Bensheim. Die Rechnung ist einfach. Stadtbrandinspektor Jens-Peter Karn musste sie dennoch aufmachen. Die bisherige Drehleiter der Bensheimer Feuerwehr hat seit 1996 bei 2500 Einsätzen mehr als 600 Leben gerettet. Teilt man diese Zahl durch die Anschaffungskosten für die neue Drehleiter, in Höhe von 960 000 Euro, kommt man auf 1600 Euro für ein gerettetes Menschenleben.
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„Das sollte uns das neue Fahrzeug schon wert sein“, betonte Karn am Sonntag bei der Vorstellung der neuen Drehleiter – wohlwissend, dass sich ein Menschenleben nicht mit Geld bemessen lässt. Weil offenkundig an der einen oder anderen Stelle jedoch die Augenbraue hochgezogen wird, wenn es um die Investitionssumme geht, sah sich auch Wehrführer Alexander Merk dazu veranlasst, Klartext zu sprechen. „Das ist kein neues Spielzeug für die Feuerwehr. Solchen Aussagen widerspreche ich auf das Schärfste. Wir retten damit Leben und schützen Sachwerte.“
Rettung aus Höhen und Tiefen
Merk erinnerte an das breite Aufgabenspektrum bei Einsätzen mit der Drehleiter: bei Bränden, Rettungseinsätzen aus Höhen und Tiefen, medizinischen Notfällen. Dabei spielt es keine Rolle, woher die Alarmierung kommt. „Wir sind kreisweit und darüber hinaus unterwegs, wenn es gilt, Leben zu retten.“
Der Wehrführer bedankte sich zudem für die Unterstützung bei den politischen Gremien, dem Kreis Bergstraße, dem Land Hessen und Stadtbrandinspektor Karn.
Für die Stützpunktwehr ist es die vierte Drehleiter in ihrer Geschichte. Das erste Exemplar (Baujahr 1951) konnte beim Tag der offenen Tür am Sonntag besichtigt werden. Der Nachfolger rollte 1970 auf den Hof und wurde 26 Jahre später vom (noch) aktuellen Modell ersetzt. „Wir waren damit immer auf dem neuesten Stand der Technik und werden es nun auch wieder sein“, so Merk.
30 Meter lange Leiter
Ein Planungsteam der Feuerwehr hatte vor drei Jahren damit begonnen, die Weichen für den Kauf zu stellen. Hersteller wurden eingeladen, ihre Fahrzeuge vorzustellen. Am Ende entschied man sich für ein Modell der Firma Rosenbauer mit einem Mercedes-Fahrgestell. Merk dankte der Gruppe für ihr Engagement, die Mitglieder hätten dafür zehn bis 14 Urlaubstage geopfert und zusätzliche 250 Stunden ehrenamtliche Arbeit in die Vorbereitung gesteckt.
„Wir hoffen, dass die neue Drehleiter die Bürger genauso lange schützt wir ihr Vorgänger“, schloss Alexander Merk seine kurze Ansprache. Jens-Peter Karn gab einen kurzen Einblick in die technische Ausstattung. Um eine sichere Anfahrt zu ermöglichen, verfügt das 16 Tonnen schwere Fahrzeuge unter anderem über Rückfahrkameras und weitere Hilfsmittel.
Die Gesamtlänge der Leiter inklusive Knickgelenk bei vollständig vertikaler Ausrichtung liegt bei 30 Metern. Der Rettungskorb bietet nun auch mehr Möglichkeiten. Er bietet fünf Personen Platz, darüber hinaus ist ein automatischer Wasserwerfer installiert, so dass es nicht mehr zwingend notwendig ist, einen Feuerwehrmann oder eine Feuerwehrfrau mit Schlauch oben zu positionieren.
Land Hessen förderte den Kauf
Für technische Hilfeleistungen kann der Rettungskorb mit einer Abseilvorrichtung, einer Schuttmulde und einer Arbeitswanne ausgestattet werden. Die Rettung von übergewichtigen Patienten wird laut Karn durch eine Schwerlasttrage ermöglicht. Mehrere Kameras und ein Beleuchtungssystem stellen eine fast lückenlose Überwachung sicher. Die vordere Galerie ist darüber hinaus abnehmbar, eine Erleichterung bei technischen Hilfeleistungen.
„Mit dem neuen Hubrettungsfahrzeug sind sie gut aufgestellt“, urteilte Kreisbrandinspektor Steffen Lutter. Auch der Kreis profitiere von der Neuanschaffung, mit der bauordnungs- und brandschutzrechtliche Vorschrift erfüllt würden. Mit ihr werde ein zweiter Rettungsweg für Wohnhäuser mit Brüstungshöhen über acht Meter geschaffen. Das Land Hessen fördert den Kauf mit einem Zuschuss in Höhe von 186 000 Euro.
Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung – mit einem übergroßen, symbolischen Fahrzeugschlüssel ausgerüstet – schloss sich den Glückwünschen an und würdigte unter anderem das 60-jährige Jubiläum der Jugendfeuerwehr „als Beweis einer großartigen Nachwuchsarbeit“. Die Stadträtin, die stellvertretend für Bürgermeisterin Christine Klein an der Feierstunde teilnahm, nutzte zudem die Gelegenheit, für die Mitgliedschaft bei der Feuerwehr zu werben.
Mitglied werden
„Wir alle die hier wohnen, brauchen vielleicht irgendwann einmal die Feuerwehr.“ Über die Seite www.feuerwehren-bensheim.de findet man die entsprechenden Kontaktdaten auch für die Feuerwehren in den Stadtteilen, die sich ebenfalls über jede Unterstützung und finanzielle Hilfe durch fördernde Mitglieder freuen.
Bis die neue Drehleiter zum Einsatz kommt, dürfte es nach Auskunft des Stadtbrandinspektors wohl Anfang 2024 werden. Bis dahin werden die Feuerwehrmänner- und frauen eingewiesen und geschult.
Wie dringend notwendig eine gut ausgebildete und bestens ausgestattete Feuerwehr ist, zeigte sich in der Nacht vor der Fahrzeugübergabe. Beim Brand eines mehrstöckigen Wohnhauses in der Straße „Im Entich“ könnten mit der Drehleiter zwölf Personen in Sicherheit gebracht werden (wir haben berichtet). „Die Drehleiter wird gebraucht. Das gilt aber ohnehin für alle Fahrzeuge der Feuerwehr“, verdeutlichte Jens-Peter Karn.
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