Jahresbericht

Überwiegender Teil der Geflüchteten 2024 in Bensheim waren Familien

Die meisten Menschen, die im vergangenen Jahr in den Unterkünften der Stadt Bensheim lebten, waren zwischen 20 und 34 Jahren alt

Von 
Anna Meister
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Die Zeltstadt für Geflüchtete auf dem Bensheimer Messplatz im Jahr 2023. Jetzt wird sie abgebaut. © Thomas Neu

Bensheim. Geht es um das Thema Unterbringung geflüchteter Menschen, so kann aus einer sachlichen Präsentation schnell eine Debatte über das System als solches erwachsen. „Es muss doch eine Instanz geben, die die Menschen bei ihrer Integration begleitet“, kritisierte Adriana Filippone (SPD) in der vergangenen Sitzung des Sozialausschusses der Stadt Bensheim. Elementare Angebote hierfür, etwa Sprachkurse, werden oft rein über ehrenamtliches Engagement aufgefangen. Die Städte und Kommunen sind nach dem Landesaufnahmegesetz dazu verpflichtet, die Menschen unterzubringen. Und viel mehr können sie wegen der enormen Aufgabenlast - nicht nur in diesem Bereich - auch nicht leisten.

Das Gesetz legt fest, dass Asylsuchende und andere geflüchtete Personen zunächst in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht werden. Dort durchlaufen sie alle notwendigen Schritte des Asylverfahrens, wie die Registrierung und die Asylantragstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Nach der Erstaufnahme werden sie den Landkreisen und kreisfreien Städten zugewiesen. Im Kreis Bergstraße wurde diese Aufgabe seit Mai 2023 an die Kommunen delegiert.

 44 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner besaßen eine Aufenthaltserlaubnis

Seitdem muss die Stadt Bensheim monatlich Geflüchtete nach dem Prinzip des Königsteiner Schlüssels (basierend nur auf der Einwohnerzahl) unterbringen. Die Quartalszahlen hängen von den Zuweisungszahlen des Landes Hessen an den Kreis Bergstraße ab und variieren stark.

Die Unterbringungspflicht der Stadt endet mit bestandskräftiger Zuerkennung eines Aufenthaltsrechts. Allerdings kann eine bleibeberechtigte Person weiter in einer städtischen Unterkunft wohnen bleiben, wenn sonst die Obdachlosigkeit droht. In Bensheim besaßen Stand Ende vergangenen Jahres 44 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner dieser Unterkünfte eine Aufenthaltserlaubnis - bezahlbarer Wohnraum ist rar, Vorurteile und die allgemein angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt erschweren einen Umzug.

Diese Aufgaben leistet die Stadt Bensheim

Die Unterbringung von Geflüchteten ist mit einer ganzen Reihe an Aufgaben für die Stadtverwaltung verbunden, erklärte Ruben Zillig, Leiter des Teams Soziales und Integration. In seiner Präsentation zum Jahresbericht für 2024 zur Unterbringung dieser Menschen listete er auf, welche das unter anderem sind:

  • monatliche Abrechnung der Asylbewerberkosten mit dem Kreis Bergstraße
  • detaillierte Kalkulation der anfallenden Gebühren für die Unterbringung
  • präzise Berechnung der Unterbringungsgebühren
  • Erstellen von Gebührenbescheiden für die Bewohner
  • Mietaufwendungen buchen
  • Rechnungen kontrollieren
  • Zahlungseingänge überwachen
  • Bewohner an- und abmelden
  • Bedarfsplanung von Unterbringungsplätzen
  • Organisation und Verwaltung der Anmietung neuer Unterkünfte für Geflüchtete
  • Zuweisungen in Unterkünfte
  • regelmäßige Beratungsstunden

Zudem Hilfe bei

  • Anträgen
  • Bildungspaketen
  • Sprachkursen
  • Vereinsanmeldungen
  • Übersetzern
  • Terminen
  • Konto- und Krankenkasseneröffnungen
  • Schul- und Kindergartenanmeldungen
  • Arbeitsaufnahme und -verlust
  • Familienangeboten
  • Schwangerschaftsberatung
  • Geburtenregistrierung
  • Praktikumsstellen
  • Wohnungssuche
  • Bildung
  • Zwangsehen
  • Integration
  • Jugendamt
  • Schuldnerberatung.

Die Liste ist lang, die Finanzierung für diese Aufgaben knapp bemessen.

330 Euro erhält die Stadt pro Asylberwerberin und -bewerber, 590 für Bleibeberechtigte

Die Gebührensätze zur Unterbringung der Geflüchteten ist nach dem kommunalen Abgabengesetz geregelt. Sie müssen in der Regel so erhoben werden, dass sie die Kosten in den Einrichtungen decken. Der Betrag lag 2024 bei rund 590 Euro. Dieser Betrag wird allerdings nur für Bleibeberechtigte sowie Asylbewerber, die keine Leistungen beziehen, ausgezahlt. Für Asylbewerber und -bewerberinnen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, erhält die Stadt Bensheim eine Pauschale in Höhe von 330 Euro pro Monat.

Zur Definition: Asylbewerber sind Personen, die einen Asylantrag gestellt haben und deren Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Während dieser Zeit erhalten sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Bleibeberechtigte sind Personen, die bereits einen positiven Asylbescheid erhalten haben oder aus anderen humanitären Gründen ein Bleiberecht in Deutschland haben. Sie haben in der Regel einen gesicherten Aufenthaltsstatus und erhalten Leistungen nach den Sozialgesetzen II und XII.

