„Neue Musik“? Dieses Etikett hält immer noch viele davon ab, sich eine Konzertkarte zu kaufen. Und so war der Florian-Waldeck-Saal auch recht spärlich gefüllt beim Konzert des jungen, aber schon sehr renommierten Pianisten Florian Heinisch, mit einem Programm ausschließlich des 20. Jahrhunderts. Selbst schuld, kann man da nur sagen – wer nicht dabei war, hat einen tollen Abend verpasst!
Zu Beginn Schönberg, Fünf Stücke op. 23 aus den 20er Jahren. Man spürt, der Komponist weiß, was er nicht will: Dur und Moll, aber was dann? Hier hätte man sich vom Pianisten vielleicht noch etwas mehr Eleganz und Gelassenheit gewünscht. Dann aber vom jungen Boulez „Douze Notations“, von der strengen 12-Ton-Reihe zur freien. Boulez selbst sah sich in der Tradition Debussys, und tatsächlich entfacht Heinisch ein Feuerwerk an Farben, sphärisches Innehalten neben brutalen Clustern und irrwitzigen Läufen. Toll!
Florian Heinisch besteigt die Teufelstreppe atemberaubend
Nach einem kurzen Stockhausen dann Sofia Gubaidulina, „Chaconne“, Goldberg-Variationen im Atomzeitalter. Andere Pianisten mögen das lyrischer angehen – Heinisch holt aus der Werkzeugkammer Motormeißel und Vorschlaghammer! Das passt! Phänomenal! Nach der Pause zweimal György Ligeti – „Musica Ricercata“, ein großes Werk, 11 kurze Stücke aus einem Ton sich steigernd entwickelnd, vom Pianisten höchst differenziert beleuchtet. Und noch die schwindelerregende „Teufelstreppe“, in atemberaubendem Tempo bestiegen. Riesen-Ovationen, Brahms’ 1. Intermezzo op. 117 als Zugabe, Seelenbalsam. Es bleibt ein Fazit: „Neue Musik“? Nicht abschrecken lassen – hingehen!
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