Bensheim. „Student aus Bensheim begeistert Apple“, titelte der BA Anfang Juni. Gemeint war Nils Bernschneider, der zur Worldwide Developers Conference (WWDC) eingeladen wurde, einer jährlichen Entwicklermesse der Software-Firma Apple. Der 23-Jährige Informatik-Student hatte sich im Vorfeld an einem Wettbewerb beteiligt und zählte zu den weltweit rund 350 Gewinnern. Eine Chance, um sich mit renommierten Software-Entwicklern auszutauschen und sich in der Szene einen Namen zu machen.
Informatik statt Medizin
„Eigentlich wollte ich Arzt werden“, so der gebürtige Heppenheimer, der in Bensheim aufgewachsen ist und hier die Geschwister-Scholl-Schule besucht hat, bevor er 2018 an der Karl-Kübel-Schule sein Abitur nachgelegt hat. Doch Lernprobleme im Fach Spanisch haben seinen Kurs letztlich in eine andere Richtung geführt - und das sogar im positiven Sinn. Als Entwickler der Sprach-Lern-App Lengo, die mittlerweile für 24 Sprachen verfügbar ist, erreicht er gut zwei Millionen Nutzer in 168 Ländern. Das Credo: Anstatt mit dem Smartphone den Unterricht zu verschlafen, sollte man das Gerät lieber zum Lernen nutzen. Weil der Schüler keine elektronische Unterstützung auf dem Markt entdecken konnte, hat er selbst ein Lernsystem entwickelt. Und seine Noten wurden besser. In Fremdsprachen stand er bald auf einer glatten Eins.
Nils Bernschneider war schon als Kind recht kreativ. Mit 17 Jahren hat er sich dann erstmals mit Programmieren beschäftigt und an einer App gebastelt. 2020 gründet er seine eigene Firma. Heute ist er überzeugt, dass er mit seiner Idee anderen Menschen helfen kann. Ihm gehe es vor allem um pragmatische Lösungen und einen konkreten Nutzen für die User. „Für Nullen und Einsen interessiere ich mich nicht so sehr“, sagt er über die Binary Digits, die kleinsten Informationseinheiten eines Computers.
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Daher verstehe er sich weniger als klassischen Informatiker denn als Entwickler von Hilfsprogrammen, die den einzelnen Lerner weiterbringen und die Welt über eine bessere Kommunikation ein Stück mehr zusammenrücken lassen. Ein humanitärer Geist schwingt bei seinen Ausführungen immer mit. „Würden die Menschen sich besser verstehen, würde es vielleicht weniger Kriege geben“, so der junge Mann, der seine Berufung gefunden zu haben scheint.
Schon vor dem Abi liebte er Apps auf dem iPad, begann fleißig zu sparen und kaufte sich mit 17 sein erstes MacBook. Das Ziel: selbst eine App programmieren. Zunächst für seine eigenen Rechtschreib- und Sprachprobleme. Es musste doch eine Möglichkeit geben, mit modernen elektronischen Mitteln Vokabeln zu lernen, ohne sich mühsam durch Karteikarten zu blättern.
Vokabeln und Grammatik üben
Mit Lengo (erhältlich im App-Store) kann man Vokabeln üben, Wörter hinzufügen und sein Grammatik-Knowhow verbessern. Zudem kann man individuelle Lernfortschritte verfolgen und analysieren. Die Handhabung ist einfach, die Oberfläche gelungen, die Grundfunktionen sind kostenlos. Man zahlt nur für Extra-Inhalte. „Das System sollte für alle zugänglich sein und niemanden ausschließen.“
Auch viele Migranten hätten die App auf dem Handy, um sich in einer fremden Umgebung schneller und besser zurechtfinden zu können, so Nils Bernschneider, der betont, dass man seinen Zeitaufwand zum Erlernen einer neuen Sprache mit dem Programm drastisch reduzieren könne. Darüber hinaus bietet die App spezielle Motivationsmethoden, die man beim traditionellen Lernen meistens vermisse, so der Entwickler. Um aber wirklich fit in einer Sprache zu werden, müsse man sich immer wieder neue Ziele setzen und sein Potenzial ausschöpfen. Lengo unterstütze einen dabei.
„Tür zu einer neuen Welt“
„Eine Sprache öffnet die Tür zu einer neuen Welt“, so der Bensheimer, der an der Universität Mannheim im Juli 2021 seinen Bachelor im Fach Wirtschaftsinformatik abgeschlossen hat. Länder und Kulturen, die einem ansonsten fremd und unbekannt blieben, könnten so erlebbar und verstehbar werden. Mit seiner Sprach-Lern-Plattform will er dazu beitragen, die globale menschliche Interaktion zu verbessern, indem die Kommunikationsfähigkeit der Menschen gestärkt wird. Die Bandbreite reicht momentan von Arabisch bis Ukrainisch.
Für die Weiterentwicklung nutzt er das Wissen von Muttersprachlern aus 24 Nationen sowie von erfahrenen Lehrern und Didaktikern. Das Feedback von außen sei für ihn enorm wertvoll, sagt er. Im Rahmen der WWDC hatte er mit einem Apple-Mitarbeiter gesprochen, der Lengo aus der Perspektive eines Menschen mit Handicap getestet hatte. Darunter auch ein blinder deutscher Auswanderer in die USA, der die App mit VoiceOver ausprobiert hatte. Danach habe er sich entschieden, die App auch für Sehbehinderte vollständig und intuitiv nutzbar zu machen. In punkto Design, Marketing und technische Neuerungen sei die Konferenz extrem hilfreich und inspirierend gewesen.
Doch Bernschneiders Mission geht weiter. Der Weg ist das Ziel. Es gibt immer etwas zu verbessern und zu erweitern. Nicht nur Sprache ist ein lebendiges System: In der digitalen Welt ereignen sich Neuerungen weitaus schneller als auf den Zungen der Menschen. Bei acht Milliarden Köpfen weltweit und annähernd 7000 Sprachen auf dem Erdball dürfte er mit seiner Firma in den nächsten Jahren noch einiges zu tun haben, um den Planeten kommunikativ etwas distanzloser zu gestalten.
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