Bensheim. Neubeginn für die Bachtage im Kreis Bergstraße nach zweijähriger Pause: Das von Gregor Knop gestaltete Eröffnungskonzert der 16. Festivalausgabe lockte am Sonntag trotz allerschönsten Maiwetters immerhin gut 50 Besucher in die Stadtkirche Sankt Georg.
Geboten bekamen sie neben der obligatorischen Bach-Auswahl den ersten Teil einer Franck-Gesamtaufführung, die sich der Bensheimer Regionalkantor zum 200. Geburtstag des als Erfinder der sinfonischen Orgelmusik angesehenen belgisch-französischen Komponisten vorgenommen hat.
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Mit den drei großen Chorälen aus Francks Todesjahr 1890 standen bereits zum Auftakt seine wohl bekanntesten Orgelwerke auf dem Programm, das den Zuhörern per Leinwand-Übertragung auch starke visuelle Impressionen bescherte.
Knops souveräne Virtuosität konnte so schon eingangs in der konkurrenzlos berühmten, vermutlich noch aus Bachs frühester Schaffenszeit stammenden d-moll-Toccata BWV 565 ausgiebig bewundert werden. Die rahmenden Toccatenabschnitte wie auch die zentralen Fugenpassagen bezeugten nicht nur mustergültige spielerische Präzision, sondern versprühten zugleich eine fast improvisatorische Spontaneität von entsprechend unwiderstehlicher Wirkung.
Als thematisch zum Konzerttermin passende Intermezzi zwischen den Franck-Chorälen präsentierte Knop mit „Meine Seele erhebt den Herren“ BWV 648 und „Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ“ BWV 649 aus den späten „Schübler-Chorälen“ zwei gerade wegen ihrer kunstvollen Schlichtheit besonders anrührend erscheinende Gattungsbeiträge des damaligen Leipziger Thomaskantors.
Über César Francks Verhältnis zu Bach gibt sein nicht minder prominenter Schüler Louis Vierne Auskunft: „Von den sechs Unterrichtsstunden, die Franck jede Woche hielt, widmete der Meister alleine fünf dem Fach Improvisation … Literaturspiel interessierte ihn weniger; wenn man überhaupt das Privileg genoss, sein Schüler zu sein, verstand es sich von selbst, dass man über hinreichende instrumentale Technik verfügte, um beispielsweise das gesamte Werk Bachs zu spielen.“ Da Franck demnach Bach als selbstverständliche Grundlage aller Orgelkunst betrachtete, können die vielfältigen Spuren von dessen Musik in seinem Oeuvre kaum überraschen – bis hin zu den an diesem Abend endlich einmal zusammen vorgestellten Chorälen.
Gregor Knops Darbietung der drei auf eigenen Themen des Komponisten basierenden und formal höchst abwechslungsreich daherkommenden Spätwerke gehörte fraglos zu den interpretatorischen Höhepunkten seiner zwanzigjährigen Bensheimer Amtszeit. Lyrisch-kantable Inspiration, klangliche Farbenfülle, organische Spannungsdramaturgie, dazu überaus plastisch-transparente Phrasierung und Linienführung: Hier stimmte einfach alles.
Ob jetzt der melodisch besonders suggestiv sich entwickelnde E-Dur-Choral zu Beginn, der als monumentale Hommage an Bachs c-moll-Passacaglia BWV 582 angelegte h-moll-Choral im Zentrum oder auch der unweigerlich an Bachs a-moll-Präludium BWV 543 erinnernde a-moll-Choral zum krönenden Ausklang:
Wer Francks einzigartig spiritueller wie sublimer Orgelromantik noch nicht verfallen war, sollte dabei endgültig auf den Geschmack gekommen sein.
Als finales Schmankerl servierte Knop seinem begeisterten Publikum noch eine feine kleine Improvisation über das Volkslied „Grüß Gott, du schöner Maien“.
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