Film-Fest

„Bensemer Europa“ für eine Prinzessin

Das dritte Europa-Film-Fest ging am Sonntag im Auerbacher Kronepark ins Finale. Die Schauspielerin Sunnyi Melles erhielt die "Bensemer Europa" für ihre Rolle in Triangle of Sadness“.

Von 
Thomas Tritsch
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Die Schauspielerin Sunnyi Melles erhielt am Sonntag zum Abschluss des Europa-Film-Fests im Kronepark die von Doris Bambach (li.) gestaltete „Bensemer Europa“. Den Preis überreichte Ortsvorsteher Robert Schlappner in Vertretung von Innenministerin Nancy Faeser, die krankheitsbedingt absagte. © Thomas Neu

Auerbach. Der Abschluss des dritten Europa-Film-Fests hätte ein größeres Publikum verdient gehabt. Das Open-Air-Kino im Kronepark ging am Sonntagabend vor kleiner Kulisse ins Finale. Mit dabei eine echte Prinzessin: Die Schauspielerin Sunnyi Melles ist seit 1993 Judith-Viktoria Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn. Als prominenter Gast brachte sie den nötigen Glanz auf die Wiese, wo zehn Tage lang europäische Filme auf einer aufblasbaren Leinwand zu sehen waren.

Zum Ausklang servierten die Gastgeber „Triangle of Sadness“ von Regisseur Ruben Östlund aus dem Jahr 2022. Eine satirische Tragikomödie, die im Mai 2022 bei den Filmfestspielen in Cannes uraufgeführt und mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. Im Rahmen der Verleihung des Europäischen Filmpreises im Dezember 2022 wurde das Werk dann als bester Film ausgezeichnet, zudem würdigte die Jury Östlund für die beste Regie und das beste Drehbuch.

Von Auerbach aus klingelte Sunnyi Melles bei dem schwedischen Regisseur und Autor durch und dankte ihm für dessen wundervolle künstlerische Arbeit, wegen der sie „auf der ganzen Welt erkannt“ werde. Die Produktion wurde als „Bester Film“ für einen Oscar nominiert. Darin spielt sie Vera, die Gattin eines Düngemittelproduzenten, die im zweiten Teil des Films auf einer mondänen Luxusyacht voller dekadenter und exzentrischer Besserverdiener durch menschliche Abgründe schippert.

Abrechnung mit den Mächtigen

Das Captains Dinner endet bei stürmischer See in einer Kotzorgie und der gesamte Trip mit Schiffbruch auf einer einsamen Insel. Und plötzlich weiß auch ein verwöhnter Gaumen wieder, wie gut eine Packung Salzstangen schmecken kann.

Zum Cast gehören auch Iris Berben und Woody Harrelson. Die wunderbare Charlbi Dean Kriek, die im August 2022 im Alter von 32 Jahren verstorben war, spielt eine schöne Influencerin in der an schrulligen Figuren nicht eben armen Gesellschaftssatire.

Zwar meint der Titel „Triangle of Sadness“ jenen Bereich auf der Stirn, wo die Zornesfalten auf die Sorgenfalten treffen, doch die cineastische Abrechnung mit den Reichen, Schönen und Mächtigen ist ein einziger Spaß mit dem typischen Östlund-Humor.

Als Nachfolgerin von Berlinale-Chef Dieter Kosslick bei der Auerbacher Festival-Premiere 2021 und Regisseur Leander Haußmann im vergangenen Jahr erhielt Melles am Sonntag den von der Bensheimer Künstlerin Doris Bambach eigens gestalteten Festivalpreis „Bensemer Europa“.

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Eine stilisierte Filmrolle, die sie auf der Bühne des Pavillons als ästhetisch gelungenes Kleinkunstwerk bezeichnete. Im Gespräch mit Frank Krause, künstlerischer Leiter des Festivals, kommentierte die bereits vor ihrer adligen Hochzeit sehr aristokratisch wirkende Schauspielerin vor allem die Szenen auf dem Schiff, wo sich die Mägen der Oberschicht nach außen kehren: „Beim Kotzen sind alle gleich!“

Der brachiale Arthouse-Blockbuster sei eine Satire auf die menschliche Natur, die nicht nach Kohle, Job oder Herkunft unterscheide. Das Körperliche kenne keine Standesdünkel. Zudem kritisierte sie das Kreuzfahrt-Business als aus ökologischen Gründen nicht mehr tragbar. Hier schwebte keine Prinzessin auf der Erbse durch das Volk: Die Melles gab sich bodennah und realitätsverwurzelt. „Der Film soll Denkanstöße anbieten, das ist mir das Wichtigste!“

Sunnyi Melles stammt aus einer ungarisch-jüdischen Familie. Sie wuchs in der Schweiz auf und wurde an der Otto-Falckenberg-Schule in München ausgebildet. Melles spielte die Buhlschaft im „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen, war am Bayerischen Staatsschauspiel in München engagiert und in vielen deutschen Spielfilmen zu sehen. Zeitweise gehörte sie zum Ensemble des Wiener Burgtheaters.

Unter anderem wurde sie 2004 von „Theater heute“ zur Schauspielerin des Jahres gekürt, 2005 erhielt sie den Nestroy-Theaterpreis in der Kategorie „Beste Schauspielerin“. 2021 gastierte sie bei den Nibelungen-Festspielen in Worms als Papst Leo X. in „Luther“.

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Auf hoher See muss sich die 64-Jährige mit dem Porzellanteint als obszönes Oligarchen-Weibchen ausgiebig übergeben – ähnlich wie einst in Dieter Dorns Theater-Inszenierung „Der Gott des Gemetzels“, auf die sie immer wieder angesprochen wird. In Auerbach zeigte sich die Prinzessin aber in entspannter Konstitution, offenbarte ihre Vorliebe für Pink durch Kleid und Sneakers, und plauderte beim Vorabtreffen auf der Terrasse der Auerbacher „Krone“ cool mit Jürgen Klaban über das von ihm gestaltete Festivalplakat.

Neben den Organisatoren waren auch etliche Kommunalpolitiker zum Abschlussabend gekommen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte ihre Teilnahme an der Preisverleihung krankheitsbedingt abgesagt. Der Auerbacher Ortsvorsteher Robert Schlappner übernahm den Part. Er dankte Kinochef Alfred Speiser für die Ausrichtung gemeinsam mit dem Bensheimer Luxor-Kino und würdigte das Filmfest als „Riesenveranstaltung für Auerbach“.

Vor dem Hauptfilm wurde „Fucking Bornholm“ als ist der beim Publikum beliebteste Film des dritten Europa-Film-Fests besonders gewürdigt. Als Preis ging das original Festivalplakat – von Melles signiert – an den Patenverein, den deutsch-polnischen Freundschaftskreis Bensheim – Klodzko. Weronika Grimm und Jeanette Spielmann aus dem Vorstand nahmen das Werk entgegen. Insgesamt waren acht Produktionen aus den Ländern zu sehen, die von den Bensheimer Partnerschaftsvereinen und Freundeskreises ausgewählt wurden.

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