BENSHEIM. Wenn es ein für Johann Sebastian Bachs Orgelmusik besonders repräsentatives Genre gibt, dann ist es wohl die von ihm zu einzigartiger Perfektion geführte Verbindung von Präludium und Fuge. Im Neben- bzw. Miteinander der stilistischen Freiheit des Präludiums und der konstruktiven Gebundenheit der Fuge fand er unerschöpfliche kompositorische Möglichkeiten.
Christoph Bergners drittes Konzert seiner neuen Bachstunden-Reihe in der Michaelskirche hatte als Schwerpunkt gleich zwei Hauptwerke dieser zentralen Gattung zu bieten. Mit rund 100 Zuhörern war der Abend sogar noch besser besucht als die beiden Vorgängerkonzerte.
Dass selbst Bachs komplexeste Stücke immer lebendigste Musik enthalten, unterstrich etwa Dmitri Schostakowitsch 1950 in seiner Leipziger Bachfest-Rede: „Die Bachsche Fuge ist ein komplizierter und bis zu den geringsten Einzelheiten innerlich in Einklang gebrachter Musikorganismus.
Die Form ist für ihn nicht Selbstzweck. Dank der tiefen Strenge und der realistischen Objektivität der Ausdrucksmittel wird die Bachsche Fuge für ewige Zeiten den Ausdruck menschlicher Leidenschaften und Charaktere behalten.“
Unmittelbar danach entstand übrigens die am „Wohltemperierten Klavier“ orientierte Sammlung der Präludien und Fugen opus 87.
Wie beredt Bachs „Musikorganismus“ gerade durch diese Paarung verkörpert wird, machte Christoph Bergner anhand zweier besonders schöner Beispiele erlebbar. Sein Zugriff verriet wie gewohnt eine unbestechliche Klarheit, die große Linien und markante Details ganz natürlich zusammenführte. Das h-moll-Auftaktstück BWV 544 erschien mit seinem kraftvoll fließenden Präludium und seiner ruhevoll verdichteten Fuge einmal mehr als eines der expressivsten Orgelwerke des Komponisten. Wahrhaft programmkrönende Hochstimmung garantierte der späte Es-Dur-Solitär BWV 552 aus dem 1739 veröffentlichten dritten Teil der Sammlung „Klavierübung“ – ein unübertroffener Gipfelpunkt des Genres, zu dem Bergners verinnerlichte Spielfreude ideal passte. Toccata und Fuge F-Dur BWV 540 hatten zuvor ebenfalls die erquickend heiteren Seiten ihres durchaus gerne ausgelassenen Schöpfers präsentiert (brillant gemeisterte Pedalpassagen inklusive).
Bachs Kunst der Choralbearbeitung kam an diesem Abend vor allem im subtil virtuosen A-Dur-Juwel „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ BWV 664 aus den späten Leipziger Chorälen zur Geltung, dessen schwerelos jubilierender Elan wohl keinen Konzertbesucher unberührt ließ. Gut dazu fügten sich die drei stimmig vereinten d-moll-Sätze „Christ ist erstanden“ BWV 627, „Erschienen ist der herrliche Tag“ BWV 629 und „Christ lag in Todesbanden“ BWV 625.
Dem langen Schlussbeifall folgte mit „Vater unser im Himmelreich“ BWV 636 ein weiteres d-moll-Stück aus dem Orgelbüchlein als Zugabe.
Die nächste Bachstunde findet am 9. Mai (Christi Himmelfahrt) um 19.30 Uhr im Rahmen der Bergsträßer Bachtage statt. Dann stehen unter anderem Präludium und Fuge e-moll BWV 548, die Triosonate Es-Dur BWV 525 sowie die sogenannte „dorische“ Toccata d-moll BWV 538 auf dem Programm.
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