Bensheim. Er ist eine echte Type. Unverwechselbar. Wer ihn einmal gesehen – besser noch gesehen und gehört hat –, dem geht er nicht mehr aus dem Kopf, beziehungsweise aus den Ohren. Sein Retro-Style ist unverkennbar, seine steile Haartolle ist ebenso sein Markenzeichen wie seine immer gute Laune.
Götz Alsmann ist Multiinstrumentalist, Sänger, Showmaster, Conférencier der alten Schule, Radio- und Fernsehmoderator, er ist „das Gesicht“ des Jazz-Schlagers, Bandleader und seit 2011 ist der gebürtige Münsteraner Professor der Musikwissenschaft. Ein Entertainer und Profi durch und durch.
Er kann Schlager, Chanson und er kann Jazz – und er kann das Trio miteinander verbandeln. Ausgezeichnet wurde der einstige „Brillenträger und Krawattenmann der Jahre 2000 und 2004“ unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande, der Goldenen Stimmgabel und dem Echo in der Kategorie „Jazz-Sänger des Jahres national.“
Jetzt gastierte der Künstler zum wiederholten Mal vor einem begeisterungsfähigen und am Ende völlig ausgeflippten Publikum im ausverkauften Parktheater und kündigte – nach ein paar charmanten und schmeichelhaften Begrüßungsworten – eine Riesenüberraschung an. Mit seinen hochkarätigen Musikern Dominik Hahn am Schlagzeug, dem Perkussionisten Markus Paßlick, dem Vibraphon- und Marimba-Solisten Alfrid Maria Sicking und Ingo Senst am Kontrabass, fand in Bensheim die erste von mehreren Vorpremieren (sozusagen zum Warmlaufen) zu seinem neuen Programm „Nacht“ statt.
Nach der offiziellen Premiere am 1. Juni im Berliner Admiralspalast geht’s anschließend auf große Deutschlandtournee. Am 31. Mai kommt das 18. Album, „Götz Alsmann – bei Nacht. Mehr als nur Gute-Nacht-Geschichten“, mit prominenten Gästen wie Daniel Hope, Roland Kaiser (Nachbar und guter Freund), Yvonne Catterfeld, Til Brönner und vielen anderen auf den Markt.
Ein Wechselbad der Gefühle zwischen Hoffnung und Schmerz
Solange müssen sich seine Fans noch gedulden. Bensheim hatte da am Samstagabend die Nase vorn: Gemeinsam mit Götz Alsmann und seiner exzellenten Band brachen die Konzertbesucher zu einer Reise durch die Nacht auf, in der sich „Jazz und Schlager die Hand reichten“, in der geküsst, geflucht, sich angeschmachtet und getrennt, in der gelacht und ganz viel geliebt und gelitten wurde. Die Nachtschwärmer mussten sich dabei auf ein Wechselbad der Gefühle zwischen Melancholie und Ausgelassenheit, zwischen Hoffnung und Schmerz und ganz viel Poesie gefasst machen.
Tief in den Archiven und im Fundus des WDR hatte der Musikprofessor und ehemaliger „Zimmer frei“-Moderator gesucht und dabei allerlei melancholische wie humorvolle Schlager-Glanzstücke der Jahre 1910 bis 1965 hervor gekramt, von denen einige ein glatter Misserfolg gewesen, andere sogar unentdeckt geblieben waren. Letzteres trifft auf das „Nachtlied“ von Margot Hielscher aus dem Jahr 1964 zu, das ihr Ehemann für sie geschrieben hat und das nicht ein einziges Mal gespielt wurde. Alsmann ist der Erste überhaupt, der das Chanson auf einem Tonträger produziert und neu arrangiert hat.
Nicht viel besser ging es dem großen Peter Alexander mit einem in Vergessenheit geratenen Song auf der B-Seite einer seiner Schallplatten aus dem Jahr 1952. Alsmann hat dem Oldie neues Leben eingehaucht und aus einem seichten Liedchen einen „Jazz-Schlager“ mit Profil gemacht. Kein Glück hatten auch Gretje Kauffeld und Dalida mit der deutschen Fassung der Titelmelodie aus dem Film „Lieben Sie Brahms“ („Say nor more. It’s goodbye again“), die – was viele nicht wussten – aus Johannes Brahms Symphonie Nr. 3 stammt. Für den Entertainer war’s eine Herausforderung. Und siehe da, es hat funktioniert.
Gänstehaut-Momente bei Beatles-Klassiker „Yesterday“
Zusammen mit Roland Kaiser hat der Pianist den Song der legendären Hildegard Knef, „In dieser Stadt – kenn ich mich aus. In dieser Stadt war ich mal zu Haus“ auf seinem demnächst erscheinenden Album aufgenommen und als Solo für Bensheim gesungen. Gänsehaut-Momente gab’s bei der deutschen Interpretation des Beatles-Klassikers „Yesterday“ („Gestern noch“).
Mit „Illusionen sind das Schönste auf der Welt“, „Nachts sind die Straßen so leer“, „Die Nacht, die Musik und dein Mund“, „Tränen um Mitternacht“ oder „Küssen im Dunkeln“ animierten Götz Alsmann und seine Band (mit zahlreichen Soli und viel Szenenapplaus) das schon beinahe euphorisch agierende Publikum zu einem nächtlichen Spaziergang durch die dunklen Straßen – mit Blick dann und wann in die hell erleuchteten Fenster.
Zwischen den einzelnen Stücken parlierte Alsmann munter über Kindheitserinnerungen, den gemeinsamen Friseurbesuch mit seinem Vater im „Salon Webers“ („Salonschnitt mit rechts vorn rechts –nicht zu kurz“), über Lieblingswestern mit Horst Frank und Eddi Constantin und heimlich unter der Bettdecke gehörte Musiksendungen.
Nach gut zwei Stunden war Schluss, auch wenn die Besucher mit Jubel und Bravorufen noch immer mehr verlangten. Mit Ukulele und einem zarten „Die Nacht ist voller Zärtlichkeit“ sagte der Münsteraner nach mehreren Zugaben dann doch „Tschüss und Auf Wiedersehen.“
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