Bensheim. Schon seit einigen Monaten beschäftigen sich die Bensheimer Architektin Barbara Olbrich und der Architekt Sanjin Maracic im Auftrag der MEGB mit der Entwicklung eines Nutzungskonzepts für den Gebäudekomplex zwischen Marktplatz und Schuhgasse, in dem einst das Kaufhaus Krämer untergebracht war. Dies machte eine genaue Untersuchung der Räumlichkeiten erforderlich. Man ließ alle fünf zu dem Ensemble gehörenden Häuser vom Dachboden bis zu den verschachtelten Kellern entrümpeln, nahm Maß und prüfte die Substanz.
Zur Grundlage weiterer Überlegungen gehörte auch die Recherche, welche Aufgaben diese Gebäude im Herzen der Stadt über die Jahrhunderte erfüllt hatten. Mit der Bitte um entsprechende Informationen wandte sich die MEGB mit der Architektin Olbrich und dem Architekten Maracic an den Museumsverein Bensheim sowie an die Metzendorfgesellschaft. Beide hatten sich in der Vergangenheit schon unter unterschiedlichen Gesichtspunkten mit den Gebäuden befasst.
Gemeinsam bildeten die Vereine ein sechsköpfiges Team, dessen Ergebnisse nun der Öffentlichkeit präsentiert werden. Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger haben am 11. und 12. November Gelegenheit, in den Räumen des ehemaligen Kaufhauses am Marktplatz eine Ausstellung mit vielen Fotos und Erinnerungsstücken zur Geschichte der hier einst angesiedelten Kaufhäuser zu besuchen. Gleichzeitig kann fast der gesamte Gebäudekomplex besichtigt werden. Dazu bieten die Architektin Olbrich und der Architekt Maracic sowie Helmut Richter und Annette Kronschwitz von der MEGB geführte Rundgänge an.
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Beeindruckend ist nicht nur die Zahl der rund 100 vom Marktplatz bis zur Schuhgasse reichenden Räume und ihr historisches Flair, sondern auch die mit heutigen Sicherheitsregeln kaum zu vereinbarende Enge mancher Flure und Treppen. Zu verstehen sind die geradezu labyrinthischen Strukturen, wenn man in der Ausstellung den Werdegang des aus fünf Häusern bestehenden Komplexes verfolgt: In der nach einer Pulverexplosion des Jahres 1822 auf den mittelalterlichen Kellern komplett neu gebauten Häuserzeile hatte sich aus einem Manufakturwarenladen schon im 19. Jahrhundert ein Kaufhaus entwickelt – mit immer mehr Platzbedarf, so dass im Lauf der Zeit benachbarte Häuser hinzugekauft wurden, darunter das ehemalige Gasthaus „Zur Traube“.
Im Wesentlichen hielten vier Familien – Krausser, Reiling, Krämer und Ebling – aufeinanderfolgend den Kaufhausbetrieb an diesem Ort über fast anderthalb Jahrhunderte aufrecht. Zunächst war es jedoch die Familie Reiling, die von etwa 1876 bis 1914 einen stetigen Ausbau und am Ende einen repräsentativen Umbau durch Heinrich Metzendorf betrieben hatte.
In der begehrten Lage am Marktplatz und dank einer im Vergleich zu den alten Fachwerkhäusern geräumigen Architektur entwickelte sich exemplarisch eine Kultur des Einkaufens, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz Europa erfasst hatte.
Doch auch die Krisen der 1920er Jahre hinterließen ihre Spuren und von den Verbrechen des Nationalsozialismus blieb das Kaufhaus am Marktplatz vermutlich nicht verschont. Derzeit ist Stadtarchivarin Claudia Sosniak mit der Frage beschäftigt, unter welchen Umständen die Immobilie im Jahr 1933 von der Familie Reiling an den Kaufhausbetreiber Wilhelm Krämer verkauft wurde.
Erste Adresse in Bensheim
Für Generationen von Bürgerinnen und Bürgern war das Kaufhaus am Marktplatz eine erste Adresse für den Einkauf von Kleidung und Wohntextilien und noch heute gibt es ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich noch gut an ihre Zeit in dem im Jahr 2003 geschlossenen Kaufhaus erinnern – davon zeugt neben Fotos auch ein Tondokument in der Ausstellung. Außerdem zu sehen sind Grundlagen für die weitere Projektentwicklung des Gebäudeensembles sowie das Ergebnis aus dem Architekten-Workshop. Ausgestellt sind des Weiteren die Bestandspläne und Materialien, die zur Entwicklung eines Namens für das Ensemble herangezogen wurden.
Für den Besuch der Ausstellung und die in halbstündigen Abständen terminierten Führungen ist eine Anmeldung erforderlich, per E-Mail an: info@megb.de für Führungen am Freitag (11. November) zwischen 12 und 16 Uhr und am Samstag (12. November) zwischen 10 und 14 Uhr. Bei den Führungen muss eine FFP2-Maske getragen werden. Falls zu diesem Zeitpunkt strengere Corona-Regeln gelten sollten, sind diese darüber hinaus zu beachten. red
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