Leseraktion

Zwingenberger verirrte sich mit dem Bulli in der Sahara

Von 
Michael Ränker
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Er war als Zugarzt mit der Transsibirischen Eisenbahn unterwegs, als Tropenmediziner in Kenia beschäftigt, hat als Mitsegler den Atlantik überquert und Reisen durch Indonesien, Japan, Australien, Neuseeland, die USA oder Indien unternommen. Dass er in zwei Jahren seinen 80. Geburtstag feiern wird, das ist Franz-Josef Thüsing weder anzusehen noch anzumerken – vor allem dann nicht, wenn er ebenso begeistert wie begeisternd von zwei Reisen berichtet, die er zu seinen Studentenzeiten unternommen hat, und zwar jeweils mit einem Kleinbus der Marke Volkswagen.

Begleitet von zwei Freunden hat der 24-jährige Thüsing im Jahr 1968 mit einem Bulli den asiatischen Kontinent bereist und dabei in dem VW-Transporter der Baureihe T 2 gut 25 000 Kilometer zurückgelegt. Drei Jahre älter und drei Jahr später ging Thüsing dann 1971 in einem Bulli vergleichbarer Bauart zusammen mit zwei weiteren Freunden auf große Fahrt durch Afrika: Rund 35 000 Kilometer legte er dabei zurück.

Für mehrere Zeitungen berichtet

Über beide Reisen berichtete der gebürtige Iserlohner, der seit 1986 in Zwingenberg lebt und bis vor wenigen Jahren mit seinem Kollegen Hans-Henning Büchler in einer gemeinsamen Hausarztpraxis praktizierte, in verschiedenen Tageszeitungen.

Über die erste Reise von Thüsing, der zu dieser Zeit in Münster Medizin studierte, berichtete die „Westfalenpost“ in einer Artikelserie; die zweite Reise konnten dann nicht nur die Leser der „Westfalenpost“, sondern auch die der „Badische Neuesten Nachrichten“ sowie der „Weinheimer Nachrichten“ als Serie mitverfolgen: Der Autor und angehende Arzt Franz-Josef Thüsing war mittlerweile Medizinstudent in Heidelberg.

„Es war einfach Abenteuerlust“, so beschreibt Thüsing ohne Umschweife die Motivation für beide Touren. Dass die erste Reise unter anderem nach Teheran führte, das war der Tatsache geschuldet, dass Reisegefährte Arnim Braun als Teenager zwei Jahre lang in der Hauptstadt des Iran gelebt hatte und „zumindest auf dem ersten Teil der Route als ,Ortskundiger“ gilt“, wie es im Auftaktbericht „Drei Studenten auf großer Fahrt: Das Ziel heißt Pakistan“ heißt. Drei Jahre später wollten zwei andere Freunde Thüsing dann dazu animieren, diese Tour noch einmal zu machen, doch der lehnte ab: „Da war ich schließlich schon einmal.“ Das Trio einigte sich auf Afrika.

Auf beide Reisen hatten sich Thüsing und seine Weggefährten minutiös vorbereitet, vor allem mit Hilfe von Einladungen und Empfehlungsschreiben sorgten die Reisenden dafür, dass sich fern der Heimat Türen öffneten, die anderen verschlossen blieben: In Kabul verbringt man „einen schönen Abend in der Residenz des britischen Botschafters, wo wir im Garten eine Shakespeare-Komödie sehen“. Und drei Jahre später sind Thüsing und seine Freunde auf ihrer Afrika-Reise dann beim deutschen Botschafter in Lagos zu Gast. Doch dass „der Chefsteward des Botschafters das Frühstück serviert“, wie es in einem weiteren Reisebericht heißt, darf nicht darüber hinwegtäuschen:

Bei solch komfortablen Unterkünften handelte es sich um absolute Einzelfälle – üblicherweise wurde im Bulli übernachtet, auf einer Feuerstelle gekocht. Denn erklärtes Ziel auf beiden Reisen war es, mit den Menschen in Kontakt zu kommen – oder wie es Thüsing im Auftaktbericht unter der Überschrift „Afrika-Safari“ zusammenfasst: „Meine Freunde und ich sind in den letzten Wochen oft gefragt worden, wie wir auf so eine verrückte Idee gekommen seien; entweder wir würden im Kochtopf landen oder schon gleich zu Anfang in der Sahara vertrocknen. Die Antwort auf die Frage ,warum?‘ ist einfach: Heute gibt es noch das ursprüngliche Afrika, von dem wir als Jungen in Safari-Büchern lasen.“

Das „ursprüngliche Afrika“ erwies sich allerdings auch als äußerst risikoreich: „Zwei Tage in der Wüste verirrt“, so titelte die Westfalenpost beispielsweise im September 1971 über dem Reisebericht von Thüsing, der mit seinen Freunden 3000 Kilometer durch die Sahara gefahren war und zeitweise die Orientierung verloren hatte: „Jetzt gibt es kein Zurück mehr, unsere eigene Spur ist zugeweht. Wir schichten einen hohen Sandhaufen auf und fahren von hier aus sternförmig ins Gelände, um eine mögliche Pistenmarkierung zu finden. Kamel- und Eselgerippe sind eine makabre Aussicht.“ Am dritten Tag der Suche heißt es in dem Zeitungsbericht unter dem Titel „Aufgeben, das darf nicht sein“: „Wie soll ich erklären, welche Erleichterung uns befällt beim Anblick einer plötzlich gefundenen Spur.“ Und am Ende dann die erlösende Nachricht: „Wir können alles noch gar nicht fassen: wir sind gerettet!“

Riskant und voller – zum Teil unangenehmer – Überraschungen war aber auch schon die drei Jahre zuvor erfolgte Reise auf dem asiatischen Kontinent. Davon zeugt beispielsweise ein Reisebericht aus dem September 1968, in dem Thüsing für die Westfalenpost über die Indien-Etappe berichtet: „An der Grenze nach Pakistan will man uns nicht passieren lassen, weil wir keine ,Road-Permit‘, keine Genehmigung zum Übertreten der Grenze vorzeigen können. Man schickt uns zurück nach Delhi. Wir sind fassungslos. 1000 Kilometer wegen einem kleinen Stückchen Papier. Durch dieses Malheur verlieren wir zwei Tage.“

Freundschaften fürs Leben

Gut fünf Jahrzehnte später braucht Franz-Josef Thüsing nicht auf die von ihm während seiner Expeditionen mit Hilfe einer Reiseschreibmaschine verfassten Zeitungsartikel zurückzugreifen, um sich bestens zu erinnern: Wenn er berichtet, zum Beispiel über den Besuch bei den Pygmäen, dann geschieht das ebenso detailreich wie lebendig – gerade so, als wäre er eben erst zurückgekehrt.

Und auch das, was er unterwegs getextet und auf dem Postweg an die Redaktionen gesendet hat, legt Zeugnis davon ab, wie tief beeindruckt ihn diese Reisen haben – und die Freundschaften mit seinen Weggefährten, die dauern bis heute fort.

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