Bensheim. „Eine Haushaltssanierung, die die meisten Bürger gar nicht merken, wird niemals ausreichen.“ Dieses Zitat stammt von Hans-Peter Keitel, einem deutschen Manager und Präsident des deutschen Bundesverbandes der Industrie. Ein Zitat, das die Situation in Bensheim treffend zusammenfasst und das Bürgermeisterin Christine Klein an den Beginn ihrer Rede zur Einbringung des Haushaltes 2025 stellte.
„Wir alle werden es merken. Die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, die Unternehmen, Vereine, Organisationen.“ In den Beratungen der kommenden Wochen muss weiter geprüft werden, in welchem Maß - und zu welchem Preis - die Leistungen der Stadt Bensheim aufrechterhalten werden können. Voraussichtlich am 4. April soll der Haushalt beschlossen werden - und damit auch der finale Hebesatz der Grundsteuer B. Stand jetzt liegt er bei 1275 Punkten.
„Wir nehmen Vorschläge auf, prüfen und werden den politischen Gremien einen Katalog mit freiwilligen Leistungen zur Beratung und Entscheidung vorlegen. Das Budgetrecht ist das Hoheitsrecht des Parlaments. Solche Entscheidungen bedeuten Verzicht, sind schmerzhaft, ausgesprochen schwierig und auch unpopulär.“
Transparente Analyse der Stadtverwaltung
Zum Sparen brauche es nicht nur Disziplin, sondern vor allem ein System, eine klare Analyse und mutige Entscheidungen, die den Bürgerinnen und Bürger vermittelbar seien. Großen Wert lege Klein dabei auf den neutralen Blick auf die Haushaltssituation, den die Stadt in einem ersten Schritt durch die Hessische Kommunalberatung erhalten habe. Im Folgenden sollen Prozesse und Strukturen der Verwaltung genau durchleuchtet werden. Dabei stehe Transparenz und Ehrlichkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern an oberer Stelle.
„Es geht darum, die Verwaltung als zukunftsorientiertes Unternehmen aufzustellen, Synergien zu schaffen, Strukturen und Abläufe zu optimieren und den demografischen Wandel auch unter dem Aspekt des Fachkräftemangels im Blick zu haben. Denn in den kommenden fünf bis 15 Jahren werden mehr als 40 Prozent der Mitarbeitenden der Verwaltung in den Ruhestand gehen. Und die Besetzung von Stellen fallen Kommunen wegen der Konkurrenz durch die freie Wirtschaft und wegen des Fachkräftemangels immer schwerer.“
Zu den Ursachen der Finanzmisere in Bensheim sei in den vergangenen Monaten viel gesagt und geschrieben worden. Maßgebliche Gründe seien die stetig wachsenden Ansprüche an die Kommunen bei gleichbleibender oder sinkender Mitfinanzierung von Land und Bund, die die Maßnahmen „bestellen“ sowie der Einbruch bei der Gewerbesteuer in Bensheim. Aus den Jahren 2022 und 2023 musste die Stadt zudem Gewerbesteuerrückzahlungen von knapp 30,7 Millionen Euro leisten. „Die Weltkonjunktur läuft zwar gut, jedoch stehen südhessische Unternehmen im internationalen Geschäft unter Druck. In Bensheim werden wir in den kommenden Jahren mit deutlichen Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer kalkulieren müssen.“ Durch die von Klein und dem Magistrat verhängte Haushaltssperre und den daraus resultierenden Einsparungen in der Verwaltung sowie geringere Umlagezahlungen konnte der Fehlbedarf im Haushalt 2024 bereits um insgesamt 7,5 Millionen Euro reduziert werden.
Stadt plant mit Minus von 18,5 Millionen Euro
Im Haushaltsentwurf 2025, wie er nun vorliegt, konnte die Verwaltung bereits Einsparungen von rund 2,5 Millionen Euro im Ergebnishaushalt und 4,7 Millionen Euro im Finanzhaushalt einsparen. In diesem Jahr plant die Stadt mit ordentlichen Erträgen in Höhe von 124,5 Millionen Euro. Dem gegenüber stehen ordentliche Aufwendungen in Höhe von 143 Millionen Euro. Das macht ein ordentliches Ergebnis von minus 18,5 Millionen Euro.
