Ortstermin

Bensheimer Bauern beklagen Trockenheit und Agrarpolitik

Von 
Thomas Tritsch
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Auf Tuchfühlung: Die CDU informierte sich am Dienstag auf dem Schwanheimer Bauernhof der Familie Schweickert über aktuelle Probleme. © Thomas Neu

Schwanheim. Die Wiesen sind braun und gelb. Es ist trocken. Zu trocken. Die anhaltende Dürre bedroht die Ernte. Das Wetter war in der Landwirtschaft schon immer ein entscheidender Faktor. Doch seit fünf Jahren müssen die Bauern regelmäßig mit klimatischen Extremen umgehen. Das spüren auch die Landwirte in Bensheim und Umgebung.

Ein Feld bei Schwanheim. Der Mais entwickelt sich schlecht – trotz Beregnung. Der Weizen zeigt eine sogenannte Notreife: Geht auch das letzte Wasser im Erdboden zu Neige, entwickelt die Pflanze ihr Korn, so gut es geht. Die Pflanze sichert so ihr Überleben.

Der Landwirt muss allerdings mit erheblichen Ernteausfällen kalkulieren. „Ich rechne mit 30 bis 40 Prozent weniger Ertrag als in einem normalen Jahr“, sagt Christoph Schweickert, der an der Universität Hohenheim Agrarwissenschaften studiert hat. Er repräsentiert als Sohn von Jörg und Beate Schweickert die sechste Generation des Hofs, der sich seit 31 Jahren als regionaler Direktvermarkter mit eigenem Hofladen behauptet. Zuvor war es ein reiner Bullenmastbetrieb mit 220 männlichen Bullen und Ackerbau.

Hohe Kosten für Futter und Dünger

Christoph Schweickert, Jahrgang 1999, macht sich schon als junger Kerl Gedanken um die Zukunft: „Wir wollen den Betrieb weiterführen. Doch die Rahmenbedingungen werden immer schwieriger“, sagt er bei einem Besuch der Bensheimer CDU im Rahmen deren Sommerprogramms am Dienstag. Denn die Bauern leiden momentan nicht nur unter stark gestiegenen Preisen für Dünger, Sprit oder Futter.

Die Düngeverordnung verlangt von vielen Betrieben einen 20-prozentigen Abschlag bei der Stickstoffdüngung in roten Gebieten, die besonders von Nitrat belastet sind. Schweickert Junior findet Grundwasserschutz wichtig und richtig, doch er verweist auch darauf, dass die Regelung für die Erzeuger auch rund 20 Prozent weniger Ernte bedeutet. Zudem seien die Werte auf den Bensheimer Flächen des Betriebs (man habe nachgemessen) deutlich niedriger als die offiziellen Zahlen.

Aber auch die Agrarreform der EU sorgt in der Branche für reichlich Blutdruck. Aufgrund der neuen Regelungen ist im Rahmen der Konditionalität ab 2023 eine zu erbringende einzelbetriebliche Stilllegung von vier Prozent des Ackerlands verpflichtend. Das heißt: Diese Flächen müssen aus der Produktion genommen werden. Doch der Boden ist schon jetzt knapp – und heiß umkämpft. Dass die Felder rund um Bensheim auch von Kollegen aus der Region belegt sind, stimmt Schweickert nicht gerade freundlich. Hier setze man im Rathaus nicht das um, was man eigentlich angekündigt habe. Der Dialog mit der Stadtverwaltung ist offenbar ausbaufähig. Auch Kreisebene sieht das kaum besser aus.

Ein Mossauer Betrieb hat jüngst – bundesweit erstmalig – die Genehmigung für eine Geflügel-Schlachtanlage vom Regierungspräsidium Darmstadt erhalten. Ein mobiler Service mit einem Spezialfahrzeug, das auch über den Odenwald hinaus unterwegs ist. Zumindest theoretisch. Doch das Veterinäramt im Kreis Bergstraße habe eine Schlachtung vor Ort in Schwanheim verboten mit dem Argument, dass es auf dem Feld mit dem neuen Stall unter anderem keine Toilette gibt.

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„Es geht dabei um zwei Stunden Arbeit“, so Beate Schweickert kopfschüttelnd. Alternativ musste der Betrieb für das gleiche Ergebnis mehrmals in den Odenwald fahren, was deutlich mehr Zeit und Geld kostet, so die gelernte Agrartechnikerin. Warum im Odenwald geht, was an der benachbarten Bergstraße nicht möglich ist, sei nicht nachvollziehbar.

