Bensheim. Die Bensheimer Stadtbibliothek entwickelt sich weiter zu einem Fall für die drei Fragezeichen. Zwar dürfte am Ende weniger detektivisches Gespür gefragt sein, um zu einer Lösung zu kommen. Aber Antworten auf zentrale Fragen können zum jetzigen Zeitpunkt aus unterschiedlichen und mitunter nachvollziehbaren Gründen von der Rathausspitze nicht geliefert werden.
Unklar ist nach wie vor, wann oder ob überhaupt die Bücherei im Neumarkt wieder öffnen kann. „Wir wissen um die Bedeutung der Stadtbibliothek als kulturelle Institution sowie als beliebte Anlaufstelle und Treffpunkt. Wir können aber kein Datum nennen. So bedauerlich das ist, wir befinden uns in einem ergebnisoffenen Prozess“, erklärte Bürgermeisterin Christine Klein am Donnerstag bei einem Pressegespräch. Sie verwies auch auf die Verantwortung, die man für die Besucher und vor allem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe, die in den Räumen arbeiten.
Bauliche Mängel im Mittelpunkt
Die im August vorgenommene Luftraummessung, nach der man eigentlich eine Prognose zum weiteren Verlauf abgeben wollte, ergab nach Auskunft der Verwaltung keine Belastungen. „Die Werte sind alle in Ordnung“, bestätigte Stadträtin Nicole Rauber-Jung. Allerdings seien die baulichen Mängel so erheblich, dass ein Betrieb aktuell nicht möglich ist.
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Die Baudezernentin nannte dabei unter anderem den Brandschutz. Man wisse beispielsweise nicht, ob die Brandmeldeanlage funktioniere. Das sei ein unklarer Zustand. Das Wissen um das Nicht-Wissen besaß man vermutlich auch schon vor zwei bis drei Wochen, als die Luftraummessung noch als möglicher Gradmesser für eine Rückkehr galt. Jetzt rücken die baulichen Mängel argumentativ wieder in den Mittelpunkt.
Nicht nur wegen des Brandschutzes, aber vor allem deshalb habe man nach dem Wasserschaden Ende Juli die Bauaufsicht des Kreises eingeschaltet. Bereits zuvor sei man als Mieter ständig im Kontakt mit dem Vermieter, sprich dem Eigentümer, gewesen, um auf Mängel und Probleme aufmerksam zu machen.
Einschätzung weiterer Schritte Ende des Monats
Die Miete wurde - wie berichtet - - stetig gemindert, der Austausch intensiviert. Der Wasserschaden war letztlich der Tropfen, der das Fass endgültig zum Überlaufen brachte. Aber auch ohne diesen Zwischenfall hätte man die Bemühungen nun verstärken müssen, hieß es auf Nachfrage. „Das hat sich alles kumuliert, dann kam der Wasserschaden noch obendrauf“, so die Stadträtin.
Der schlechte Zustand des Neumarkt-Centers sei ohnehin allgemein bekannt. In der Vergangenheit habe es immer wieder Hinweise von Bürgern gegeben wegen nicht funktionierender Türen, Rollgitter oder Vermüllung. Seit Wochen funktioniert die Schranken-Anlage der Tiefgarage nicht, weshalb man dort kostenlos parken kann. Was im Übrigen gerne genutzt wird, nicht nur während des Winzerfests.
Die Bauaufsicht prüft nun nach Angaben von Rauber-Jung die Brandschutz-Thematik. Ende dieses Monats soll es einen Termin mit der Behörde und der städtischen Bauverwaltung geben. Von diesem erhofft man sich zumindest eine Einschätzung, wie die weiteren Schritte aussehen werden. Dem Eigentümer können Auflagen auferlegt werden - theoretisch liegt sogar ein Nutzungsverbot für die Räume im Bereich des Möglichen.
Click and Collect
Unterm Strich eher trübe Aussichten, die nicht für ein zeitnahes Comeback sprechen. Für die Nutzer der Stadtbibliothek gibt es immerhin einen kleinen Lichtblick. „Wir haben Click und Collect vorbereitet und können dies schnell umsetzen“, erläuterte die stellvertretende Leiterin, Mareike Gnändiger. Das Konzept kam während der Corona-Pandemie zum Tragen, Erfahrungswerte sind daher vorhanden.
Online können Bücher reserviert werden, Aus- und Rückgabe erfolgen dann zu bestimmten Zeiten vor dem Eingang. Bevor das Team loslegen kann, „muss aber die Brandschutz-Situation geklärt sein“, bemerkte Thomas Herborn, Leiter des Eigenbetriebs Stadtkultur. Schließlich müssten sich die Mitarbeiterinnen im Gebäude aufhalten, um Medien auszugeben und einzusortieren.
Eine Umsetzung werde mit hoher Priorität verfolgt. Die Verantwortlichen verdeutlichten am Donnerstag aber auch, dass man als Mieter nicht einfach schalten und walten kann, wie man es vielleicht gerne möchte. Das gilt im Allgemeinen für die Räume wie im Speziellen für die Behebung des Wasserschadens. Das liegt im Verantwortungsbereich des Eigentümers.
Die Verwaltung hofft dennoch auf eine zeitnahe Umsetzung von „Click und Collect“, auch wenn es sich nur „um eine Notfalllösung mit einem Teil unseres üblichen Angebots handelt“, so Mareike Gnändiger. Flexibilität und vermutlich ein bisschen Improvisationstalent werden daher gefragt sein. Sobald feststeht, dass gestartet werden kann, will man über Details informieren. „Wir machen, was möglich ist“, betonte Bürgermeisterin Klein und lobte die Mitarbeiterinnen für deren Leidenschaft und Engagement.
Regelmäßiger Austausch mit Architekten
Was mit der Stadtbibliothek und dem Neumarkt-Center noch möglich ist, wird sich hingegen zeigen. Im Rathaus befasst sich mittlerweile eine Arbeitsgruppe mit dem Problem - und das auf drei Ebenen: Wie sehen die Möglichkeiten aus, um das Gebäude kurzfristig mit gutem Gewissen erneut nutzen zu können? Welche anderen Immobilien wären verfügbar, auch wenn dort vielleicht nur ein Teil der Medien ausgestellt werden könnte? Und wie sieht es langfristig aus? Eine Option ist in diesem Szenario ein Neubau für die Stadtbibliothek. Das bestätigte die Bürgermeisterin im Gespräch.
Als Indiz, dass die Neumarkt-Planungen von Eigentümer und Investor Murat Karakaya, Geschäftsführer der Darmstädter Blackrock Real Estate GmbH, schon wieder Geschichte sind, will man die Prüfung nicht verstanden wissen. „An den Plänen wird weitergearbeitet“, versicherten Klein und Rauber-Jung.
Es gebe einen regelmäßigen Austausch mit den Architekten. Ein Umzug der Bücherei in den Neubautrakt (nach dem Abriss der leerstehenden Markthalle) wird wohl nach wie vor als die favorisierte Variante angesehen. Allerdings braucht es offenkundig einen Plan B in der Schublade, sollte eine solche Verlagerung aus welchen Gründen auch immer nicht umsetzbar sein.
Eine Vorgehensweise, die nicht nur, aber vor allem beim Neumarkt-Center mit seiner wechselhaften Vergangenheit durchaus Sinn macht.
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Kommentar Verzweifelte Mieter auf der Vogelstang