Bensheim. Es war die Eröffnung des diesjährigen Lesefestivals und zugleich eine Premiere in den neuen Räumen der Stadtbibliothek in der Alten Gerberei. Bei allen eventuellen Unzulänglichkeiten des neuen Standorts – als Veranstaltungsort verfügt er über großen Charme. Dazu trägt neben den sichtbaren Bruchsteinmauern der Erhalt mancher Elemente des ehemaligen Varietés bei: Von zwei Ebenen aus konnten die Zuhörerinnen und auch einige Zuhörer dem Autor auf der Bühne folgen. Die Lesung war ausverkauft.
„Eine tolle Location“, lobte auch Arno Strobel, der hier am Dienstagabend seinen Thriller mit dem etwas sperrigen Titel „Welcome Home – Du liebst dein neues Zuhause. Hier bist du sicher. Oder?“ vorstellte. Zwanzig Minuten lang – „danach lässt die Aufmerksamkeit nach“ – las der vielfache Bestsellerautor den Anfang seines im August erschienenen Buchs. Da sitzt ein Synästhetiker über Zahlen und Wörtern, die dem Leser rätselhaft erscheinen, bei ihm aber heilende Wirkung entfalten. Und dann: Ines und Marco ziehen mit der vierjährigen Emilia und Labradoodle James in ihr erstes Eigenheim inmitten einer entlegenen Neubausiedlung.
Schnell taucht eine zudringliche, aber freundliche Nachbarin auf und die junge Familie fühlt sich glücklich angekommen. Doch schon in der ersten Nacht gibt es unheimliche Geräusche, der Hund knurrt aus unerfindlichen Gründen und die herausgesprungene Hauptsicherung taucht das gesamte Haus ins Dunkel. In der nächsten Nacht sieht Ines einen Schatten am Fußende des Ehebettes stehen und der Hund hat offensichtlich ein Schlafmittel verabreicht bekommen. Im Nachbarhaus hat sich etwas Schlimmes ereignet.
Was das wohl gewesen sein könnte, blieb bei der Lesung offen. Doch erzählte Arno Strobel viel über die Entstehungsbedingungen seiner Bücher, seine Ideen und seine Faszination fürs Schreiben. Die Themen sind zwar gründlich recherchiert, haben aber auch viel mit dem persönlichen Erleben des Autors zu tun. So ist Hund James im Buch ein genaues Abbild des Strobelschen Familienhundes. Und deshalb, so erzählt es zumindest der Autor, hatte seine Frau die Idee, einen Gummistempel mit dem verkleinerten Pfotenabdruck des Tiers anfertigen zu lassen – ein nahbarer Touch für die an die Lesung anschließende Signierstunde.
Der vielschreibende Autor – zwei Bücher pro Jahr - stellte auch seine neue Serie vor, die im nächsten Jahr erscheinen wird und seinen beim Publikum beliebten Ermittler Max Bischoff zumindest vorübergehend ersetzen wird. Die „Mörderfinder“-Reihe sei fürs Erste „leererzählt“, sagte Strobel, nicht ohne die Möglichkeit anzudeuten, die dort eingeführten Figuren später einmal mit neuen Charakteren zu verknüpfen.
Arno Strobel: Schon sein erster Psychothriller 2009 wurde ein Bestseller
Denn sie spielen schon in der Vergangenheit seiner neuen Hauptfiguren eine Rolle – einer sehr jungen forensischen Psychiaterin und einem Polizisten, der sich auf Cold Cases spezialisiert hat, also auf seit längerer Zeit ungeklärte Fälle, bei denen die Ermittlungen stocken. Statt körperlicher Gewalt soll in der neuen Serie stärker die psychische Gewalt eine Rolle spielen. Sein Rezept, um sich „bewusst grausame Gedanken“ machen zu können: In tiefer Nacht alle Lichter im Haus löschen und auf den Geräuschen im Haus lauschen.
Dass er sich glücklich schätzt, sein Leben mit Schreiben verdienen zu können, betonte der Autor, der zuvor rund zwanzig Jahre lang als Informatiker gearbeitet hatte, mehrfach. Zum Schreiben sei er zunächst nebenbei gekommen – als Sechzehnjähriger, der im Namen eines Kumpels einen Liebesbrief schrieb, und später als Verfasser von Reden für andere. Ende Dreißig fing er an Kurzgeschichten zu schreiben und schließlich ganze Bücher. Schon sein erster Psychothriller 2009 wurde ein Bestseller. Um das Schreiben zum Beruf zu machen, braucht es Talent, Fleiß – und sehr viel Glück, so Strobel. „Ich hatte unverschämtes Glück“, sagt er, und berichtet vom „Spaß, sich Figuren auszudenken, mit denen anderen Menschen sich vom Alltag ablenken“ können.
Ohne Sponsoring wäre auch das Bensheimer Lesefestival nicht durchführbar. Unterstützer sind neben dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur und der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen auch die Sparkasse Bensheim, HR2, Dr. F. Köhler Chemie, das GGEW, der Rotary Club Bensheim-Heppenheim und das Hotel Bacchus.
Das Lesefestival wird am Freitag mit der bereits ausverkauften „Historischen Nacht“ im Pipapo-Theater fortgesetzt. Noch Karten gibt es für die Lesung am Samstag (27.) mit Kristine Bilkau. Sie liest ab 19.30 Uhr im Eysoldt-Foyer des Parktheaters aus ihrem Roman „Halbinsel“. Weitere Informationen und Tickets unter www.stadtkultur-bensheim.de/das-lesefestival-bensheim.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-arno-strobel-autor-_arid,2330221.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.stadtkultur-bensheim.de/das-lesefestival-bensheim