Wie passt es mit dem Sparwillen der Stadt zusammen, dass die Aufwendungen im Haushaltsjahr 2025 um drei Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr steigen? Ein Hauptgrund sind die Personalkosten: 2024 wurden die Gehälter im öffentlichen Dienst um 200 Euro pro Stelle und folgend nochmals um 5,5 Prozent erhöht. Für 2025 laufen die Tarifverhandlungen mit Forderungen von acht Prozent. „Eingepreist in den Haushalt der Stadt ist eine Tarifsteigerung von vier Prozent.“ Ein weiterer großer Batzen im Haushalt ist der Verlustausgleich für den Eigenbetrieb Kinderbetreuung in Höhe von über 3 Millionen Euro, in dem wiederum auch Personalkostensteigerungen zum Tragen kommen. „In den vergangenen Jahren sind deutliche Kostensteigerungen erkennbar von 14,8 Millionen 2023 über 16 Millionen in 2024 auf geplante 19 Millionen in diesem Jahr.“
Damit lenkte die Rathauschefin den Blick auf einige Einsparungen und Mehrerträge: Bei den Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen werden Einsparungen von 1,65 Millionen Euro eingeplant. Und das, obwohl die Kosten für diesen Bereich generell deutlich gestiegen seien. Beim KMB wurden im Vorfeld etwa drei Millionen Euro abgeplant. So wurden unter anderem Streichungen im Straßenerhaltungsprogramm vorgenommen, dem barrierefreien Umbau von Bushaltestellen, der Straßenbeleuchtung und Maßnahmen zur grundhaften Erneuerung einzelner Straße auf Folgejahre verschoben. Damit bewege man sich an der äußersten Grenze dessen, was aus Gründen der Verkehrssicherheit vom KMB vertretbar sei. „Mit einem Plus von 10,75 Millionen Euro rechnen wir bei Erträgen aus Zuweisungen und Zuschüssen für laufende Zwecke und allgemeine Umlagen, hier zeigt sich klar der Wandel Bensheims von einer Geberkommune zu einer Nehmerkommune.“
Grundsteuer B Zug um Zug senken, sobald es möglich ist
Die Kommunalberatung habe es während der Bürgerinformationsveranstaltung auf den Punkt gebracht, so Klein. Wenn die Stadt Geld generieren wolle, bleibe nur die Erhöhung der Grundsteuer B. „Die Bürgerinnen und Bürger plagt die Frage, wie hoch ihre Bescheide ausfallen werden. Diese Sorgen höre ich und ich verstehe sie sehr gut. Deswegen lautete das Ziel, durch Einsparungen von den anfangs kommunizierten 1740 Hebesatzpunkten wegzukommen.“ Der Haushaltsplanentwurf, wie ihn Klein am Donnerstag vorstellte, basiert auf der Kalkulation mit 1275 Hebesatzpunkten in den Jahren 2025 und 2026. „Das ist immer noch sehr hoch. Ich gehe davon aus, dass im Laufe der Haushaltsberatungen weitere Hebesatzpunkte eingespart werden, die eine politische Bewertung erfordern.“
Um den Haushalt 2025 überhaupt einvernehmungsfähig vorlegen zu können, war man gezwungen, in der mittelfristigen Planung eine technische Erhöhung der Hebesatzpunkte auf 1660 Hebesatzpunkten für die Jahre 2027 und 2028 einzuplanen. „Es ist unser erklärtes Ziel, dass diese Hebesatzpunkte nicht zum Tragen kommen.“ Dafür braucht es weitere Konsolidierungsmaßnahmen. „Unser Ziel lautet, den Hebesatz für die Grundsteuer B so bald als möglich, Zug um Zug wieder zu senken“, sicherte Klein zu.
Wie hoch die Grundsteuer B am Ende ausfällt, wird ein Ergebnis der sicherlich schwierigen Haushaltsberatungen sein. Dabei müssen unterschiedliche Faktoren berücksichtigt werden, allem voran der demografische Wandel. Denn dieser gibt die Entwicklung der Infrastruktur für die kommenden Jahre vor. Zudem sei ein verlängerter Konsolidierungszeitrum zentral. „Wir drängen auf eine sozialverträgliche Lösung.“
Verwaltung offen für Einführung von KI
Die Verwaltung sei offen für neue Wege. „Auf meine Initiative hin führen wir nun Zug um Zug KI in die Verwaltung ein. Einführung Künstlicher Intelligenz, kurz KI, wird helfen, Arbeitsabläufe zu optimieren und zu erleichtern.“ Stur auf dem Abbau von Stellen zu beharren sei nicht zielführend: „Die Analyse der Kommunalberatung hat gezeigt, dass Bensheim mit der Zahl seiner Mitarbeitenden in der Kernverwaltung im Vergleich ähnlich großer Städte am unteren Level der Skala steht. Will heißen: Die Behauptung, in der Verwaltung der Stadt Bensheim, gebe es einen Überhang an Stellen, ist eine Mär, deren Wahrheitsgehalt nicht steigt, je öfter sie wiederholt wird.“
Weiter sei geplant, die interkommunale Zusammenarbeit weiter auszubauen. In vielen Bereichen laufe das bereits gut, etwa in den Bereichen Feuerwehr, Personenstandswesen, Forstwirtschaft, Wärmeplanung, bei der Aufgabenerledigung des Zweckverbands Kommunalwirtschaft oder bei den Museen. Seit Anfang 2022 bestehe eine informelle Zusammenarbeit im Bereich Digitalisierung mit Lorsch, Einhausen, Lautertal und Zwingenberg. „Ganz aktuell konzentrieren sich unsere Bemühungen auf das Thema IT-Sicherheitsbeauftragter. Eine gemeinsame Ausschreibung und Vergabe wurden geprüft.“
Zusätzliche Möglichkeiten zur Zusammenarbeit sieht Klein im Gebäudemanagement mit der Bündelung von Sachkenntnissen und einer großen Vergabestelle. Oder wie im Rheingau-Taunus-Kreis: Mehrere Kommunen teilen sich ein Steueramt. „Wo der Bescheid verschickt wird, ist dem Empfänger gleich. Der Bescheid muss stimmen.“
Zum Abschluss ihrer Rede betonte die Bürgermeisterin noch einmal, dass die Bewältigung all dieser Aufgaben nur gemeinsam gelingen kann. Dankbar zeigte sie sich gegenüber den Teams der Verwaltung, den Eigenbetrieben und dem KMB für deren zusätzliches Engagement in dieser schwierigen Situation. „Insbesondere danke ich den Mitarbeitenden im Team Finanzen und Steuern für die Bewältigung der besonderen Herausforderung beim Software-Wechsel, der Erstellung des Nachtragshaushalts, der Aufstellung des Haushaltentwurfs 2025 und der Umsetzung der Grundsteuerreform. Das forderte sehr viel Einsatz.“
Und ebenso viel Einsatz ist nun in den kommenden Wochen bei den Haushaltsberatungen gefordert.
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