Bensheim

Bensheimer Haushaltslage bleibt trotz möglicher Mehreinnahmen fragil

Kurz vorm Finanzkollaps steht die Stadt nicht. Aber das Minus von 8,4 Millionen Euro im Ergebnishaushalt versetzt die Verantwortlichen im Rathaus und in der Kommunalpolitik nicht in die Lage, auf Shoppingtour zu gehen.

Von 
Dirk Rosenberger
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Bensheim kann in diesem Jahr voraussichtlich mit Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer rechnen. Ob dies tatsächlich so kommt, muss abgewartet werden. © Thomas Neu

Bensheim. Kurz vorm Finanzkollaps steht die Stadt zwar nicht. Aber das prognostizierte Minus von 8,4 Millionen Euro im Ergebnishaushalt versetzt die Verantwortlichen im Rathaus und in der Kommunalpolitik nicht unbedingt in die Lage, auf große Shoppingtour zu gehen. Zumal es den Kommunen wie den Privathaushalten geht: Niemand kann exakt kalkulieren, welche Belastungen in den nächsten Monaten die Stimmung verhagelt.

Deutlich über Plan

Im Haupt- und Finanzausschuss am Montag machte Stadtrat Adil Oyan (Grüne) auf Nachfrage von Franz Apfel (BfB) einen kleinen Kassensturz bei der Gewerbesteuer. Eingeplant sind für 2022 Einnahmen in Höhe von 47,68 Millionen Euro. Aktuell kann die Verwaltung jedoch mit etwas mehr als 56 Millionen kalkulieren, ein Plus von rund 8,3 Millionen Euro. Wobei man nicht vergessen sollte, dass zum 1. Januar der Hebesatz von 375 auf 390 Prozent erhöht, die Anhebung wiederum aber beim Ansatz von 47,68 Millionen berücksichtigt wurde.

Der Kämmerer versah seine Auskunft allerdings mit einem deutlichen Warnhinweis. Einerseits wollte er die millionenschwere Steigerung nicht als Aufforderung zum fröhlichen Geldausgeben verstanden wissen. Andererseits ist die Gewerbesteuer bekanntlich ein scheues Reh. Bis Ende 2022 könnte sich die Lage in den Firmen wieder deutlich negativer darstellen. Und dann wäre die Momentaufnahme aus dem Juli nur eine schöne Erinnerung.

„Wir haben durchaus energieintensive Unternehmen bei uns. Wenn der Gashahn abgedreht bleibt, wird das zu massiven zusätzlichen Problemen führen“, so Oyan. Lieferkettenengpässe, fehlende Fachkräfte, Nachschubschwierigkeiten, die Corona-Pandemie - und dann noch fehlende Energie. „Sie können sich vorstellen, was das für die Firmen bedeutet und im weiteren Verlauf für die Gewerbesteuer“, konstatierte der Finanzdezernent.

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Ob sich das schon in diesem Jahr oder erst 2023 auswirke, werde sich zeigen. Deswegen sollte man sehr vorsichtig sein. Die gebremste Euphorie stieß bei CDU-Fraktionschef Tobias Heinz und Grünen-Chefin Doris Sterzelmaier auf Zustimmung. „Das Geld ist ja nicht da, außerdem ist ein Defizit von fast neun Millionen Euro für dieses Jahr eingeplant“, betonte Heinz. Man sei lange nicht auf einem grünen Zweig. Am Haushalt müsse weiter gearbeitet werden. Es sei eine schöne Information, aber letztlich nur ein Zwischenstand, ergänzte Sterzelmaier.

Zumal in der gleichen Sitzung zwei außerplanmäßige Ausgaben beschlossen werden mussten. Für die Aufrechterhaltung, Sicherstellung und Erhöhung der IT-Sicherheit braucht es 524 500 Euro. Dem Beschlussvorschlag folgte der Ausschuss einstimmig. Darüber hinaus sind Investitionen in die sogenannte kritische Infrastruktur für den Katastrophenfall unerlässlich. Die Feuerwehr hat dazu ein Stufenkonzept entwickelt, in einem ersten Schritt (Einsatzszenario Stromausfall) stehen Kosten in Höhe von 750 000 Euro für verschiedene Maßnahmen an. Das Fachgremium votierte auch in diesem Fall einstimmig für die Umsetzung.

Besondere Leküre für die Sommerpause

Die Stadtverordneten werden sich in der kommunalpolitischen Sommerpause außerdem mit einer besonderen Lektüre beschäftigten können. Das Stadtparlament hatte in seiner Dezember-Sitzung - wie berichtet - einen Beschluss zum Haushaltssicherungskonzept gefasst. Ein Zwischenbericht sollte dem Haupt- und Finanzausschuss im Juli präsentiert werden. Adil Oyan teilte nun am Montag im Gremium mit, noch vor der Sommerpause den Fraktionen die fertige Ausarbeitung vorlegen zu können. Ursprünglich hätte dies spätestens im Herbst zu den Etatberatungen für 2023 erfolgen sollen.

Das Ganze hat nach Auskunft des Stadtrats einen Umfang von 173 Seiten inklusive den Anhängen. „Sie werden also ausreichend Zeit haben, bis zur Haushaltssitzung im Dezember das durchzuschauen und jederzeit Nachfragen oder Anträge dazu zu stellen. Die Zeit hätten wir.“ In der Stadtverordnetenversammlung am 21. Juli will sich Oyan etwas ausführlicher äußern, bevor das Papier an die Fraktionen verteilt wird.

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Der Kämmerer verdeutlichte vorab, dass er von steigenden, bisher nicht berücksichtigten Ausgaben in der mittelfristigen Planung ausgeht. Das hänge mit den notwendigen Investitionen in die kritische Infrastruktur ebenso zusammen wie mit der hohen Inflationsrate. „Wenn man nur die acht Prozent ansetzen würde, ergäbe das allein bei den Sach- und Dienstleistungen einen Anstieg von zwei Millionen Euro.“

Oyan berichtete zudem von einem Gespräch am Rande des Sozialausschusses des Hessischen Städte- und Gemeindebundes. Dort habe ein Bürgermeister dargelegt, welche Auswirkungen die gestiegenen Energiekosten haben können. Er sprach von einer Vervierfachung des Strom- und einer Versiebenfachung des Gaspreises. In diesen Sphären bewegte sich zumindest ein Angebot, das in besagter Kommune für den Betrieb des dortigen Hallenbads einging. „Das kommt was auf uns zu.“

Steigende Ausgaben und Sparbemühungen

Oyans Schlussfolgerung: Man wird nicht so viel konsolidieren können wie die Kosten im Augenblick steigen, prognostizierte er. Er sei bei jeder Konsolidierung dabei. Aber es werde sehr schwer, „richtige Geld zu konsolidieren“. Die steigenden Ausgaben konterkarierten zu seinem Bedauern die durchaus vorhandenen Sparbemühungen.

Was das in Zahlen bedeutet, dürfte man frühestens im Spätherbst bei den Haushaltsberatungen sehen - oder im nächsten Jahr. Ob dann der Grünen-Politiker noch den Etat verantwortet, wird sich zeigen. Bekanntlich bewirbt sich der 55-Jährige um den Posten des Ersten Kreisbeigeordneten in Groß-Gerau. Die Wahl im Kreistag ist am 10. Oktober. Oyan hat als Kandidat der Grünen, die im Nachbarkreis eine Koalition mit SPD und Linken bilden, gute Chancen auf das Amt.

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