Bensheim. Mit seinen umstrittenen Thesen und Theorien erreicht Ken Jebsen ein Millionenpublikum. Am heutigen Mittwoch tritt der ehemalige Radiomoderator in Bensheim auf - unter seinem bürgerlichen Namen Kayvan Soufi-Siavash.
„Angst essen Freiheit auf“ lautet der Titel seines Vortrags, den er im Kolpinghaus halten wird. Das bestätigte der Vorsitzende der Kolpingsfamilie Bensheim, Josef Roesch, dieser Zeitung. Die Veranstaltung ist ausverkauft, in den Adolph-Kolping-Saal passen rund 250 Zuschauer. Tickets konnte man vorab über die Seite „Krasser Guru“ buchen, allerdings ohne Angabe des Orts. Den erfuhren die Käufer erst 48 Stunden vorab per Mail.
Worum es in etwa in Bensheim gehen wird, konnte man einem kurzen Einleitungstext auf der Homepage entnehmen: „Wer den Menschen um seinen Drang zur Freiheit bringen möchte, muss die Technik beherrschen, Massen über den Hebel Angst in Schach zu halten. Der vom Mensch gemachte politische Klimawandel hat das Ziel, echte Demokratie und damit tatsächliche Freiheit für alle Zukunft unmöglich zu machen. Was tun, um dieser Tyrannei entgegenzutreten? Wer die Techniken der permanenten Propaganda durchschaut, kann sich erfolgreich gegen die eigene Manipulation wehren - angstfrei!“ So viel dazu.
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In der Vergangenheit war Ken Jebsen bereits mit Aussagen zur Corona-Pandemie, Bill Gates oder dem Terroranschlag am 11. September 2001 in den USA auffällig geworden - vorsichtig formuliert. Weil er falsche Informationen zur Pandemie verbreitete, sperrte Youtube seinen Kanal im Ende 2020. Online finden sich auf einschlägigen Plattformen etliche Videos von Jebsen, in denen er seine Ansichten unmissverständlich kundtut.
Josef Roesch verwies auf Anfrage dieser Zeitung auf die Meinungsfreiheit. „In unserem Land darf jeder äußern, was er will und was er kann. Zeigen Sie mir einen Staatsanwalt, der eine Verfügung erlässt oder dem Ganzen die Grenzen aufzeigt, dann blase ich die Veranstaltung ab.“ Deutschland sei ein Rechtsstaat, über alles weitere diskutiere er nicht. Er habe kein Verständnis, dass wegen des Vortrags ein solcher Aufstand gemacht werde.
Nun werde aber Druck auf seine Person ausgeübt, er verwahre sich dagegen, dass ihm ein schlechtes Gewissen eingeredet werde. Die Veranstaltung sei von einer Bensheimer Bürgerin gebucht worden, er habe weder den Referenten noch den Titel gekannt. Erkundigungen habe er ebenfalls nicht eingeholt.
Das Kolpinghaus stehe zunächst jedem offen, es hätten in der Vergangenheit auch Veranstaltungen der Kirche, von Parteien und anderen Vereinen stattgefunden. Wenn 200 Leute kämen und Geld für diesen Vortrag ausgeben, sei das nicht sein Problem.
Kein Mietvertrag im Bürgerhaus
Nach Informationen dieser Zeitung war zunächst der Versuch unternommen worden, das Bensheimer Bürgerhaus mit seiner deutlich höheren Kapazität für Kayvan Soufi-Siavash zu reservieren. Ein Mietvertrag kam aber nicht zustande. „Nachdem die Stadt darüber informiert worden ist, dass Kayvan Soufi-Siavash, ehemals Ken Jebsen, eine Veranstaltung im Bürgerhaus plant, haben wir den Pächter des Bürgerhauses informiert und ihn bezüglich Kayvan Soufi-Siavash sensibilisiert“, hieß es dazu am Dienstag aus dem Rathaus.
Es sei aber die alleinige Entscheidung des Pächters, an wen er die Räumlichkeiten vermietet. Wenn er nach Prüfung der Sachlage das Bürgerhaus nicht vermietet, sei das sein gutes Recht und werde von uns respektiert und unterstützt. „Soweit Aussagen und Positionen von Kayvan Soufi-Siavash der Stadt bekannt sind, teilt sie diese nicht und distanziert sich ausdrücklich davon.
