Langwaden. Nach den urkundlich belegten Dokumenten im Lorscher Codex ist Langwaden zwar nicht der älteste Bensheimer Stadtteil – das ist mit der Ersterwähnung 765 Schwanheim – aber er ist der „kleinste und von der Kernstadt am weitesten entfernte Stadtteil“, so Ortsvorsteher Robert Loreth. „Darauf bilden wir uns auch etwas ein.“
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Dazu hatten die Langwadenerinnen und Landwadener am Sonntag auch allen Grund. Denn mit einem Festakt eröffneten sie im Dorfgemeinschaftshaus den Veranstaltungsreigen des Jubiläumsjahres zum 1225-jährigen Bestehen der Ersterwähnung im Jahre 795. 2020 konnte wegen der Corona-Pandemie nicht gefeiert werden.
Dazu waren gefühlt nicht nur das ganze Dorf sowie Prominenz aus Bundes-, Landes-, Kreis- und Kommunalpolitik gekommen, sondern mit Dietrich Prinz zu Erbach-Schönberg und seiner Gattin Monika Konstanze Prinzessin zu Erbach-Schönberg auch hoheitliche Gäste, die beide auch den Titel Durchlaucht tragen.
Lösegeld für entführten Grafen
Das hat mit der besonderen Geschichte von Langwaden zu tun, das seit 1417 im Besitz der Grafen zu Erbach war und dann um das Jahr 1621 „auf skurrile Art und Weise“ an Hessen-Darmstadt verkauft wurde, um das Lösegeld für den von Piraten entführten Grafen Albrecht I. zu Erbach aufzubringen. Als bemerkenswert bezeichnete der heutige Chef des Gesamthauses Erbach insbesondere den Zeitpunkt des Freikaufs, denn Graf Albrecht kam am Tag der Beisetzung seines regierenden Bruders zurück und erhielt auch gleich die Regentschaft.
Damit aus Langwaden nicht „lang warten“ werde, hatte sich der Prinz mit seinem Grußwort kurz gefasst. Er zeigte sich beeindruckt vom Empfang, der Organisation, dem Chor Getogether und der Qualität der ausgestellten Ortsgeschichte. Es sei wichtig, sich seiner Wurzeln zu erinnern. Für die in Langwaden gezeigte Vereinsarbeit und soziale Verbundenheit zollte er der Ortsgemeinschaft Respekt.
Das taten zuvor auch Landrat Christian Engelhardt und Bürgermeisterin Christine Klein in ihren Grußworten. Engelhardt sprach vom „kleinsten Stadtteil mit dem größten Charakter“, was vom Publikum aber durchaus realistisch eingeordnet wurde. Was in Großstädten der Kiez sei, seien hier die Ortschaften, in denen das Leben durch den Gemeinschaftssinn geprägt sei. Auch der Landrat verwies auf die Geschichte des Verkaufs, erinnerte aber ebenso an den großen Waldbrand von 1976 und lobte insbesondere die über die Ortsgrenzen hinaus bekannte Seniorenarbeit des örtlichen DRK. Abschließend äußerte er den Wunsch, auch in Zukunft Hand in Hand für ein lebens- und liebenswertes Langwaden zu arbeiten.
Bürgermeisterin Klein bezeichnete das Ortsjubiläum als hervorragenden Anlass für einen Brückenschlag von der Vergangenheit über die Gegenwart zur Zukunft. Sie erinnerte an die vielfach wechselnden Besitzzugehörigkeiten, die Reformation, den 30-jährigen Krieg, die Pest und den Pfälzischen Erbfolgekrieg bis zu den beiden Weltkriegen und der Eingemeindung 1971, die Langwaden zu einem „einzigartigen und geschätzten Teil des Bensheimer Gemeinwesens“ machten.
Lebendige Dorfgemeinschaft
Das sei aber auch das Werk vieler unbekannt gebliebener Bewohnerinnen und Bewohner gewesen, die ihr Tagwerk verrichtet und dafür gesorgt hatten, dass alles weiterging und Langwaden zu dem geworden ist, was es heute ist. Dafür sagte sie Dank und wünschte auch für die Zukunft eine weiterhin harmonische und lebendige Dorfgemeinschaft.
Sozusagen als Hausherr zeigte sich Ortsvorsteher Robert Loreth zum Abschluss des offiziellen Festaktes stolz, Teil dieser lebendigen Gemeinschaft zu sein, in der man zusammenhalte, sich kümmere und gemeinsam viel erreicht habe. Anstelle der schon mehrfach zitierten Lösegeldgeschichte erinnerte er an eine andere Anekdote aus der Vergangenheit, die mit der aus dem 17. Jahrhundert stammenden Ortskirche zusammenhängt und erklärt, warum Langwaden keinen Pfarrer hat.
Denn kurz vor der Einweihung der Kirche stellten die Organisatoren fest, dass sie keine Kanzel hatten und improvisierten mit einem alten Holzfass, das wegen der Stabilität mit Wasser gefüllt und dann mit Tüchern umhüllt wurde. Bei seiner Predigt aus dem Johannes-Evangelium redete sich der Pfarrer aber in Rage, stampfte mit den Füßen auf war schließlich im Fass verschwunden. Daher habe Langwaden nie einen eigenen Pfarrer gehabt – doch Loreth hofft, „dass die Kirche im Dorf bleibt“.
Zum Abschluss seines Grußwortes dankte er allen Mitwirkenden und Schaffenden, die im vergangenen Dreivierteljahr mitgeholfen hatten, das Ortsjubiläum zu planen. Denn herausgekommen ist ein vielfältiges und buntes Veranstaltungsprogramm, das schon zum Auftakt am Sonntag seine besondere Qualität bewies. Denn mit dem Engagement des Gospelchors Getogether hat Langwaden eine bemerkenswerte musikalische Umrahmung geboten und eine stimmgewaltige Gesangsgruppe präsentiert, die sich in die Herzen des Publikums sang.
Durch das Programm führten gekonnt und locker Moritz Bischof und Tim Stuckert, die auch schon zuvor bei der Eröffnung der Ausstellung der Stadtteildokumentation die besonderen Ehrengäste begrüßt hatten.
Dem Festkommers im Dorfgemeinschaftshaus schloss sich am Nachmittag die gemeinsame Kaffeetafel mit hausgemachtem Kuchen an, die von der Rohrheimer Blasmusik musikalisch umrahmt wurde.
Zu den besonderen Ehrengästen des Festaktes gehörten neben dem hoheitlichen Prinzen-Ehepaar auch der Bundestagsabgeordnete Michael Meister, die Landtagsabgeordneten Birgit Heitland und Karin Hartmann, zahlreiche Vertreter aus der Orts- und Stadtpolitik sowie frühere Ortsvorsteher wie der Stadtälteste Georg Conrath, Ehrenortsvorsteher Georg Wolf, der Amtsvorgänger von Ortsvorsteher Loreth, Günter Bischof sowie Ehrenortsbeirat Ludwig Ahlheim.
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