Wambolter Hof

Hochklassiges Finale bei der Bensheimer Sommerbühne

Mit zwei namhaften Latin-Jazz-Veteranen hat die diesjährige Sommerbühne am Sonntag ein hochklassiges Finale erlebt.

Von 
Thomas Tritsch
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Die Sommerbühne am Wambolter Hof ging am Sonntag mit den Solisten Joe Gallardo an der Posaune und Wilson de Oliveira (Saxophon) zu Ende. © Thomas Neu

Bensheim. Rund einhundert Gäste erlebten zwei virtuose Solisten, die längst nichts mehr beweisen müssen. Flankiert von einer harmonischen Rhythmusgruppe, der es souverän gelingt, die beiden Stars ins richtige Licht zu setzen.

Mit dem Saxophonisten und Komponisten Wilson de Oliveira ist den Veranstaltern ein veritabler Coup gelungen. Der Förderkreis Kleinkunst und Kultur, der seit vielen Jahren den Jazzkeller im PiPaPo-Theater organisiert, präsentierte mit ihm die Personifikation von melodischem Latin Jazz, der seine charismatische Essenz aus Tango und Candombe schöpft – den beiden musikalischen und künstlerischen Ausdrucksformen, die in Uruguay eine zentrale Rolle spielen.

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Wilson de Oliveira, 1945 in der Hauptstadt Montevideo geboren und seit den 70er Jahren in Deutschland lebend, mischt den traditionellen Klang seiner Heimat mit verschiedenen südamerikanischen Einflüssen und macht daraus einen Mix, der Kopf und Körper gleichermaßen animiert.

Tiefe Künstlerfreundschaft

Mit dem US-Amerikaner Joe Gallardo verbindet ihn eine tiefe Künstlerfreundschaft. Beide waren lange Zeit prägende Mitglieder der Bigbands des HR und NDR. Zusammen haben sie unter anderem mit Joe Henderson und in Peter Herbolzheimers Rhythm Combination and Brass gespielt. Auch stilistisch weisen sie eine ähnliche Tonsprache mit viel instrumentaler Freiheit und Elastizität auf.

Unterstützt wurden sie in Bensheim von Peter Reiter am Piano (bei Darmstadt verortet), dem Kölner Dietmar Fuhr am Kontrabass und – erstmals – Kristof Körner am Schlagzeug. Der Drummer aus der Rhein-Neckar-Jazzszene (Studium in Mannheim) fügt sich nahtlos in die Band ein und meistert die tänzerischen Fusion-Sounds ebenso sicher wie die Latin-geprägten Stücke. Die filigran swingenden Becken und energetische Trommelkunst versteht sich bestens mit dem Jazzverständnis von Fuhr und Reiter, mit denen Körner schon häufig zusammengespielt hat.

Doch die Front gehört in Bensheim dem Gebläse. Immer wieder gelingt es Wilson de Oliveira, seine einprägsamen Themen und modernen Improvisationen am Saxophon mit der komplexen rhythmischen Struktur des Candombe auf höchstem musikalischem Niveau zu vereinen. Der Dialog mit Joe Gallardo entwickelt sich aus einer musikalischen Idee oder einem spontanen Impuls heraus: leicht und verspielt, mühelos und improvisatorisch erlebt das Publikum beredte Frage-Antwort-Spielchen, alternierende Soli und instrumentale Wettrennen, die auf dem Hostinné-Platz immer wieder mit Szenenapplaus kommentiert werden.

Mit Klarheit und Kontur

Der 83-jährige Texaner nimmt die Vorlagen seines Kollegen dankbar auf. Auch er ist in den 70er Jahren in Deutschland hängengeblieben, wo er seither als Arrangeur und Solist arbeitet. Gallardo gilt als einer den profiliertesten Jazzmusiker Europas. 15 Jahre lang war er Lead-Posaunist der NDR Bigband und hatte eine Professur an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Er spielte in seiner Karriere bereits mit Chet Baker, Al Jarreau, Slide Hampton und Frank Sinatra zusammen. 1976 erhielt er für seine Komposition „Amanecer“ einen Grammy in der Kategorie lateinamerikanische Musik.

Seine Töne sind wie Statements. Mit viel Klarheit und Kontur, Schliff und Substanz. In dem gestochen scharfen wie samtig weichen Ausdruck und dem eleganten Drive harmoniert sein Klangvokabular wunderbar mit dem des Bandleaders. Eindrucksvoll zu erleben bei dem 1952er Standard „Bernie’s Tune“ von Bernie Miller – eine Steilvorlage zum Jammen und musikalischen Warmwerden. Bei „Bolivia“ des amerikanischen Jazzpianisten Cedar Walton mit seinem eingängigen Ostinato und dem afrokubanischen Grundsound geht es wieder Richtung Süden. Nach dem Blues „Better Than Nothing“ wartete die Pause.

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Zu den Perlen des zweiten Sets zählten „Claudia“ des kubanischen Pianisten Chucho Valdés sowie Sonny Rollins’ Standard „Doxy“, ein lakonischer Pseudo-Blues mit eingängigem Thema und musikalischem Witz, in dessen Kontext auch der Pianist des Abends einmal speziell erwähnt werden muss: ein Mann, der meist stoisch, ernst und mimisch sparsam an den Tasten sitzt, von dort aus aber jedes musikalische Detail im Blick hat. Peter Reiter ist ein enorm vielseitiger Musiker, ein stilistisch facettenreicher Komponist und großer Freund von jenem Sonny Rollins. Er erweist sich in Bensheim als kongenialer Begleiter der beiden dominanten Latin-Hörner. Sein Spiel entbehrt jedem Streben nach Prominenz und Führungsrolle, bildet aber einen soliden Sockel für die Ausflüge der Blasinstrumente.

Jedes musikalische Detail im Blick

In etlichen Passagen kann man die musikalische Fantasie und technische Klasse Reiters immer wieder miterleben. So auch in Horace Silvers „Nica’s Dream“. Ein Hardbop-Klassiker, der von Wilson de Oliveira und Joe Gallardo mit feurigen Latin-Farben angereichert wird. Ein starkes Finale für die Sommerbühne, die vom Förderkreis gemeinsam mit dem PiPaPo-Theater und dem Bensheimer Stadtmarketing organisiert wurde. Nach der Premiere im Vorjahr eine auch in puncto Publikumsresonanz erfolgreiche Fortsetzung mit einem anregenden Mix aus Musik, Schauspiel und Kindertheater.

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