Musiktheater Rex

Forgotten Sons begeisterten im Bensheimer Rex

Von 
Tom Wilken
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Die Band Forgotten Sons mit Frontmann Nico Würsching war zu Gast im Musiktheater Rex. © Neu

Bensheim. „Minister, minister care for your children, order them not into damnation“, auf Deutsch: „Minister, Minister, sorgen Sie für Ihre Kinder, befehlen Sie sie nicht in die Verdammnis“, heißt es im Marillion-Titel „Forgotten Sons“. Ein Songtext von 1983 über den unbekannten, verheizten Soldaten, der gerade wieder ungeahnte und ungewollte Aktualität hat – und Name einer Marillion-Coverband, die mit ihrem ausgedehnten Set im Musiktheater Rex begeisterte.

Marillion? Ja, die englische Progressive-Rock-Band gibt es auch heute noch und sie hat gerade mit „An hour before it’s dark“ ihr neues Album herausgebracht. Aber ohne jenen charismatischen Frontmann, mit dem Gruppe in ihren Anfangsjahren berühmt wurde: Derek William Dick alias „Fish“. Bis 1988 veröffentlichte der vier Alben mit den Briten, die heute noch Kultstatus genießen. Und genau denen widmen sich die fünf Musiker aus dem Rhein-Main-Gebiet.

Überlebensgroßer Name

Fish hat als extrovertierter Songwriter immer noch einen überlebensgroßen Namen in der Szene. Persönliche, politische, aber auch Fantasy-Texte prägen die mit ihm entstandenen Songs, Anfang/Mitte der 80er Jahre oft knallig-bunt, mit starkem Keyboard- und Synthesizer-Einschlag. Mit seinem Nachfolger Steve Hogarth ging’s eher düsterer weiter, aber durchaus ebenso mit einem starken Progressive-Rock-Einschlag, der der Band weiterhin eine große Fanschar sichert.

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Für die Epigonen der frühen Jahre, die sich 2011 gründeten, war’s im Rex quasi ein Heimspiel. Denn hier gestalteten sie eines ihrer ersten Konzerte. Und der Zuspruch hat nicht nachgelassen. Der Fundus von Kultsongs der Jahre 1981 bis 1988 ist schier unerschöpflich, was die Band immer wieder durch eine Variation ihrer Setliste deutlich macht.

Seit ein paar Jahren gibt es aber einen Fixpunkt: das komplette Album „Misplaced Childhood“, die wohl persönlichste und mit „Kayleigh“ kommerziell erfolgreichste Fish-Scheibe. Bis die Besucher aber nach der Pause in den Genuss der Stücke daraus kommen, macht es der Rhein-Main-Fünfer spannend und bietet erst einmal ein Best-of-Four der vier Scheiben.

Bühne in den Nationalfarben der Ukraine gefärbt

Nach dem obligatorischen Intro „La Gazza Ladra“ vom Band und „Slàinte Mhath“ gibt’s mit „Script for a Jester’s Tear“ gleich den Titel der ersten Marillion-Platte überhaupt zu hören. „He knows, you know“ oder „Chelsea Monday“ zeigen die damalige Vorliebe der Originale für komplexe Songstrukturen, gepaart mit dem herausstechenden Gesang von Fish.

Fast schon ein Mainstream-Stück ist unter diesen in sich verschachtelten Zehn- oder mehr Minuten-Stücken der Rocker „Incommunicado“, nicht umsonst das neben Kayleigh erfolgreichste Lied der Band. Nicht nur „Forgotten Sons“, bei dem die Bühne in den ukrainischen Nationalfarben Blau-Gelb angestrahlt wird, passt unfreiwillig und ungewollt in die Zeit.

„Do you realize, this world is totally fugazi“, singt Fish in einem anderen Stück: „Hast du es bemerkt, diese Welt ist total verrückt.“ Wer will ihm da noch widersprechen. Und auch sonst scheint der Ex-Sänger 1983 vorausgeahnt zu haben, zu was die Menschheit in Zukunft alles fähig sein könnte.

Fish hinterlässt große Fußspuren, die erst einmal gefüllt werden wollen. Die „Forgotten Sons“ bemühen sich redlich, aber der letzte Funke will einfach nicht überspringen. Das liegt nicht am Können der Band. Gerade Lokalmatador Nico Würsching (Gesang) tut alles, um die dankbaren Fans zu begeistern. Aber er bleibt damit allein. Es fehlen die Emotionen auf der Bühne.

Robert Pflug (Keyboard), Jürgen Link (Drums), Jürgen Kerber (Gitarre) und Udo Daum (Bass) sind leider keine Entertainer vor dem Herrn. Die beiden Saitenvirtuosen stehen links und rechts wie festgenagelt, bewegen sich im Falle Kerbers höchstens einmal mehr als üblich, wenn er ein Solo zaubert.

Link und Pflug gehen eher stoisch ihrer Arbeit nach, so dass Würsching der einzig verbliebene Akteur ist. Doch den eingefleischten Fans ist das egal: Sie feiern eine große Party mit einer Zeitreise in die 80er Jahre, als die Musikwelt noch solche Größen wie Marillion hervorbrachte.

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