Bensheim. Horst Lang aus Bensheim hat nicht nur schöne Erinnerungen an längst vergangene Zeiten mit dem VW Bulli – er besitzt auch heute noch einen ganz besonderen Bulli-Oldtimer. Auf unseren BA-Leseraufruf rund um das 75-jährige Jubiläum des legendären Gefährts schickte uns Horst Lang einen ausführlichen Beitrag, in dem er seinen Bulli selbst von seinem aufregenden Leben erzählen lässt.
Herr Bulli, wie ich dem Fahrzeugschein entnehmen kann, haben Sie fast 40 Jahre in den USA gelebt. Wie fühlt man sich denn so als Heimkehrer nach all den Jahren in der Fremde?
Als „Beifahrer“ im Lieferwagen
Die Bulli-Erinnerungen von Horst Lang reichen bis in seine Kindheit zurück. Sein Vater lieferte mit einem weißen Bulli für die Bensheimer Firma Radio Müller Elektrogeräte aus. „Das Bild entstand wahrscheinlich im Jahr 1970. Bei dem VW Bus handelt es sich um einen Typ T2a, der von 1967 bis 1971 gebaut wurde. Im Hintergrund sieht man noch eine ältere T1-Pritsche, erkennbar an der geteilten Frontscheibe und der ,Nase’“, schreibt Lang zu dem Bild.
Und weiter: „Während meiner Schul- und später auch während der Studienzeit habe ich mir als ,Beifahrer’ einige Mark dazu verdient. Wobei das Trinkgeld stets ergiebiger war als der eigentliche Stundenlohn. Kein Wunder, denn die guten Miele-Waschmaschinen waren damals schon bleischwer, und wer seinen ersten Nordmende-Farbfernseher geliefert bekam, war selten kleinlich. Die meisten Kilometer habe ich aber sicher in einem dem Zeitgeschmack entsprechenden, orangefarbenen T2b absolviert. Der hatte die Blinker oben und die Stoßstange hatte kein Trittbrett mehr. In den 90er Jahren war dann ein T3 VW-Bus in unserem Besitz, der aber sehr strapaziert und irgendwann ausgemustert wurde. Jetzt haben wir wieder einen T2a, der inzwischen bereits von meinen Enkeln beansprucht wird.“ red
Bulli: Meine Heimat war Kalifornien, geboren bin ich aber am 13. April 1971 in Braunschweig. Ich war aber schon immer für den Export bestimmt. Das kann man an den amerikanischen Stoßstangen erkennen. In Deutschland hatten die so was ja noch gar nicht.
Erzählen Sie uns doch mal ein wenig aus Ihrer Vergangenheit. Haben Sie die wilden Jahre in Kalifornien selbst miterlebt? Mit Surfen, Strandpartys und all diesen Dingen?
Bulli: Als ich ’71 rübergekommen bin, waren die schlimmsten Hippie-Jahre ja schon vorbei. Ich habe aber noch eine Menge Busse mit kompletter Love- and Peace-Bemalung kennengelernt. Einige von denen haben ganz schön nach Räucherstäbchen gerochen, wenn Sie wissen, was ich meine.
Aber Sie selbst haben nie . . ?
Bulli: Also höchstens mal gepafft, nie über den Vergaser. Meine damaligen Besitzer waren sowieso eher die sportlichen Typen, so mit Surfboards und so. Aber dann verschwanden zuerst die Surfbretter, dann kam der Kinderwagen und statt an den Strand ging es ins Einkaufszentrum. Wir sind dann auch aus Santa Monica weggezogen…
Höre ich da ein wenig Wehmut, Herr Bulli?
Bulli: Nun ja, am Strand hat es mir natürlich besser gefallen, aber man hat das Lenkrad ja nicht in der Hand. Was aber schlimmer war, waren die Kinder von meinen Leuten, die ekliges Zeug in meine Polster geschmiert haben. Eiscreme, Barbecue-Soße, Pommes und Ketchup, angenagte Pizzareste, solche Sachen eben. Im Laufe der Zeit bin ich ganz schön runtergekommen. Irgendwann haben mich meine Leute dann für einen Volvo in Zahlung gegeben.
Und wie ging’s weiter?
Bulli: Nun, zunächst habe ich ewig auf dem Hof des Gebrauchtwagenhändlers gestanden. Dann hatte ich in schnellem Wechsel mehrere Besitzer, an die ich mich eigentlich nicht erinnern möchte. Eine Waschstraße habe ich in dieser Zeit jedenfalls nicht gesehen, dafür aber die Verwahrplätze der Polizei, wohin man wegen falschem Parken geschleppt wird. Dort lernt man vielleicht zwielichtige Auto-Typen kennen! Irgendwann hat mich dann bei einer Pfandversteigerung ein Autohändler ersteigert. Ich war damals schon 30 und habe gedacht, das war’s jetzt. Ausschlachten und dann Schrottpresse. Offensichtlich hatte ich aber doch noch einen ganz guten Body und nach einiger Zeit haben die mich tatsächlich noch mal in die Auto-Reha geschickt und sogar mit ein bisschen Schnickschnack aufgemotzt. Meine Tieferlegung und die Weißwandreifen stammen noch von damals. In den USA hat mich aber trotzdem keiner haben wollen.
Und deshalb kamen Sie wieder in Ihr Geburtsland zurück.
Bulli: Ich hatte eigentlich tierische Angst davor. In Deutschland sind ja von meiner Generation nur noch wenige übrig geblieben. Das schlechte Wetter, der Regen, der Rostfraß. Ich habe aber letztendlich Glück gehabt. Meine neuen Besitzer haben mich in eine hübsche, trockene Garage gestellt und eigentlich nur bei kalifornischen Bedingungen rausgeholt. Regelmäßig geputzt werde ich auch, es gibt Jahrgangsschmieröl und auch der Sprit ist 1A. So kann man es sich auf seine alten Tage gefallen lassen. Und das geht jetzt schon zehn Jahre so, inzwischen bin ich aber an die Bergstraße umgezogen. Das Klima bekommt mir besser.
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Und dann standen Sie ja vor ein paar Jahren plötzlich auch noch einmal im Rampenlicht!
Bulli: Das kann man so sagen. Mitten im Winter hat mich mein Chef extragründlich sauber machen lassen, in eine Plastikfolie gewickelt und mit einem geschlossenen Autotransporter nach Köln gebracht. Sie müssen wissen, geschlossene Autotransporter sind das Größte. Das ist der rollende VIP-Bereich. Da kommen sonst nur die Kollegen von Porsche oder Lamborghini rein. Dann haben die mich mitten auf einer Messe auf einen fast echten Strand gestellt, mit Wellen und Campingstühlen. Fast wie damals in Kalifornien. Sie werden es nicht glauben, da kamen jede Menge Besucher, die sich ganz interessiert nach mir erkundigt haben und mir von ihren Erlebnissen mit meinen Kollegen erzählt haben. Das war echt cool. Und in der Firma wurde ich Mitarbeiter des Monats.
Und heute?
Bulli: Seit meinem Umzug nach Bensheim fahre ich ständig sperrige Musikinstrumente in der Gegend herum. Die musikalische „Hippiezeit“ hat mich doch noch einmal eingeholt.
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