Bensheim. Faszinierend: Wissenschaftler haben ein mittelschweres Schwarzes Loch in unserer Galaxie entdeckt. Lähmend: das Haushaltsloch der Stadt Bensheim, das ebenfalls nahezu astronomische Dimensionen zeigt. Das Defizit beträgt 42,7 Millionen Euro. Aufgrund eines erheblichen und „nicht vorhersehbaren“ Rückgangs bei den Gewerbesteuereinnahmen hatte der Magistrat Anfang Juli mit sofortiger Wirkung eine Haushaltssperre erlassen. Seither wird jedes Projekt unter dem politischen und administrativen Elektronenmikroskop auf seine Finanzierbarkeit gecheckt.
Die Brücke zwischen der ernüchternden Finanzlage und der lokalen Wirtschaft ist also die Gewerbesteuer. Doch der jüngste Business-Treff der Wirtschafts-Vereinigung Bensheim (WVB), der einer Einladung der Stadt Bensheim ins Parktheater gefolgt war, war wenig mehr als eine nüchterne Standortbestimmung seitens der Verwaltungsspitze. Diskutiert wurde die Ursache der Misere nicht – zumindest nicht im offiziellen Teil. Beim anschließenden Austausch auf bilateraler Ebene waren Steuerrückzahlungen, Liquiditätskredite und Sicherungskonzepte aber durchaus ein Thema.
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Mit rund 100 Teilnehmern war die Veranstaltung im Gertrud-Eysoldt-Foyer ausnehmend gut besucht. WVB-Vorsitzender Jan Siefert begrüßte die Gäste im Bensheimer Kulturhaus. Es ging aber nicht um Theater, Schauspiel oder Musik: Im Mittelpunkt standen neben der Kassenlage weitere aktuelle Themen in einer Stadt, die derzeit 44 200 Einwohner zählt. Darunter rund 20 200 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft je Einwohner beträgt rund 8000 Euro, so Bürgermeisterin Christine Klein. So viel zu den nackten Zahlen.
Klein sprach von einer „sehr anstrengenden Zeit“. Sie kündigte ein Haushaltssicherungskonzept an und einen Nachtragshaushalt, der die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abbilden soll. Zusammen mit dem Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung komme es nun darauf an, verantwortungsvoll und sorgfältig vorzugehen und nicht in einen Aktionismus zu verfallen. Gemeinsames Ziel müsse sein, geschlossen und entschlossen zu handeln. In Abstimmung mit der Kommunalaufsicht als Genehmigungsbehörde wolle man nun schrittweise vorgehen, um die städtischen Finanzen langfristig zu stabilisieren.
Bestehende Verpflichtungen rechtlicher oder gesetzlicher Art würden weiterhin erfüllt, betonte die Rathauschefin. Gleiches gelte für die Erfüllung von Pflichtaufgaben und gesetzlicher Zuständigkeiten. Von der Haushaltssperre ausgenommen seien bereits begonnene und beauftragte Projekte.
Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung ging in diesem Kontext auf den weiteren Prozess am Marktplatz ein – und ob die Haushaltslage ein Großprojekt, das so viele Anläufe gebraucht hat und mit dem Finale des Ideenwettbewerbs weit vorangeschritten ist, ausbremsen dürfe. Ihre Antwort: Nein! Am Vorabend der Stadtverordnetenversammlung hoffte sie, dass die Verwaltungsvorlage von den Parlamentariern abgesegnet wird und das Verfahren zu Ende gebracht werden kann.
Erst danach könne man darüber sprechen, in welchem finanziellen Rahmen – und ob überhaupt – eines der drei ausgewählten Konzepte als Freiraumplanung mit einem nach Möglichkeit multifunktionalen Gebäude umgesetzt werden könne. „Wir wollen und wir müssen zunächst wissen, was möglich ist. Dann können wir über die Umsetzbarkeit und den Zeitrahmen sprechen“, so Rauber-Jung im schwülen Theaterfoyer, wo die Baudezernentin weitere Bensheimer Projekte skizzierte.
Darunter die Erweiterung des Edeka-Marktes in Auerbach, die Entwicklung des Neubaugebiets Seegenberg in Schönberg mit 150 Wohnungen sowie eine neue Kita auf dem Areal des früheren Bundeswehrdepots. Nach einigen Verzögerungen nehme auch das Bauvorhaben auf dem ehemaligen Meerbachsportplatz jetzt Formen an. Christine Klein lobte das Stadtmarketing mit Angeboten wie Sommerbühne, dem etwas abgespeckten „Summer in the City“ auf dem Beauner Platz und dem Konzept der Lauterbar, das sehr gut und harmonisch funktioniere.
110 Geflüchtete werden im August und September zugewiesen
Am Berliner Ring ist die Zeltstadt für Geflüchtete zum Dauerzustand geworden. Seit Mai 2023 wurden 424 Menschen aufgenommen, derzeit leben 340 Geflüchtete in städtischen Unterkünften. Die Bürgermeisterin will weiterhin Wohnungen und Häuser nutzen, dennoch müsse das Areal am Festplatz erweitert werden, um die Kapazitäten dem Bedarf anzupassen. Vorgesehen sind Container für bis zu 212 Menschen im hinteren Bereich.
Im August erwartet die Stadt 50 neue Zuweisungen vom Kreis, im September weitere 60. Die Stadt sei stetig auf der Suche nach geeigneten Unterkünften. Einer „Zentralisierung“ Geflüchteter am Berliner Ring standen viele Stadtverordnete zuletzt negativ gegenüber. Auch Klein hält eine dezentrale Aufteilung im gesamten Stadtgebiet für die bessere Lösung, um die Integration der Menschen zu erleichtern und einer Abschottung vorzubeugen. „Es bleibt eine Zeit vieler sehr unterschiedlicher Herausforderungen“, so die Verwaltungschefin im Parktheater.
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