Leseraktion

Mit zwei VW Bussen ging es im Winter ‘85 bis zum Polarkreis in Schweden

Lesedauer: 
Abenteuerliche Reise in den Schnee: Im Jahr 1985 war Jörg Werner aus Laudenbach mit Freunden am Polarkreis in Schweden. © Jörg Werner

Bergstraße. Die VW-Bulli-Leseraktion dieser Zeitung fand große Resonanz – auch bei Jörg Werner aus Laudenbach, der uns den nachfolgenden Beitrag zukommen ließ:

Im Frühjahr 1982 war es soweit: Ich hatte endlich meinen eigenen VW-Bus. Noch im Sommer des Vorjahres war ich mit meiner damaligen Verlobten und heutigen Frau mit dem VW-Käfer, Zelt und Gaskocher von Wien nach Nizza gefahren – über unzählige Bergpässe und ständig von Regengüssen, ja Wolkenbrüchen und sogar Schneefall im Juli heimgesucht.

Rot musste er sein

Da stand fest: Es musste ein VW-Bus her – und rot musste er sein. Den Innenausbau erledigte ich als Schreiner natürlich selbst. Ein Hubdach wurde eingebaut, damit auch bei Regen im Stehen gekocht werden konnte. Schon im Sommer 1982 ging es dann nach Schottland und der Bulli erhielt den Namen: Scotty-Mobil.

Viele unserer Freunde hatten VW-Busse, noch ganz alte mit geteilter Frontscheibe und ohne Anschnallgurte, aber auch „feudale“ mit Westfalia-Ausstattung. Uns alle verband das Gefühl von Freiheit und Abenteuer, denn wir konnten spontan wegfahren und einfach „wild“ stehen bleiben.

So veranstalteten wir zahlreiche Konvoifahrten in Deutschland. Die teilnehmenden Busse wurden durchnummeriert – und so zogen wir viele neugierige Blicke auf uns. Meist übernachteten wir auf einsamen Waldparkplätzen und bildeten eine Wagenburg. In deren Mitte grillten wir und bejubelten auf einem portablen Fernsehgerät so manches Fußballspiel. Die Reise endete dann immer auf dem Heppenheimer Marktplatz, der zu dieser Zeit noch befahren werden durfte. Hier drehten alle Fahrzeuge eine Ehrenrunde und wir verabschiedeten uns mit einem kleinen Hupkonzert.

Für Jörg Werner aus Laudenbach ging es seit dem Jahr 1982 mit Freunden regelmäßig auf Fahrten mit durchnummerierten Bullis im Konvoi. Übernachtet wurde meist auf einsamen Waldparkplätzen. © Jörg Werner

Die Lieblingsziele der Bulli-Fahrer lagen meist im Norden Europas, was nicht zuletzt daran lag, dass die Luftkühlung bei den heißen Temperaturen des Südens nicht immer ausreichte und es deshalb zu gelegentlichen Zwangspausen zwecks Motorabkühlung kam.

So entstand dann auch die Idee, im Winter mit zwei VW-Bussen bis zum Polarkreis in Schweden zu fahren. Im März 1985 starteten dann Polar-Team 1 und Polar-Team 2 in Richtung Norden und mit der Fähre hinüber nach Skandinavien. Bei der Überfahrt schwammen noch Eisbrocken im Meer. Unsere Fahrzeuge hatten wir gegen die zu erwartende Kälte innen mit Styropor isoliert, doch die Standheizungen waren nicht auf Dauerbetrieb ausgelegt. Wir saßen mit den dicken Daunenjacken beim Frühstück und Abendessen.

Elche als Fotomodelle

Je näher uns die Reise zum Polarkreis brachte, je kälter wurde es. Dort, wo im Sommer Fähren über die Seen Schwedens fuhren, gab es nun direkt auf dem Eis gespurte Fahrbahnen. Für die Einheimischen war es kein Problem, mit einer ordentlichen Geschwindigkeit darüber zu fahren, denn die hatten alle Spikes. Wir mussten da vorsichtiger sein, denn in Deutschland waren keine Spikes erlaubt. Unser Bremsweg war also dreimal so lang. Trotzdem gelang es uns, einige Elche in den Wäldern am Weg zu fotografieren. Ja, Fotos brauchten wir, denn nach der Reise veröffentlichte die Zeitschrift „Tours“ (ein Kult-Magazin für Weltenbummler) einen achtseitigen Artikel über unsere Abenteuertour.

Wir fuhren durch Schweden bis zum Polarkreis bei Arjeplog. Unser Thermometer im Bus zeigte bis zu minus 25 Grad Celsius an – und es war so manche Nacht bis zum Anschlag dort angekommen. Daunenkapuze und Daunenbetten schützten in der Nacht davor, dass uns die Ohren nicht abfroren. Alle Lebensmittel in den Schränken waren gefrostet und im Inneren an der Heckklappe bildete sich Reif. Nur was im Kühlschrank war, blieb vom Frost verschont.

Milliarden von Sternen

Doch die klaren Winternächte unter Milliarden Sternen entlohnten für die Strapazen. Schließlich ging es entlang der norwegischen Fjorde wieder Richtung Süden. Und als wir nach 14 Tagen und über 5000 Kilometern wieder in der Heimat eintrafen, hatte der Frühling an der Bergstraße Einzug gehalten.

Unser Scotty-Mobil wurde nach Ankunft unserer beiden Kinder mit einem feststehenden Hochdach aufgestockt und nun konnten wir zu viert darin wohnen.

Der Bus war uns viele Jahre Heimat bei zahlreichen Urlauben – nach Nord, Süd, Ost und West. Heute, genau nach 40 Jahren, steht der rote „Scotty“ immer noch bei uns im Hof. Das Kennzeichen trägt inzwischen ein „H“ für historisch und der Motor läuft noch wie eine Eins.

Auch wenn unsere Urlaube nun eher Wanderreisen sind und wir meist in Bed&Breakfasts oder Hotels übernachten, feierte unser Bulli im vergangenen Jahr sein Comeback. Die harten Polster haben wir mit einem Formschaum-Topper altersgerecht optimiert und an der Hochzeit unseres Sohnes direkt beim Partyzelt am Baggersee übernachtet. Natürlich zogen da viele Bilder unserer früheren Reisen in unseren Köpfen vorbei. Aber das Beste ist: Im Bus riecht es noch genau so wie früher vor 40 Jahren!

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger