Bensheim. „Restlos ausverkauft“, konnten die Kunstfreunde Bensheim für das Festkonzert mit dem Freiburger Barockorchester vermelden – und auch beim Empfang im Gertrud-Eysoldt-Foyer eine Stunde zuvor blieb praktisch kaum ein Sitz- oder Stehplatz leer.
Viele der rund 300 Mitglieder des Kammermusikvereins waren gekommen, um nicht nur gemeinsam auf den Start der neuen Saison anzustoßen, sondern auch, um den 75. Geburtstag des Vereins zu feiern. Im Herbst 1948 wurden die Kunstfreunde – damals noch unter dem Namen Goethe-Gesellschaft – von kulturhungrigen Bürgern in Bensheim gegründet.
„Was bedeuten nun 75 Jahre für einen Verein?“, fragte die langjährige Vorsitzende Anne Dingler in ihrer Rede. Nicht nur, dass Angebot und Nachfrage über einen langen Zeitraum offenbar sehr gut gepasst haben: „Über 75 Jahre hinweg haben sehr viele Menschen ihre Zeit, ihre Kraft und ihre Kompetenz unentgeltlich in den Dienst einer Sache gestellt, die es anderen möglich macht, eine ganz besondere Gattung von Kunst und Kultur in ihrer höchsten Ausprägung zu erleben.“ Dass eine Konzertreihe heute qualitativ in der „obersten Liga“ spielt – und davon konnte man sich beim folgenden Konzert einmal mehr überzeugen –, sei der Kompetenz dieser Menschen zuzuschreiben. „Dass diese Menschen sehr viel Kulturarbeit ganz ohne Bezahlung leisten, ist der hoch soziale Aspekt dieses Vereins. Er ist im Wortsinn einer ,Gemeinschaft nützig’“, betonte Anne Dingler und sprach allen, die sich in 75 Jahren für die Kunstfreunde engagiert haben, ihren Dank aus.
Auf einen lückenlosen historischen Abriss verzichtete die Vorsitzende in ihrer Rede und erzählte stattdessen einige Anekdoten aus der langen Geschichte des Vereins. Etwa über den legendären Klavierabend mit Elly Ney im Jahr 1950, bei dem der Andrang so groß war, dass die Pianistin persönlich kurzerhand die Bühne als Sitzfläche freigab. Oder über den Rechtsstreit mit der Weimarer Goethe-Gesellschaft, der dazu führte, dass sich der Verein in Kunstfreunde Bensheim umbenannte. Eine große Erfolgsgeschichte aus den 1960/70er Jahren war der Bau des Parktheaters, das den Kunstfreunden fortan als Veranstaltungsort diente und dient – bis dato hatten die Konzerte in der Turnhalle des AKG stattfinden müssen.
Zwei Vorsitzende in 50 Jahren
Bemerkens- und erwähnenswert ist auch die lange Kontinuität an der Vorstandsspitze in den vergangenen 50 Jahren: Seit 1972 hatten die Kunstfreunde lediglich zwei erste Vorsitzende – neben Anne Dingler war das Erik von Davidson, der den Kammermusikverein 34 Jahre lang, von 1972 bis 2006, anführte. Anne Dingler brachte ihre große Freude zum Ausdruck, den 97 Jahre alten Erik von Davidson, der noch dazu Gründungsmitglied der Kunstfreunde ist, unter den Gästen begrüßen zu können.
Ein Grußwort sprach Bürgermeisterin Christine Klein, die eine ganz persönliche Verbindung zu den Kunstfreunden hat, wie sie den Gästen berichtete: Schon als Schülerin durfte sie ihre Eltern – die bis ins hohe Alter Abonnenten waren – in die Konzerte begleiten. Und heute ist die Rathauschefin selbst „überzeugte Abonnentin“. Klein betonte die enorme Bedeutung von Kunst und Kultur für das gesellschaftliche Zusammenleben: Gerade in schwierigen und wechselvollen Zeiten bräuchten Menschen auch geistige und ästhetische Nahrung. Sie dankte den Kunstfreunden, dass sie auch im 76. Jahr ihres Bestehens „für eine so großartige und höchst willkommene Bereicherung des Kulturlebens in unserer Stadt sorgen“.
Glückwünsche in Form einer Rede hatte auch Hans Hachmann vorbereitet, den die Abonnenten und Konzertbesucher von seinen unterhaltsamen Konzerteinführungen kennen. Krankheitsbedingt konnte Hachmann am Samstag jedoch nicht dabei sein – seine vorbereitete Rede gab es stattdessen in schriftlicher Form. Darin schwärmt Hachmann von einer bedeutenden und „weit über die Landesgrenzen hinaus geschätzten Konzertreihe“ und den „idealen Gegebenheiten“ im Bensheimer Parktheater – „dem wohl einzigen bedeutenden kulturellen Treffpunkt zwischen Darmstadt und Heidelberg“ mit 500 Plätzen, modernster Bühnentechnik und hervorragender Akustik.
Die Liste derer, die in 75 Jahren bei den Kunstfreunden aufgetreten sind, lese sich wie ein „Who is Who der Kammermusik“, so Hachmann – und all das, inklusive Konzerteinführung und der Möglichkeit, mit den Musikern im Nachgang ins Gespräch zu kommen, gebe es für „sehr soziale Eintrittspreise“. Namentlich hob Hachmann die beiden Vorsitzenden Anne Dingler und Helmut Schroth hervor, „die es sich zur (Lebens-)Aufgabe gemacht haben, sich für Musik und die Menschen zu engagieren“.
Musikalisch umrahmt wurde der kurzweilige Empfang von der jungen Harfenistin Emilia Kabus aus Viernheim, die Werke von Alfredo Ronaldo Ortiz und Christoph Pampuch spielte. cim
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