PiPaPo-Theater

Diskussionsrunde in Bensheim über Altersarmut bei Frauen

Von 
Jeanette Spielmann
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Bei der Podiumsdiskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Thema Altersarmut bei Frauen waren (v.l.): Clara Schäper, Birgit Happel, Josefine Koebe und Moderatorin Susanne Boor zu Gast. © Thomas Zelinger

Bensheim. Am Ende lautete das Fazit: „Wir müssen mehr darüber reden und wir müssen lauter werden.“ Denn der gern zitierte Spruch „über Geld redet man nicht“ ist vor allem für Frauen keine gute Lösung, wenn es um die Formel „arm + alt = weiblich“ geht.

Sie stand thematisch über der Podiumsdiskussion im vollbesetzten PiPaPo-Theaterkeller, zu der die Friedrich-Ebert-Stiftung am Freitagabend eingeladen hatte. Als fachkundige Referentinnen hatten Clara Schäper vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), die Sozialwissenschaftlerin Birgit Happel und die Bensheimer Stadträtin und Direktkandidatin der Bergsträßer SPD für die Landtagswahl, Josefine Koebe, auf der Bühne Platz genommen. Moderiert wurde der Abend von Susanne Boor (Einhausen) von der AsF Bergstraße (Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen).

Mehr unbezahlte Sorgearbeit

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Die von Clara Schäper erläuterte Ausgangslage ist hinlänglich bekannt und durch eine Reihe von Untersuchungen und Studien belegt: Ab der Familiengründung leisten Frauen deutlich mehr unbezahlte Sorgearbeit, nehmen länger Elternzeit und arbeiten danach deutlich häufiger in Teilzeit. Das wirkt sich auf die Erwerbsquote aus, die von Frauen geringer ist als bei Männern, ebenso wie auf das Lohnniveau, das anders als beim Mann nicht kontinuierlich steigt. Dieser Lohnunterschied bleibt und wird nicht wieder aufgeholt, wenn die Frau zurück in den Beruf geht. Die negativen Folgen zeigen sich im Alter, denn durchschnittlich haben Frauen 49 Prozent weniger Renteneinkünfte.

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Das habe auch viel mit dem Familienstand zu tun, verwies Clara Schäper auf das Armutsrisiko bei Scheidung. Während verwitwete Frauen immerhin noch 60 Prozent der Rente des Ehemanns beziehen, hätten geschiedene Frauen lediglich Anspruch auf den Unterhalt für Kinder und seien für ihren Unterhalt selbst verantwortlich.

Mit dieser Verantwortung und den Kosten, die für Frauen mit Mutterschaft einhergehen, beschäftigt sich die Soziologin Birgit Happel auch in ihrem neuesten Buch „Auf Kosten der Mütter“. Seit vielen Jahren ist die Finanzbildung und finanzielle Gleichstellung ihr Thema.

Sie verwies auf die vielen Stunden unbezahlte beziehungsweise unsichtbare Arbeit im Haushalt, die unter den Geschlechtern auch unterschiedlich wahrgenommen werde. Für viele junge Frauen seien Kinder nicht mehr so attraktiv, der Beruf werde höher gewertet. Insbesondere in der Pandemie seien alleinerziehende Frauen vergessen worden. Aber nicht nur die Politik, auch Unternehmen müssten hier ihre Aufgaben machen, so die Sozialwissenschaftlerin unter Beifall des Publikums.

Josefine Koebe öffnete als ehrenamtliche Kommunalpolitikerin den pragmatischen Blick auf mögliche Maßnahmen durch die Politik. Allerdings fehle an der Basis oft die Einbeziehung dieser Zahlen, was auch für sie ein Grund dafür war, sich zu engagieren und für die Landespolitik zu kandidieren.

Als Beispiele für mögliche Instrumente nannte sie die Abschaffung des Ehegattensplittings und den Ausbau der Kinderbetreuung. Das Ehegattensplitting als Verfahren im Steuerrecht stamme aus dem Jahr 1958 und sei nicht mehr zeitgemäß, zumal es insbesondere Eltern, die nicht verheiratet seien, benachteilige.

Bezüglich der Kinderbetreuung befürwortete Koebe zwar den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, stellte aber auch die Frage nach der Finanzierung. Kommunen seien aufgrund der Kosten zur Gebührenerhöhung gezwungen, was aber vor allem den Eltern schade, die auf Betreuung angewiesen seien. Anreize sollten auch beim Elterngeld durch eine gleiche Aufteilung und die Erhöhung des Betrages geschaffen werden.

Denn die Ursache für die nach wie vor hohe Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern ist familienbedingt und steigt insbesondere ab einem Alter von 30 Jahren an. Es sind immer noch die Frauen, die mit der Familiengründung ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen oder in Teilzeit oder Minijobs arbeiten. Wie sich das auswirkt, verdeutlicht Birgit Happel. Wer zehn Jahre im Minijob gearbeitet hat, erhält dafür 50 Euro Rente.

Früh an Altersvorsorge denken

Junge Frauen unterschätzten diese Thematik und müssen dafür stärker sensibilisiert werden. So sollte jede Frau mit Beginn der Erwerbstätigkeit an ihre Altersvorsorge denken und für sich etwas zurücklegen. „15 bis 16 Jahre vor Beginn der Rente ist zu spät“, so Happel.

Eine Chance könnte die Erarbeitung einer nationalen Finanzbildungsstrategie in Zusammenarbeit mit der OECD sein, deren Eckpunkte kürzlich vom Bundesfinanzminister und der Bundesbildungsministerin vorgestellt wurden. Hier stellte sich aber auch im Publikum die Frage, ob es denn den ernsthaften Willen der Politik gebe, dieses Thema in der schulischen Bildung zu implementieren. Immerhin will der Bund 20 Millionen Euro für ökonomische Bildung investieren, aber man wisse auch, dass hier jedes Bundesland seine „eigene Suppe“ koche.

Freie Autorin

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