„Die Berechnung dieser Sätze kann sich sehr schnell ändern, manchmal sogar täglich. In den Unterkünften der Stadt gibt es eine hohe Fluktuation. Die 330 Euro pro Asylbewerber decken bei weitem nicht die Unterbringungskosten“, erklärte Bürgermeisterin Christine Klein während der Sitzung. Zumal die Personalkosten nicht mit eingerechnet sind.

Die meisten Menschen kamen aus Afghanistan, der Türkei, der Ukraine und aus Syrien

2024 wurden der Stadt Bensheim insgesamt 348 Personen zugewiesen. Eine Herausforderung stellte bei der Unterbringung der Menschen vor allem das erste Quartal dar: 131 Geflüchtete kamen in dieser Zeit nach Bensheim, im letzten Quartal waren es nur 25 Menschen, auch, weil andere Kommunen mehr aufnahmen. 79 Personen sind wieder aus Bensheim weggezogen. Im Dezember 2024 betrieb die Stadt insgesamt 14 Flüchtlingsunterkünfte. Die Gesamtkapazität dieser Unterkünfte betrug 502 Plätze, von denen zu diesem Zeitpunkt 420 belegt waren. Im ersten Quartal 2025 hat die Stadt noch Kapazitäten für 80 Geflüchtete, 50 hat Bensheim vom Kreis Bergstraße „übernommen“.

Der größte Anteil der geflüchteten Menschen, die im vergangenen Jahr nach Bensheim kamen, stammt aus Afghanistan, gefolgt von Türkinnen und Türken, Personen aus der Ukraine und Syrien. Die meisten Menschen, die 2024 in den Unterkünften der Stadt lebten, waren zwischen 20 und 34 Jahren alt (Stand November 2024: 139), gleichgroß war die Zahl der Geflüchteten im Alter von 12 bis 19 und von 35 bis 49 Jahren (je 82). Stand Dezember suchten 285 derer, die in Bensheim untergebracht waren, nicht alleine, sondern gemeinsam mit ihrer Familie Schutz. 65 Familien waren es insgesamt, die meisten zwei- beziehungsweise dreiköpfig (16 und 13). Eine Herausforderung ist Zillig zufolge die Unterbringung von Großfamilien: Denn es gibt kaum Wohnungen in dieser Größe - und wenn, werden die Kosten dafür meist nicht getragen.

Klein nutzte die Gelegenheit, Zilligs Team für seine geleistete Arbeit zu danken: Vor allem die Suche nach geeigneten Unterkünften und deren Anmietung war ein Kraftakt mit einer Menge Telefonaten, Besichtigungen und Verhandlungen. Letztlich habe sich die Situation aber gut entwickelt.

„Begleitung motiviert Menschen bei der Integration“

Seit November 2024 erhält die Stadt Bensheim vom Land pro Person, die ein positiv abgeschlossenes Asylverfahren durchlaufen hat, also bleibeberechtigt ist, 1500 Euro für Integrationsmaßnahmen. Von diesem Geld können unterschiedliche Projekte bezuschusst werden, etwa die Arbeit der Integrationslotsen. Sie helfen den Menschen unter anderem dabei, sich im bürokratischen System zurechtzufinden oder informieren über Angebote wie den Babbeltreff oder im sportlichen Bereich. Finanziert werden könnte von diesem Betrag auch das Interkulturelle Fest im Rahmen des Bürgerfestes. „Eine nahe Begleitung der Geflüchteten motiviert sie, ihre Integration aktiv in die Hand zu nehmen“, so Zillig.

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Diese Arbeit lastet zu großen Teilen auf ehrenamtlichen Schultern, denn die Kapazitäten der Stadt seien begrenzt. „Wir müssen mit minimalen Mitteln die Möglichkeit schaffen, dass diese Menschen hier Fuß fassen können“, ergänzte Bürgermeisterin Klein. Eine Integrationsstelle gibt es in einer Bensheimer Kita, zuständig ist sie für alle Einrichtungen in der Stadt. Drei Kolleginnen in Zilligs Team kümmern sich on top zu den klassischen Verwaltungsaufgaben um Fragen rund um das Thema Integration. Die Sozialarbeit mit den Menschen ist keine Pflichtaufgabe.

Zillig verwies auf Angebote anderer Institutionen, etwa der Diakonie. Filippone griff ihre Kritik an dieser Stelle noch einmal auf: Denn genau diesen Institutionen seien die Zuschüsse vom Bund massiv gekürzt worden. „Auch dort muss man sich Gedanken darüber machen, wie Sprachkurse und mehr finanziert werden können.“ Diese Mittelkürzungen dürften nicht die letzten gewesen und das Thema Integration so immer schwerer zu bespielen sein.

Prognosen für 2025 schwierig

Die Prognose der Zuweisungszahlen ist aufgrund der weltpolitischen Lage, Flucht aus Kriegsgebieten wie der Ukraine und der unklaren Situation im Nahen Osten schwierig. Derzeit stehen noch 80 freie Plätze für die Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung. Geht man von 200 Zuweisungen für das Jahr 2025 aus, müssten entsprechend 100 neue Plätze geschaffen werden. Dies liegt auch an der geringen Anzahl an Wegzügen aus den Unterkünften. Gleichzeitig werden Familiennachzüge und Geburten nicht in die Zuweisungsquote eingerechnet. Daher müssen weitere Unterkünfte angemietet werden, was die Bestandsfälle weiter erhöht.

Aus diesem Grund hat die Stadt zum 1. Februar die obengenannte Flüchtlingsunterkunft des Kreises mit einer Gesamtkapazität von rund 70 Plätzen übernommen. Die Bewohnerinnen und Bewohner werden der Stadt an der Zuweisungsquote angerechnet. Aufgrund unterschiedlicher Mietbindungen kann die Stadt jährlich den Bedarf an Flüchtlingsunterkünften anpassen.

Redaktion

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