Bensheim. Am 14. Juli 1997 fand die Gründungsversammlung der Bürgerhilfe Bensheim statt. Bereits zwei Jahre später zählte der Verein für gelebte Nachbarschaftshilfe rund 150 Mitglieder. Er unterstützt andere bei den kleinen, aber wichtigen Dingen des Alltags. Das Leistungsspektrum umfasst unter vielem anderen Unterstützung bei der Hausarbeit, beim Einkaufen, die Begleitung bei Arzt- oder Behördengängen sowie kleine Reparaturen und Betreuungsaufgaben.
Man versteht sich ausdrücklich nicht als Ersatz für professionelle Dienstleister, Pflegekräfte oder Handwerker, sondern als niederschwellige und spontane Hilfe von Mensch zu Mensch. Die geleistete Unterstützung wird über ein Punktesystem vergütet: Wer hilft, stockt sein Punktekonto auf. Wer Hilfe in Anspruch nimmt, löst Punkte ein.
Im 25. Jubiläumsjahr hat die Bürgerhilfe 212 Mitglieder. Am sozialen Selbstverständnis hat sich nichts verändert. Wenngleich durch die Pandemie seit gut zwei Jahren die Zahl der Hilfeleistungen sowie die Nachfrage deutlich zurückgegangen sind, blickt Vorsitzender Franz Apfel zuversichtlich in die Zukunft: „Diese Entwicklung wird sich wieder umkehren und normalisieren.“ Waren es 2020 noch 1252 Hilfestunden, so hat sich der Wert 2021 auf 892 Stunden reduziert.
Jüngere Mitglieder willkommen
Im Gegenzug ist der Verein mit den meisten seiner zumeist langjährigen Mitglieder stark in die Jahre gekommen: 71 Mitglieder sind zwischen 71 und 80 Jahre alt, weitere 56 rangieren zwischen 61 und 70. Mit nur 25 Mitgliedern die kleinste Altersgruppe jene der 51- bis 60-Jährigen. Hier gebe es die größten Defizite, so Apfel bei der Mitgliederversammlung am Freitag im Bürgerhaus Kronepark, wo in Anschluss die Jubiläumsfeier stattgefunden hat.
Die Biografie der Bürgerhilfe begann bereits Ende 1996, nachdem ein von einem parteipolitischen Forum ausgehender Impuls die damalige Leitstelle „Älter werden“ des Kreises Bergstraße dazu motiviert hatte, eine Veranstaltung über „Neue Formen der gegenseitigen Hilfe in Bensheim“ zu initiieren.
Der Termin im Frühjahr 1997 schlug Wellen. Schon wenige Wochen danach traf sich auf Einladung des heute immer noch aktiven Vorstandsmitglieds Knuth Pettersson eine Initiativgruppe unter dem Titel „Bürger für Bürger“ im Caritasheim. Der damals beschlossene Kurs bildete die Grundlage für die folgende Vereinsarbeit, zu der heute auch regelmäßige Stammtische, Ausflüge und Vorträge gehören. Neben den stabilen Mitgliederzahlen gab es in Auerbach noch weitere positive Nachrichten zu vermelden: So bilanzierte der Verein für 2021 das beste Jahresergebnis in seiner Geschichte, wie Schatzmeisterin Ingrid Engelbracht in ihrem Bericht mitteilte.
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Das dicke Plus war vor allem dem relativ hohen Spendenaufkommen geschuldet. Das im Juni 2021 im Alter von 96 Jahren verstorbene Ehrenmitglied Karl Löw, ein gebürtiger Bensheimer, hatte vor seinem Tod verfügt, anlässlich seiner Beisetzung Geld für die Bürgerhilfe zu spenden. Über 3000 Euro kamen zusammen.
Apfel betonte in Auerbach auch die finanzielle Unterstützung durch die Stadt Bensheim. Auch hier versteht man die Kooperation als Balance aus Geben und Nehmen: Zu Beginn der Pandemie hatte der Verein aufgrund der drohenden finanziellen Probleme der Stadt angeboten, auf den Zuschuss in Höhe von 1440 Euro für das Jahr 2020 zu verzichten. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen sei man finanziell durch Corona kaum betroffen, wenngleich die Lage die gesellschaftliche Arbeit natürlich erschwert habe.
