Bensheim. Die geplante Wohnbebauung auf dem ehemaligen CBM-Gelände in Schönberg scheint sich zu einer Never-Ending-Story zu entwickeln. Seit sich der Schönberger Ortsbeirat im September 2013 erstmals mit der Thematik beschäftigte und sich einstimmig für die Aufstellung eines Bebauungsplans aussprach, ist daraus ein langwieriges Genehmigungsverfahren mit Hindernissen, Änderungen und Kritik geworden.
Zwar gab es im Dezember 2015 einen Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan „Seegenberg“, der ein halbes Jahr später rechtskräftig wurde, doch gebaut wurde auf dem Gelände bis heute nicht.
Aktuell wird in den Gremien die erste Änderung des Bebauungsplans beraten und es hakt nach wie vor. Da die Zeit für die Auseinandersetzung mit dem 800 Seiten starken Unterlagenpaket für den Ortsbeirat Schönberg zu kurz war und es noch viele offene Fragen gab, hatte das Gremium in seiner jüngsten Sitzung die Entscheidung verschoben.
Auch der Ortsbeirat Bensheim-Mitte hatte in seiner Sitzung am Montag das Thema auf dem Tisch und auch er monierte den zu kurzen Zeitraum für die Durcharbeit der Unterlagen. Der von Ortsbeirätin Yvonne Dankwerth (BfB) gestellte Änderungsantrag auf Zurückstellung der Beschlussfassung wurde nur von ihr selbst unterstützt. Brigitte Hamer (FWG) enthielt sich wie bei den weiteren Beschlussfassungen der Stimme.
Einstimmig fiel lediglich der Wechsel des Aufstellungsverfahrens und die Forderung nach einer dreidimensionalen Darstellung der geplanten Bebauung aus. Diese war bereits in frühen Verfahrensrunden gefordert und versprochen, aber bisher nicht umgesetzt worden.
Die mehrheitliche Zustimmung zum Beschluss über die Stellungnahmen (5 ja, 1 nein, 1 Enthaltung), zum Beschluss des Entwurfes (3 ja, 1 nein, 3 Enthaltungen) und zur erneuten Offenlage und Behördenbeteiligung (6 ja, 1 Enthaltung) verwunderte dann aber doch, da vorher einige Bedenken geäußert wurden.
So vermisste Hanns-Christian Wüstner (B 90/Die Grünen) bei der Abwägung aus der Beteiligung einige Stellungnahmen und fragte sich, ob diese bewusst weggelassen wurden. Auch sei für ihn nicht klar, warum nur 50 Prozent der möglichen Dachflächen mit PV-Anlagen ausgestattet werden sollen. Angesichts des künftigen Strombedarfs sollten eigentlich alle möglichen Dachflächen dafür in Frage kommen. Das war auch für Yvonne Dankwerth unklar, ebenso die Frage bezüglich der Dachbegrünung. Sie monierte die zu hohe Anzahl der Wohneinheiten.
Hier verwies Fatemeh Schmidt (B90/Die Grünen) auf den Wohnraumbedarf in Bensheim und die Anzahl der früheren CBM-Mitarbeiter, die ebenfalls sehr hoch gewesen sei. Laut Dankwerth seien diese Zahlen nicht vergleichbar, da es einen Unterschied zwischen Bewohnern und Mitarbeitern gebe.
Ortsvorsteher Marco Weißmüller gab zu bedenken, dass die Bebauung der Hanglage nicht günstig sei und der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum durch das neue Wohngebiet kaum abgedeckt werden könne. Bürgermeisterin Christine Klein wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass 20 Prozent der Wohnfläche für den mietpreisreduzierten Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden soll.
Einstimmig fiel im Ortsbeirat der Beschluss über die Verwendung der für kleinere Aufwendungen verfügbaren 1000 Euro. So schloss sich das Gremium einmütig dem Vorschlag von Fatemeh Schmitt für die Anschaffung einer Wellenbank an. Über den Standort soll gemeinsam mit der Verwaltung entschieden werden, aber der Stadtpark scheint dafür ein geeigneter Ort zu sein, wie die Reaktion im Ortsbeirat vermuten ließ. Nach 30 Minuten konnte Ortsvorsteher Weißmüller die Sitzung im Breuer-Sälchen des Kolpinghauses wieder schließen.
