Bensheim. Klimaschutz und Wachstum kollidieren landauf landab. Ein Neubauviertel hier, ein Gewerbegebiet dort, versiegelte Böden, gerodete Bäume und Hecken, fehlende Frischluftschneisen. Auch in Bensheim werden diese Themen seit Jahren diskutiert.
Die kommunalpolitische Abwägung zwischen zwingend notwendiger Entwicklung für die ohnehin schon größte Stadt im Kreis und einem klimaschonenden Umgang mit schwindenden und endlichen Ressourcen ist bei oftmals aufkommender Kritik aus der Bevölkerung keine einfache.
Am Donnerstag präsentierten im Bauausschuss zwei Vertreter der Arbeitsgruppe Flächenschutz der Biodiversitätskonferenz des Kreises eine Resolution zur tatsächlichen Begrenzung des Flächenverbrauchs. „Unser aller Lebensweise hat dazu beigetragen, dass wir an diesem Punkt angelangt sind. Wir müssen diese Entwicklung stoppen und umkehren“, erklärte Sabine Hinterkeuser-Freye.
Elementare Lebensgrundlage
Sie sei ausdrücklich nicht als Ortsvorsteherin von Hochstädten in den Ausschuss gekommen, sondern als Bürgerin, die sich in der Arbeitsgemeinschaft engagiere.
Die Problematiken einer ungebremst fortschreitenden Flächenversiegelung seien wohlbekannt. Bemühungen, daran etwas zu ändern, hätten nur bedingt Erfolg gehabt. Angestrebt worden sei von der Bundespolitik, den Flächenverbrauch bis 2030 auf höchstens 30 Hektar am Tag zu begrenzen. „Aktuell ist er allerdings fast doppelt so hoch“, erklärte Hinterkeuser-Freye, die mit Otto Merkel ins Rathaus gekommen war. Dabei seien fruchtbare Böden eine elementare Lebensgrundlage für den Menschen.
Auch in Bensheim müsse dringend mehr für eine nachhaltige Stadtentwicklung getan werden. Bei allen Vorhaben müssten die Auswirkungen auf die Flächen im Vordergrund stehen. Die erarbeitete Resolution sei kein Gesetzestext, sondern eine Richtlinie, an der sich die Handelnden orientieren sollen. „Der Planet ist in der Krise. Arten sterben, von den acht Millionen, die es zurzeit noch gibt, sind ein bis zwei Millionen vom Aussterben bedroht“, appellierte sie an die Fraktionen, sich der Resolution anzunehmen und diese zu diskutieren. Ein entsiegelter Boden brauche 500 bis 1000 Jahre, bis er sich vollständig erholt habe.
In Bensheim müsse man unter anderem Antworten auf die Fragen finden, wie viele Einwohner man haben wolle und wie die Infrastruktur für eine steigende Zahl von Bewohnern auszusehen habe. Und ob manche Projekte tatsächlich umgesetzt werden müssen oder nur „nice to have“, also ein hübscher, aber nicht zwingend notwendiger Zusatz sind.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Schlaue Leute hätten schon vor Jahrzehnten erkannt, auf was wir zusteuern, fügte Otto Merkel an. Jetzt sei es für die meisten offensichtlich und höchste Zeit, umzusteuern. Die Kommunen müssten den, zugegeben kleineren Spielraum, den sie haben, nutzen. Merkel erinnerte an die Errungenschaften der vergangenen 100 Jahre, beispielsweise in der Mobilität und bei der Digitalisierung, aber auch in der Industrie. „Diese Vorteile genießen wir, aber es gibt eben auch die Kehrseite.“
Die Resolution listete mehrere Punkte auf, die nach Meinung der Biodiversitätskonferenz auf Gemeindeebene angegangen und umgesetzt werden könnten. Darunter auch der Grundsatz der Innen- vor Außenentwicklung, mit dem sich Bensheim nicht erst seit gestern befasst. Zudem könne man sich zeitliche Ziele setzen auf dem Weg zu weniger Flächenverbrauch bis hin zur Flächenkreislaufwirtschaft, sprich einem Netto-Null-Flächenverbrauch. Der Erhalt von innerörtlichem Grün findet sich ebenso wieder wie generationenübergreifende Wohnprojekte, der Aufbau einer Wohnungstauschbörse oder das Erstellen eines Katasters für Gewerbebrachen und Baulücken. Info-Kampagnen für Unternehmen und Einwohner werden ebenfalls als zielführend angesehen. Sabine Hinterkeuser-Freye und Otto Merkel baten abschließend um Unterstützung der Vereinbarung möglichst durch einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung.
Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung (CDU) wies darauf hin, dass einige Forderungen von der Stadt und der Kommunalpolitik bereits umgesetzt würden. Die Fraktionen sollten, bevor sie Einzelanträge zu manchen Punkten stellten, doch den Dialog mit der Verwaltung suchen.
Peter Leisemann (FWG), der stellvertretend für Thomas Götz (Grüne) den Vorsitze innehatte, schlug vor, die Resolution in den Fraktionen zu besprechen und danach zu entscheiden, wie damit umzugehen sei. Grundsätzlich müsste der Text über einen Antrag auf die Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung kommen.
Rauber-Jung schloss auf Nachfrage aus, dass es dazu eine Verwaltungsvorlage geben werde. Dafür habe man keine Veranlassung. Sie räumte darüber hinaus ein, überhaupt nicht gewusst zu haben, dass im Bauausschuss die Resolution vorgetragen wird.
Was kurzzeitig die Frage aufwarf, wer die beiden Referenten überhaupt eingeladen hatte, da Peter Leisemann wiederum davon ausging, die Initiative wäre vom Rathaus ausgegangen. Letztlich „einigte“ man sich darauf, dass wohl der entschuldigt fehlende Vorsitzende Götz das Thema platziert hatte, „was auch ein gutes Recht ist“, merkte die Erste Stadträtin an.
Mit dieser zumindest für Unbeteiligte amüsanten Fußnote zur internen Kommunikation ging die kurze Aussprache ins Finale. Fortsetzung dürfte folgen – nicht zu den Einladungsgepflogenheiten des Ausschusses und dem Wissen über die Tagesordnung, sondern vielmehr zum Thema Flächenverbrauch. Was offenkundig dringend geboten scheint.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-resolution-gegen-flaechenverbrauch-in-bensheim-vorgestellt-_arid,1972566.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html