Bensheim. Mit dem Freiburger Barockorchester gastierte eines der renommiertesten Alte-Musik-Ensembles erstmals in Bensheim. „Concerti all’arrabbiata“ nannte sich das mitgebrachte Spezialitätenprogramm, bei dem ausnahmslos Kunstfreunde-Erstaufführungen zu erleben waren – darunter keineswegs nur scharf gewürzte Reißerstücke, sondern durchaus auch eher pikant getönte Klangpretiosen.
Deutsch-italienisches Panorama
In der an Farbenvielfalt kaum überbietbaren Werkauswahl fanden wenig bekannte Meister wie Giovanni Benedetto Platti, Francesco Geminiani oder Johann Friedrich Fasch ebenbürtig ihren Platz neben den beliebten Barockgrößen Corelli, Vivaldi, Telemann und Händel: ein deutsch-italienisches Panorama der schillerndsten Sorte.
Mit Arcangelo Corellis Concerto grosso B-Dur opus 6/11 lieferte das von Mitbegründer Gottfried von der Goltz angeführte Ensemble gleich zu Beginn einen feinen Beleg für seine auch nach 36 Jahren noch immer exemplarische Mischung aus souveräner technischer Perfektion und unmittelbarer spielerischer Frische. Nebenbei wurde man daran erinnert, dass Corellis bedeutendes Spätwerk weitaus mehr bietet als nur das omnipräsente „Weihnachtskonzert“ (g-Moll opus 6/8).
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Das ebenso expressive wie virtuose g-Moll-Oboenkonzert des langjährigen Würzburger Hofmusikers Giovanni Benedetto Platti (1697-1763) geriet vor allem dank der wunderbaren FBO-Oboistin Ann-Kathrin Brüggemann zur herausragenden Entdeckung. Zwei packend temperamentvolle Allegro-Sätze umrahmten hier ein arioses d-Moll-Largo, in dem Brüggemanns gesangliche Phrasierungskunst und der weiche Klang der Barockoboe besonders eindringlich wirkten.
Ähnliches galt für das bravourös gewandte und beseelte Fagottspiel ihres spanischen FBO-Kollegen Javier Zafra, der mit Antonio Vivaldis Es-Dur-Concerto RV 483 wahrlich alle Charme-Register seines so oft unterschätzten Instruments zog. Mehr Appetit auf die anderen 38 (!) Fagottkonzerte des Meisters aus Venedig konnte man kaum machen.
Francesco Geminianis furiose Konzertfassung von Corellis „La Follia“-Variationen krönte die erste Programmhälfte in makellos entfesselter Ekstase – solistisch befeuert durch Gottfried von der Goltz (1. Violine) und Annekatrin Beller (Violoncello), knackig grundiert unter anderem durch den diesmal zur Gitarre greifenden Continuo-Lautenisten Lee Santana.
Für Georg Philipp Telemanns einzigartig experimentierfreudige Klangfarbenkunst stand nach der Pause sein spätes pastorales Kabinettstück namens „Grillen-Symphonie“ (G-Dur TWV 50:1) mit der herrlich skurrilen Soli-Kombination aus Piccoloflöte (Daniela Lieb), Oboe (Thomas Meraner), Chalumeau (Lorenzo Coppola) sowie zwei Kontrabässen (James Munro, Mariona Mateu).
Bart Aerbeydt und Gijs Laceulle waren danach die staunenswert tonschön spielenden Naturhorn-Solisten im bereits frühklassisch angehauchten D-Dur-Doppelkonzert FaWV L:D 18 von Johann Friedrich Fasch (1688-1758): eine klangprächtige Einladung zur Wiederentdeckung dieses auch von Kollegen wie Bach oder Telemann geschätzten Komponisten (ab 1722 Hofkapellmeister in Zerbst).
Zurück zur reinen Streicherbesetzung ging es am Ende mit Georg Friedrich Händels relativ populärem Concerto grosso B-Dur opus 6/7 von 1739, das in seiner duftigen tänzerischen Vitalität nochmals alle Qualitäten des charakteristischen FBO-Sounds versammelte. Als originelle Zugabe folgte nach großem Beifall die aparte kleine Suite „Imitation des caracteres de la danse“ vom einst berühmten Dresdner Hofgeiger Johann Georg Pisendel (1687-1755).
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