Mannheim. Viele Menschen wissen nicht, wie hoch ihre Rente einmal sein wird. Das ist natürlich ein großes Problem, denn die Politik impft den Bürgerinnen und Bürgern ja ständig ein, dass die „normale“ Altersrente in der Regel nicht ausreichen wird, um im Ruhestand gut leben zu können. Es entsteht eine Lücke, die je nach Verdienst und Erwerbsdauer sehr groß sein kann. Neben der regulären und der betrieblichen Rente – die nicht jeder bekommt – ist die eigene Vorsorge die dritte Säule der Rentenversicherung. Gerade die private Rente ist aber immer Schwankungen unterworfen, die Ausschläge können je nach Anlageform größer oder kleiner sein.
Finanzielle Bildung ein Faktor
Offensichtlich sind die Deutschen aber bereit, Schwankungen bei ihrer privaten Rente hinzunehmen, wenn sie vor der Wahl zwischen verschiedenen Auszahlungsplänen stehen. Erst recht, wenn sich dadurch die Aussicht auf höhere Renditen verbessert. Zu diesem Ergebnis kommen jedenfalls Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und der Universität Mannheim. Sie befragten dazu mehr als 2500 Deutsche. Immerhin 40 Prozent sind demnach bereit, ein mittleres oder hohes Risiko einzugehen, indem sie Aktien und Anleihen im Verhältnis 60:40 mischen oder sogar komplett auf Aktien setzen. Das ist ein überraschendes Ergebnis, denn gerade mal 18,3 Prozent der Deutschen haben Wertpapiere. „Im internationalen Vergleich investieren Deutsche eher selten in Aktien und Fonds. Durch unsere Befragung wird allerdings deutlich, dass viele Menschen zumindest theoretisch Interesse an einer aktienbasierten Altersvorsorge haben“, sagt Tabea Bucher-Koenen, Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte sowie Professorin an der Universität Mannheim.
Wer wenig hat, setzt auf Sicherheit
Bisher konzentrieren sich Forschung und Politik vor allem auf die Ansparphase der Altersvorsorge. Stichwort Aktienrente. Die Bundesregierung will einen dreistelligen Milliardenbetrag am Kapitalmarkt anlegen, um vom Ende der 2030er-Jahre an das Rentensystem zu stabilisieren. Die Gewerkschaft IG Metall lehnt dies aber ab. Ihr Motto lautet: „Kein Roulette mit unserer Rente“. Die aktuelle Studie beschäftigt sich dagegen damit, ob die Pensionäre bereit wären, in der Rentenphase einen Teil ihres Geldes am Kapitalmarkt anzulegen. Die Befragten wählten dazu in einem ersten Schritt aus drei Auszahlungsmodellen mit verschiedenen Risiken und Renditeaussichten ihr bevorzugtes Modell. Danach konnten sie entscheiden, ob sie auf eine lebenslange Rente umschwenken wollen.
Das Ergebnis ist keine Sensation: Befragte mit hoher Risikotoleranz, guter finanzieller Bildung sowie Erfahrung bei der Anlage in Wertpapieren sind eher bereit, auch während der Rente in Aktien zu investieren. Bei ihnen ist außerdem die Wahrscheinlichkeit gering, dass sie auf eine lebenslange Rente umsteigen. Andersherum ist es dagegen bei den Befragten, die eher auf Nummer sicher gehen wollen, sich mit Geldfragen nicht gut auskennen und für die Aktien normalerweise kein Thema sind. Sie wählen eher die risikolose Anlage und wechseln lieber zur lebenslangen Rente, um sich bis zum Tod absichern zu können. „Aber auch die eigene finanzielle Situation beeinflusst das Anlageverhalten. Je schlechter Menschen finanziell aufgestellt sind, desto eher bevorzugen sie Stabilität bei der Rentenauszahlung“, sagt Martin Weber, Professor an der Universität Mannheim und ZEW-Mitarbeiter.
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