Parktheater

Astor Piazzolla und sein neuer Tango im Bensheimer Parktheater

Von 
Felix Wolf
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„Mehr Tango geht nicht“: Cordula Sauter spürte in ihrem Programm im Parktheater dem Künstler Astor Piazzolla nach. © Zelinger

Bensheim. Ganz in schwarz gekleidet betrat Cordula Sauter am Mittwochabend die Bühne des Bensheimer Parktheaters – mit weiter Hose, lockerem Oberteil und knallrotem Schal erinnerte ihr Outfit an das eines klassischen Tango-Tänzers. Die Veranstaltung „Mehr Tango geht nicht“ fand komplett auf der Bühne des Theaters statt. Darauf waren Bistrotische aufgestellt, an denen sich jeweils vier Leute zusammen setzen konnten und von jeder Position besten Blick auf die Frau mit ihrem Akkordeon hatten.

Cordula Sauter spielte Kompositionen des argentinischen Künstlers Astor Piazzolla. Erfährt man auf Konzerten im klassischen Sinn den Künstler ausschließlich durch seine Musik, erfuhr man Piazzolla an diesem Abend zusätzlich durch seine Biografie, die Cordula Sauter zwischen den musikalischen Darbietungen vorlas und einen Überblick über das spannende Leben des Musikers gab.

Knapp 30 Leute fanden sich zu ihrer Vorstellung ein und lauschten der Künstlerin. Bevor sie an diesem Abend ihr erstes Wort sprach, ergriff sie das bereitliegende Akkordeon und wob einen dichten schweren Klangteppich. Die erste Komposition des Abends, „Oblivion“, drang düster dröhnend über die Bühne, ehe sich eine spritzig verspielte Melodie dazu gesellte, dem Klangteppich mehr Zusammenhang verlieh, kurz in ein typisches Tango-Metrum abtauchte, zwischen diesen zwei Varianten hin und her tanzte und schließlich mit der Melodie und der dröhnenden Begleitung aus den Anfangstakten zu einem Ende kam.

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Sie spielte den ganzen Abend ohne Noten, kannte die gesamten Stücke auswendig. Die Künstlerin genoss eine private Akkordeon-Ausbildung, Kurse in Schauspiel, Tanz und Clownerie, arbeitete beim „Zirkus Sapperlot“, gründete das Artistik-Theater Mixtura Unica und ist seit 2005 mit verschiedenen musikalischen Abendprogrammen auf verschiedenen Bühnen unterwegs, seit 2019 mit ihrer musikalischen Lesung über Astor Piazzolla.

Ein Leben voller Widerstände

Die Geschichte Piazzollas ist eine voller Widerstände, Traditionen und Brüchen mit ebensolchen. Als Sohn italienischer Eltern kam er 1921 in einer Stadt nahe Buenos Aires in Argentinien auf die Welt. Im Alter von vier zogen er und seine Familie nach New York, in die Bronx. Dort erlebte er seine Jugend inmitten von Prohibition, Mafiosos, illegalen Hinterzimmerwetten und Musik. Ein Nachbar spielte Klavier, wenn Astor allein war, hörte er Tango-Platten, die seinem Vater gehörten.

Mit acht Jahren erhielt er von seinem Vater ein Geschenk, das sein Leben verändern sollte: ein Bandoneon, ein dem Akkordeon ähnliches Handzuginstrument. Zweimal die Woche erhielt der Junge Unterricht, bis er mit 17 Jahren nach Buenos Aires zurückkehrte, Musik studierte, Musik schrieb und in einem Kabarett-Orchester spielte. Mit 25 leitete er sein eigenes Orchester mit den besten Tangomusikern Argentiniens. Weil man auf seine Tango-Kompositionen allerdings nicht gut tanzen konnte, war seine Musik bei Tänzern nicht sonderlich beliebt.

Zum weiteren Musik-Studium ging er in den 50er Jahren nach Paris. Er veränderte den traditionellen Tango Argentino und schuf den Tango Nuevo, den neuen Tango. In Argentinien stieß dieser auf sehr viel Widerstand. Man spuckte Astor Piazzolla an, beschimpfte ihn und drohte ihm, seiner Frau und seinen Kindern mit dem Tod. Trotz wirtschaftlicher Probleme hielt er weiterhin an seinem Tango fest. Und das zahlte sich aus.

Jazz-Liebhabern gefiel seine Musik, sie mochten die verschiedenen Einflüsse von Jazz und Klassik, die sich mit dem Tango verwoben. Auch die Erweiterung der Instrumente stießen zunehmend auf Gefallen. So brachte er E-Gitarren, Querflöten und Saxofone in seine Musik mit ein. Er feierte nach und nach internationalen Erfolge – letztlich auch in seinem Heimatland.

Cordula Sauter schaffte es in ihrem Programm, viele kleine Anekdoten aus dem Leben des Künstlers mit seiner Musik zu unterstreichen. Die Jazz- und Klassik-Einflüsse in den Stücken stechen deutlich hervor, wechseln sich mit einer strengen marschierenden Tango-Metrik ab, während die darübergelegte Melodie mal jazzig improvisierend, mal klassisch emotional und dann wieder leidenschaftlich wie ein Tango klingt. Als ein Gegner seiner Musik Piazzolla einmal sagte, dass seine Stücke kein Tango seien, antwortete dieser: „Mehr Tango geht nicht.“

Zu den großen Momenten seines Lebens spielte Cordula Sauter Stücke, die diese unterstreichen: Zu seiner in Paris getroffenen Entscheidung, seinen Tango Nuevo weiter zu verfolgen, die ihn als Künstler sehr befreite, spielte sie den „Libertango“.

Zum Tod seines Vaters spielte sie die Komposition „Adios Nonino“, die Piazzolla in einer halben Stunde komponierte. Mit einem steten leichten Lächeln auf den Lippen und geschlossenen Augen spielte Sauter Piazzollas Stücke und begleitete das Publikum durch das Leben des Komponisten.

Nach ihrem letzten Stück, „Tanti anni prima“, erhielt sie großen Beifall. Auf das Fragen nach einer Zugabe entgegnete sie lachend: „Aber kein Piazzolla, oder? Ich denke, das war jetzt erstmal genug.“ Mit einem französischen Walzer beendete sie ihr Programm.

Redaktion

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