Bereits das Jahr 2020 war nicht das Beste der Vereinsgeschichte. Geplante Veranstaltungen mussten überdacht, verändert oder ganz gestrichen werden. Weder Mitgliederversammlungen noch Infostände konnten stattfinden. Auch das gesellschaftliche Leben des Vereins hatte sehr gelitten. Dennoch habe man weiterhin Hilfe geleistet – wenngleich oft in eingeschränkter Form.
„Wir sind finanziell gut aufgestellt, unsere Kosten halten sich im Rahmen“, so die Schatzmeisterin, die aber darüber hinaus betonte, dass der Verein nicht „zum Geld sammeln“ da sei, sondern das Vermögen im Sinne der Satzung verwendet werden müsse.
Zweck dieser besonderen Art von Selbsthilfeorganisation ist es, betagte und hilfsbedürftige Menschen bei der Verrichtung des täglichen Lebens zu unterstützen – er verfolgt dabei ausschließlich gemeinnützige Zwecke und ist weder einer Partei noch einer Religion verbunden. Das Vereinsbüro ist an der Obergasse 9 im Franziskushaus des Caritasverbands Darmstadt untergebracht.
Nach einstimmiger Entlastung des Vorstands warf Franz Apfel noch einen Blick auf die kommenden Veranstaltungen. Die Stammtische seien momentan wieder besser besucht, die Zusammenarbeit mit dem Heppenheimer Partnerverein soll weitergehen. Der neue Flyer wurde zur Jubiläumsfeier quasi druckfrisch der Öffentlichkeit präsentiert.
Der Vorsitzende begrüßte etliche Ehrengäste vom Magistrat und aus der Kommunalpolitik sowie von kooperierenden Vereinen und aus Sozial- und Wohlfahrtsverbänden. „Im Gründungsjahr 1997 waren 19 Menschen von der Idee des gegenseitigen Helfens überzeugt“, so Franz Apfel im Bürgerhaus. Eine Gruppe in Offenbach stand damals Pate für die im Kreis Bergstraße eingeleiteten Initiativen.
Die Entstehung dieser Bürgerhilfen sei laut Vorsitzendem damals auch eine Antwort gewesen auf die zunehmende Mobilität in der Gesellschaft. De traditionellen Strukturen mit örtlich nah lebenden Familienmitgliedern oder Bekannten lösten sich im mer mehr auf, so dass Bürger- und Seniorenhilfen entstanden, die diese soziale Lücke zu schließen.
Ein neues Helfernetz bildete sich heraus – auch in Bensheim. Der Heppenheimer Partnerverein wurde damals fast zeitgleich gegründet. „Unser Ziel ist es, die Bensheimer Bürger zu gegenseitiger Hilfe zu motivieren“, so Apfel weiter, der auch seinen sechs Vorgängern für deren Engagement dankte: Peter Eberle, Dagmar Breckwoldt-Tullney, Karl Löw, Hans-Peter Kneip, Heinz-Lenhardt und Walter Böhme. Die drei Letztgenannten waren am Freitag in Auerbach anwesend.
Ein Teil des sozialen Netzes
Heute sei der Verein mit einem modernen Bürodienst und aktiven Mitgliedern gut ins städtische Leben integriert. „Wir sind ein Teil des sozialen Netzes geworden“, so Apfel. Mit dem Zweiten Vorsitzenden Peter Röhrs sitzt die Bürgerhilfe in der Sozialkommission, Beisitzerin Jutta Becker vertritt den Verein im Seniorenbeirat der Stadt Bensheim.
Franz Apfel kündigte an, dass das bereits geplante Neumitgliedertreffen mit dem Vorstand nun im kommenden Jahr stattfinden soll. In einer Zukunftswerkstatt will man einen neuen Aufbruch initiieren und wieder mehr jüngere Menschen zur Mithilfe erreichen.
An Aufgaben dürfte es weiterhin nicht mangeln, so Apfel: „In einer älter werdenden Gesellschaft werden gute Nachbarschaft und sozialer Zusammenhalt dringend benötigt.“ Für Unterhaltung zum Büfett im Bürgerhaus Kronepark sorgten das Musik-Duo „Jazz ‘n Guitar“ sowie der Zwingenberger Comedian Harald Stastny.
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