine kleine Botschaft versteckt, die geradezu gesellschaftskritisch anmutet: „Jeder kämpft für sich allein. Will der Erste sein. Niemand schert sich drum und wenn du fällst, fällst du um. Wer fängt dich oben schon auf. Man will da selbst hinauf.“

Eine andere besondere Person, zu der Neigel in ihrer musikalischen Laufbahn engen Kontakt hatte, war Edo Zanki. Zanki ist im September 2019 verstorben. Um ihm zu gedenken, hat Neigel einen besonderen Song ausgewählt. Einen Song, „bei dem nicht viele wissen, dass er von ihm ist“. Es handelt sich um „Die Tänzerin“, der von Ulla Meinecke gesungen wurde. Das Trio teilte einen besonderen Moment miteinander, denn anlässlich des 20. Jahrestags des Tags der deutschen Einheit trat es vor über 100.000 Zuschauer vor dem Brandenburger Tor auf.

Persönliche Motive spielen in Neigels Liedern eine Rolle

In der Auswahl zweier anderer Songs spiegelt sich die Ehrfurcht und Verneigung vor der jeweiligen Persönlichkeit. Und im ersten Fall auch eine besondere Geschichte. Auf der Suche nach einem Manager stieß Neigel auf Thomas Jost. Auf die Frage, was er denn so bisher gemacht habe, stellte sich heraus, dass er der letzte Manager von Hildegard Knef war, die er 25 Jahre lang betreut hatte. „Da dachte ich, das muss mein Manager werden. Er muss verdammt gut sein.“ Von Knef ist ein Lied besonders bekannt, das zu Neigels absoluten Lieblingsliedern zählt. „Seid ihr bereit“, fragt Neigel kurz und dann geht es auch schon los: „Für mich soll’s rote Rosen regnen.“ Das Lied enthält einige gefühlvolle Passagen, die von Reiner Scheithauer am Keyboard mustergültig und zugleich tiefgründig begleitet werden. Einen anderen Musiker, den Neigel ganz besonders verehrt, ist Zucchero. Von ihm stammt das Lied „Il Volo“. Es klingt gespielt äußerst heiter und hoffnungsvoll und handelt von der ambivalenten Erfahrung bittersüßer Liebe und dem schmerzhaften Abschiednehmen. Diese Ambivalenz findet einmal mehr Ausdruck im temperamentvollen Gesang.

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Dass in Neigels Werken meist persönliche und seelische Motive eine Rolle spielen, wurde in einem kleinen Rückblick deutlich. 2020 veröffentlichte sie ihr neuntes Studioalbum „Ehrensache“. Und dass in einer Zeit, in der der Kunst- und Kulturbetrieb durch die Corona-Maßnahmen enorm gelitten hatte. Umso bemerkenswerter ist es, dass es das Album auf Platz 13 der deutschen Charts schaffte – „mitten im Lockdown“. „Tief in meiner Seele“ lautet einer der Songs, von dem am „letzten Tag, an dem wir auftreten durften“, ein Video entstanden ist. Der Song beginnt ganz sanft und hat dennoch etwas Düsteres. Die Ungewissheit, ob die Normalität weiter so bestehen kann, kommt auch textlich zur Geltung: „Draußen ist die Welt wie sie scheint. Draußen läuft fast alles noch normal.“ Der Sturm, der durch die Seele tobt, wütet gesanglich immer intensiver und gipfelt in einer besonderen Klimax, bevor er wieder abklingt und zu einem nachdenklichen Ende führt. „Draußen ist alles still. Die Luft ist ruhig.“

Ähnlich intensiv wird es zu „Frozen“ von Madonna, einem Lied mit Höhen und Tiefen, das zum Schluss noch einmal das gesamte Spektrum des musikalischen Könnens der Rocksängerin abbildet. Und das einmal mehr die besondere Funktion von Lieblingsliedern zeigt: Sie erfüllen Herz und Seele.

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