Chronologie des Bebauungsplans Seegenberg
September 2013: Der Ortsbeirat Schönberg beschließt einstimmig die Aufstellung eines Bebauungsplans. Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung fällt im Oktober 2013.
Dezember 2014: Die Ortsbeiräte Schönberg und Bensheim-Mitte beschließen den Vorentwurf und die damit verbundene Änderung des Flächennutzungsplans.
Mai 2015: Aufgrund von Einwendungen im Rahmen der Offenlage gab es Änderungen im Bebauungsplanentwurf, die eine zweite Offenlage erforderlich machten. Bezüglich der Hangsituation gab es ein geologisches Gutachten. In der Mai-Sitzungsrunde wurden die erneuten Stellungnahmen im Ortsbeirat Schönberg kritisch gesehen. Er wurde zwar nicht abgelehnt, aber nur mit zwei Ja-Stimmen bei sieben Stimmberechtigten beschlossen. Eine Gefahr des Hangrutsches wurde laut Gutachten nicht gesehen.
November 2015: Dem Ortsbeirat Schönberg ist für eine abschließende Entscheidung die Beratungszeit zu kurz, es gibt nach wie vor Bedenken bezüglich der Stabilität des Hangs.
Dezember 2015: Anfang Dezember stimmt der Ortsbeirat Schönberg dem Bebauungsplan Seegenberg zu, der Satzungsbeschluss der Stadtverordnetenversammlung folgt Mitte Dezember. 2015 wird das Gelände von der LBBW Immobilien Kommunalentwicklung gekauft.
April 2016: Der Ortsbeirat Schönberg stimmt dem zwischen Verwaltung und Investor geschlossenen städtebaulichen Vertrag zu. Ergänzt wird der Passus, hier ein Musterquartier für erneuerbare Energien zu entwickeln.
Juli 2016: Der Bebauungsplan Seegenberg ist rechtskräftig und tritt am 2. Juli in Kraft.
Januar 2017: Der Ortsbeirat wird über die erteilte Genehmigung für Abbrucharbeiten informiert. Änderungsvorschläge des Bauträgers machen eine neue Verfahrensrunde erforderlich.
Dezember 2020: Aufgrund der schwierigen Geländetopografie wird ein überarbeiteter Bebauungsplan vorgestellt. Neben einer geänderten Straßenführung und neuen Anordnung der Gebäude erhöht sich die Anzahl der geplanten Wohnungen von ursprünglich 40 bis maximal 81 Wohnungen auf jetzt 170 Wohnungen. Mit 42 Wohnungen pro Hektar liege man laut Bauträger noch unter den Vorgaben des Regionalplans mit 35 bis 50 Wohnungen. Die geänderte Planung wurde vom Bauausschuss einstimmig, vom Ortsbeirat Schönberg mit drei Ja-Stimmen und vom Ortsbeirat Mitte mit vier Zustimmungen angenommen. Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung fällt bei sieben Gegenstimmen der Grünen am 17. Dezember. Hier richtete sich die Kritik gegen die Bebauungsdichte, die sich von ursprünglich 15,3 Wohneinheiten pro Hektar auf 42,5 Einheiten verdreifacht hätte.
Juni 2021: Viel getan hat sich zwischenzeitlich nichts, stattdessen wirkte sich die Kommunalwahl 2021 auf den Zeitablauf aus. Leserbriefe und die Sitzung im Ortsbeirat Schönberg machten deutlich, dass es innerhalb der Bevölkerung massive Widerstände gegen die geplante Bebauung gibt.
Oktober 2021: In der Stadtverordnetenversammlung zeichnet sich ab, dass der Bebauungsplan keinen Bestand haben wird. Ein Termin vor Ort mit Bauausschuss, Investor und Anliegern verdeutlicht das Konfliktpotenzial.
Januar 2024: In einer Sondersitzung der Ortsbeiräte wird die im Jahr 2023 überarbeitete Planung vorgestellt. Die Bebauungsdichte wurde korrigiert, statt 170 sind jetzt 155 Wohneinheiten geplant. Die erste Änderung des Bebauungsplans befindet sich aktuell in der Offenlage. Im Juni soll die Beteiligung der Behörden und Träger öffentlicher Belange erfolgen. Die finale Beschlussfassung des geänderten Bebauungsplans als Satzung wird bis Ende des Jahres erwartet. js
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