Die Pandemie hatte 2020 grenzübergreifend für eine neue Lage gesorgt. Über Nacht lag Schweickerts Partyservice auf Eis. Doch das Hoflädchen war stark frequentiert. Die Nachfrage nach lokalen und selbst erzeugten Lebensmitteln wurde von Corona angeheizt. Mitten in der Krise hatte sich der Familienbetrieb entschieden, im Feld nahe Schwanheim einen neuen Stall zu bauen, um von der Bullenmast auf Rinderhaltung auf der Weide umzustellen.

Die Schweine bleiben vorerst im Stall, die Hühner haben einen Auslauf bekommen. „Diese Maßnahmen waren ein großer Schritt zu mehr Tierwohl“, so Jörg Schweickert, der seinen Tieren in konventioneller Landwirtschaft nach eigenen Angaben mehr Auslauf bietet als es die Bio-Verordnung vorsehe.

Um die Direktvermarktung noch konsequenter umsetzen zu können, hatte er 1995 noch eine Metzgerlehre abgeschlossen. Neben Eiern, Fleisch und Wurst begann die Familie vor rund 15 Jahren mit der Herstellung von kaltgepresstem Rapsöl. Später kamen noch Lein- und Hanföl hinzu. Beides sehr gesunde Öle mit hohem Gehalt an Omega 3-Fettsäuren in einem nahezu idealen Verhältnis zu Omega 6. Im Kreis Bergstraße ist der 80-Hektar-Vollerwerbsbetrieb bisher der einzige, der sich seit 2021 im Hanfanbau versucht.

In diesem Jahr kamen die Gänse hinzu, die am Maisfeld über den Acker watscheln. Sie werden Weihnachten nicht mehr erleben. Alle Futtermittel werden selbst hergestellt. Darüber hinaus bauen die Schweickerts auch Kulturen an, die verkauft werden. Etwa der besagte Mais, der auf zwölf Hektar wächst und an die Biogasanlage nach Lorsch geht, wo Strom aus nachwachsenden Rohstoffen erzeugt wird. Allerdings hat diese Energiepflanze einen relativ hohen Flächenbedarf, ergänzt der Junior, der das Thema regenerative Energien und Nachhaltigkeit in Zukunft noch intensiver beackern will. Die Methode: Photovoltaik.

Goldenes Holz "Holz ist Gold", sagt Jörg Schwei ckert. Die ...

Goldenes Holz "Holz ist Gold", sagt Jörg Schweickert. Die Preise für einen Raumme ter explodieren, liegen mittlerweile bei 200 bis 300 Euro und mehr. Vor einem Jahr rangierte der Markt für Brennholz noch bei rund 70 Euro.

Rund 1500 Quadratmeter Dachfläche auf den Ställen bieten sich an, um aus Sonne Strom zu erzeugen. Darüber hinaus denkt er darüber nach, über spezielle senkrecht sowie schrägstehende Solarmodule auch die sechs Hektar Weidefläche bei Schwanheim doppelt zu nutzen: als Energieproduzent und Auslauf für die Tiere.

So können Solarkraftwerke installiert werden, ohne dass dabei wertvolle landwirtschaftliche Fläche verlorengeht. Diese intelligente Agri-Photovoltaik verbessere sogar die Bedingungen für Feldfrüchte und deren Erträge und habe den zusätzlichen Effekt, dass der Boden unter den Modulen schattiger und somit auch bei anhaltender Trockenheit etwas sonnengeschützter ist.

Hinzu kommt, dass die zweiseitigen Solarmodule die Sonne aus dem Osten und dem Westen sowohl über die Vorder- als auch über die Rückseite einfangen. Damit würden sie morgens und abends Strom liefern mit dem Vorteil, dass der Landwirt den Strom zu diesen Stoßzeiten teurer verkaufen und somit die etwas höheren Kosten in der Anschaffung kompensieren könnte.

Noch ist das Projekt in der Vorplanungsphase, doch der Agrarwissenschaftler will möglichst bald Nägel mit Köpfen machen. Über 30 Jahre nach dem ersten selbst vermarkteten Hühnerei stellt der Familienbetrieb jetzt die Weichen für die Zukunft in einer Phase, die auch in Bensheim einen drastischen Rückgang der Vollerwerbslandwirte verzeichnet.

Auch Christoph Schweickert kann sich vorstellen, den elterlichen Betrieb irgendwann im Nebenerwerb weiterzuführen. Aufgeben will er aber auf keinen Fall. Auch wenn die Zeiten für Bauern vorerst weiter hart bleiben dürften. Nicht nur wegen der anhaltenden Dürre.

Unter den Besuchern am Dienstag beim Ortstermin waren der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Meister, Stadtverbandsvorsitzender Carmelo Torre und Fraktionschef Tobias Heinz sowie der Schwanheimer Ortsvorsteher Konrad Klapfenberger.

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