Gleichzeitig vertritt die Stadt Bensheim die Ansicht, dass die Meinungsfreiheit ein hohes Verfassungsgut ist, das im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Ordnung zu schützen ist. Solange sich der Vortrag innerhalb der von Verfassung und Strafrecht definierten Grenzen bewegt, sind auch schwierige oder schmerzhafte Meinungen und Ansichten zu tolerieren, denen innerhalb eines gesellschaftspolitischen Diskurses begegnet werden muss“, heißt es weiter. Ähnlich hatte Bürgermeisterin Christine Klein bereits Anfang des Jahres argumentiert, als der Schweizer Historiker und selbsternannte „Friedensforscher“ Daniele Ganser im Bürgerhaus in der Lebenskunst-Reihe des evangelischen Pfarrers Justus Keller auftrat.
Dass Ken Jebsen nun im Kolpinghaus eine Heimat für seinen Vortrag gefunden hat, wird von der Stadt nicht weiter kommentiert. Das liege allein im Zuständigkeitsbereich des Eigentümers. Dieser wiederum hat in Person des Vorsitzenden Josef Roesch nun mehr als deutlich gemacht, dass er wenig Verständnis für Kritik an der Entscheidung hat, die Räume für diesen Zweck zu vermieten.
Die Regionalstelle Süd des Beratungsnetzwerks Hessen - Gemeinsam für Demokratie und gegen Rechtsextremismus äußerte sich am Dienstag auf Nachfrage dieser Zeitung schriftlich zu Ken Jebsen.
„Wir schätzen ihn und seine Inhalte als demokratiegefährdend ein. Er vertritt antisemitische, transfeindliche und verschwörungsideologische Positionen, die in dem aktuellen gesellschaftlichen Klima, in dem zum Beispiel antisemitische Gewalttaten über die letzten Jahre konstant hoch sind, auf nährhaften Boden treffen und bereits radikalisierte, rechts-offene Menschen in ihren Positionen stärken, als auch Menschen, die bisher weniger in dem verschwörungsideologischen Milieu unterwegs waren, abholt.“
Er tue das, in dem er einfache Antworten auf bestehende Ängste und Unsicherheiten in krisenhaften gesellschaftlichen Zeiten, liefere. Ken Jebsen falle bereits seit über zehn Jahren durch verschwörungsideologische und antisemitische Aussagen auf.
„Seit Beginn der Corona-Pandemie ist er eine zentrale und prominente Figur der Anti-Corona-Maßnahmen-Proteste, in Stuttgart verbreitete er vor 10 000 Menschen seine Theorien zum Zusammenhang von Corona und einer weltweiten Verschwörung, die von Bill Gates gesteuert wird.“
Dabei reproduziere er klassische antisemitische Erklärungsmuster von einem „unsichtbaren Strippenzieher“. Auch zum Veranstaltungsort gab die Regionalstelle eine Einordnung ab. „Generell finden wir es wichtig, dass sich öffentliche Häuser und Träger, wie auch das Kolpingwerk, die sich in ihrem Leitbild einem humanistischen Welt-und Wertebild verpflichten und ein demokratisches Miteinander fördern wollen, deutlich gegen demokratiefeindliche und verschwörungsideologische Akteurinnen und Akteure positionieren.“
Ken Jebsen oder Kayvan Soufi Siavash, wie er sich aktuell nenne, könne allein dadurch, dass sein Youtube-Kanal beim Verfassungsschutz Berlin 2021 als Verdachtsfall geführt wurde, als demokratiefeindlich eingestuft werden. In letzter Zeit erlebe man vermehrt, dass Räumlichkeiten von öffentlichen Trägern oder Kommunen an demokratiegefährdende, verschwörungsideologische oder Menschen und Gruppen aus dem rechtsesoterischen Spektrum vermietet werden.
Unwissenheit ist ein Grund
Ein häufiger Grund hier sei Unwissenheit über die Mieter seitens des Vermieters. Die Räumlichkeiten würden selten von den Referenten, in diesem Fall Ken Jebsen, direkt angemietet, sondern durch Dritte. Entweder seien diese vor Ort bekannt und gelten dadurch als vertrauenswürdig oder seien Teil von Organisationen oder Parteien, die Anrecht auf öffentliche Räumlichkeiten haben.
„Wir empfehlen in solchen Fällen die Überarbeitung der Mietverträge im Hinblick auf Klauseln, die solche Veranstaltung verhindern können, zum Beispiel dass explizit benannt wird, dass dort keine Veranstaltungen oder Referentinnen und Referenten, die sexistische, rassistische, antisemitische, antifeministische Inhalte vertreten, stattfinden dürfen.“
Pfarrer Christian Stamm sprach sich für die Katholische Kirche im Pastoralraum Bensheim/Zwingenberg deutlich gegen die Veranstaltung im Kolpinghaus aus. „Aus unserer christlichen Überzeugung bieten wir keinen Raum für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Ausgrenzung, Hass und Hetze dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben“, betonte der Geistliche.
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