Bensheim. Nach fast 130 Jahren in Auerbach zieht die Sanner-Gruppe ab September 2024 mit ihrem Produktionsstandort Deutschland ins Gewerbegebiet Stubenwald II um. Derzeit befindet sich die neue und hochmoderne Fertigungsstätte inklusive eines neuen Verwaltungsgebäudes noch im Bau. Dort will Sanner künftig mit mehr als doppelter Produktionskapazität agieren. Im Ortsbeirat West lag jetzt die zweite Änderung des Bebauungsplans zur Erweiterung des rund drei Hektar großen Areals auf dem Tisch.
Die Argumente zu diesem Komplex sind lange ausgetauscht. Schon vor drei Jahren diskutierte das Gremium den Umzug des Familienunternehmens weg vom Stammsitz auf eine Freifläche im westlichen Gewerbegürtel. Die neue Vorlage wurde bei der Sitzung im Pfarrzentrum Sankt Laurentius mehrheitlich befürwortet. Volker Massoth (Bündnis 90/Die Grünen) votierte dagegen, seine Parteikollegen Doris Sterzelmaier und Thomas Götz enthielten sich der Stimme. Die Haltung der Grünen: Grundsätzlich begrüße man zwar das Ansinnen, einem alteingesessenen Unternehmen vor Ort neue Perspektiven bieten zu wollen – allerdings ginge der Stadt durch die Bebauung landwirtschaftlicher Fläche ein weiteres Stück Boden-Biodiversität verloren, das qualitativ kaum kompensiert werden könne.
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„Die Flächenversiegelung auf diesem Stück Boden ist schlecht“, so Sterzelmaier, die das Ackergrundstück lieber erhalten und Sanner anderswo ansiedeln würde. Dennoch gebe es in der aktuellen Fassung der Planung auch positive Aspekte, etwa die Anpflanzung von Bäumen und die Installation von Photovoltaik auf dem Dach des neuen Firmenkomplexes.
BfB und FWG beurteilen den Umzug positiv
Franz Apfel beurteilt den Umzug positiv. Die Bürger für Bensheim (BfB) begrüßen die Chance, dass ein großer Arbeitgeber vor Ort bleibe und auf diese Weise auch die Beschäftigten ein Stück Sicherheit genießen. „Viele Mitarbeiter kommen aus Bensheim und der unmittelbaren Umgebung“, begründete Apfel. Alois Hillenbrand (FWG) sieht das genauso. Auch der FDP-Mann Harald Boeddinghaus verwies auf die personelle Situation – zunächst werden mindestens 230 Mitarbeiter mit umziehen – und mahnte in diesem Kontext an, dass man dabei auch auf genügend Wohnraum achten müsse. „Und zwar nicht nur sozialen, sondern auch normalen“, so Boeddinghaus weiter.
Anlass der Änderung war die vorgesehene Fassadenbegrünung, die sich aus lufthygienischen Gründen nur an den Fassaden untergeordneter Nebengebäude realisieren lasse. Bei der Realisierung des Baugebietes habe sich gezeigt, dass etwa die Pharmabranche erhöhte Anforderungen an die Sterilität ihrer Produktionsgebäude hat, die durch eine Begrünung der Fassaden und deren Auswirkungen auf die Luftreinheit in den Produktionsanlagen nicht eingehalten werden kann.
Es sollen mehr Büroarbeitsplätze und STellplätze geschaffen werden
Die Fassadenbegrünung stellt allerdings einen Grundzug der geltenden Planung dar. Daher wurde die Festsetzung in diesem Punkt geändert, indem die zu begrünende Fassade auf 100 Meter reduziert wird. Außerdem wird nicht mehr genau definiert, welche Fassaden zu begrünen sind. Um den sich daraus ergebenden Biotopwertnachteil auf dem eigenen Grundstück zu kompensieren, wird Sanner die in Bau befindlichen Gebäude auf 80 Prozent der Dachfläche extensiv begrünen. Zudem wird die Fläche für Photovoltaik von 25 auf 50 Prozent erhöht.
Einstimmig wurde die erneute Änderung des Bebauungsplanes Neuwiesenfeld befürwortet. Der Aufstellungsbeschluss zu einem Projekt der Innenentwicklung im beschleunigten Verfahren bezieht sich auf eine Erweiterung eines Bürogebäudes des KMB in der Straße „Am Schlachthof“. Um mehr Büroarbeitsplätze zu schaffen, soll das Gebäude im straßenabgewandten Grundstücksteil erweitert und weitere Stellplätze geschaffen werden.
In weiterer Planung Brutmöglichkeiten und Lebensräume schaffen
Die vorgelegte Änderung des Bebauungsplanes für den Bereich Rheinstraße-Elbestraße-Moselstraße wurde ebenfalls von allen Ortsbeiräten mitgetragen. Ausdrücklich begrüßte das Gremium die Planung des Vorhabenträgers Wohnbau Bergstraße zur Errichtung von Gebäuden unter Berücksichtigung des sozialen Wohnungsbaus. Kritischer beobachten einige allerdings den zunehmenden Parkdruck in diesem Stadtgebiet, der durch zusätzlichen Wohnraum geschaffen werde. Michael Schweiger, beratender Ingenieur für Bauleitplanung, Städtebau und Verkehrsplanung vom Büro Schweiger + Scholz, teilte mit, dass es pro neuer Wohnung 0,7 Stellplätze geben wird. Dies orientiere sich am realistischen Erfahrungswert der Wohnbau Bergstraße. Grundsätzlich wolle man nicht mehr Fläche versiegeln als nötig. Zumal die Anwohner durch die zentrale Lage des Areals für Besorgungen des täglichen Bedarfs nicht unbedingt auf ein Auto angewiesen seien.
Laut Stellplatzsatzung der Stadt wären je nach Wohnungsgröße bis zu 1,5 Pkw-Stellplätze pro Wohnung nachzuweisen. Die würde den tatsächlichen Bedarf laut Wohnbau aber übersteigen. Zusätzlich zu den 0,7 Prozent sind mindestens fünf Prozent der erforderlichen Stellplätze als ebenerdige Stellplätze für Besucher nachzuweisen. Das bedeutet in der Praxis unterm Strich: mindestens 70 Prozent sind bis zur Bezugsfertigkeit der Wohnungen baulich herzustellen, alle übrigen Stellplätze für den sozialen Wohnungsbau müssen nur bei tatsächlichem Bedarf realisiert werden. Die Stadt wird diesen im Dialog mit dem Grundstückseigentümer evaluieren.
Franz Apfel regte an, in der weiteren Planung auch Brutmöglichkeiten für Mauersegler und Lebensräume für Fledermäuse zu schaffen, um im Kontext der Bebauung auch Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt zu schaffen. Der Ortsbeirat unter Vorsitz von Ingrid Schich-Kiefer (KMB) trug diesen Antrag mehrheitlich mit. Ebenfalls einig war man sich bei der Verwendung städtischer Mittel in Höhe von 1000 Euro, die in den Ortsbeiräten frei verwendet werden können: Es soll eine weitere Sitzbank für die Taunusanlage angeschafft werden.
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