Auerbach. Mit dem Konzept „Auerbach gestern, heute und morgen“ bietet der Kur- und Verkehrsverein seit 2018 regelmäßig die Gelegenheit, den größten Ortsteil zu Fuß zu erkunden und dabei große und kleine Veränderungen aus der Nähe kennenzulernen. Ein Format, das ankommt. Sowohl „Ur-Auerbacher“ wie auch Neubürger beteiligen sich an den frühabendlichen Themenrundgängen, zu denen der Vorstand mehrmals im Jahr einlädt.
Die Teilnehmer hören fachkundige Erläuterungen und Hintergrundinformationen, historische Fußnoten und persönliche Anekdoten. Im Blickpunkt stehen die bauliche und gesellschaftliche Dynamik Auerbachs und die Menschen, die dort leben und arbeiten. Geleitet und angeführt werden die Quartiers-Spaziergänge von Ralph Stühling.
Am Montag starteten erneut rund 25 Teilnehmer zu der 90-minütigen Tour, die diesmal durch den südöstlichen Bereich des Ortsgebiets führte. Ausgangspunkt war der Malepartus an der Bundesstraße 3, wo Auerbachs südliche Ecke und die Bensheimer Kernstadt aufeinandertreffen.
In Auerbach gab es einst acht Tankstellen
Durch die nach dem Schriftsteller Joseph Victor von Scheffel (1826 bis 1886) benannte Straße, der 1849 kurz in Auerbach weilte, ging es zur Lessingstraße. Unterwegs erläuterte Ralph Stühling die baulichen Entwicklungen in diesem Wohngebiet, das von altem Bestand und Neu- sowie Anbauten mit geprägt ist. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden dort neue Gebäude, die in den 50er und 60er Jahren teils neue Besitzer fanden, was zu etlichen Umbauten, Abrissen und Erweiterungen geführt hat.
Entsprechend divers zeigt sich die Architektur auf dieser Meile, die von kontrastreicher Stilistik gekennzeichnet ist – und auch so manche „Bausünde“ umfasst, wie Stühling vor Ort an konkreten Objekten erläuterte. So mancher Bebauungsplan wurde in der Vergangenheit durchaus großzügig ausgelegt. Auch das Bauvolumen hat mancher Bauherr bis zur Maximalgrenze ausgereizt.
Die Ludwigstraße war zunächst nur an ihrer östlichen Flanke bebaut. Erst später füllte sich der Streifen bis zur Darmstädter Straße, die einst allein auf der Nord-Süd-Achse in Auerbach acht Tankstellen umfasste. Heute sind es noch drei, plus einiger Elektro-Ladestellen. Unter anderem vor dem Auerbacher Weinkeller, der seit vielen Jahren nicht mehr gastronomisch betrieben wird.
Auch das Gasthaus Gambrinus, einst Restaurant und Pension, ist längst Geschichte und zur Bäckerei umfunktioniert. Das Haus Weigold stand zunächst direkt an der Durchgangsstraße und beherbergte von 1810 bis 1960 eine Weinstube, ein Restaurant und einen großen Saal. Die Betreiberfamilie gehörte zu den ältesten in Auerbach und wurde bereits im 16. Jahrhundert urkundlich erwähnt.
Im Zuge der B3-Erweiterung wurde der Komplex ab 1967 zum Abriss freigegeben, die Gastronomie wurde von der neuen Betreiberfamilie Knell fortan im hinteren Bereich des Areals weitergeführt. Damit verschwand ein markantes Auerbacher Gebäude, das 1903 nach Plänen von Heinrich Metzendorf umgebaut worden war. 1996 war auch für den Neubau Schluss. Die Gastronomie verschwand endgültig. Das Grundstück wurde komplett neu bebaut.
Das Parkhotel Krone lebt weiter. Nach dem großen Brand 1906 wurde das traditionsreiche Haus aus dem Jahr 1655 (das Restaurant trägt heute diese Jahreszahl) von Architekt Georg Metzendorf neu gebaut und ein Jahr später feierlich wiedereröffnet.
Im Auerbacher Haus wurden früher die Nächte durchgetanzt
Auch das Auerbacher Haus direkt neben der Krone war einst eine Gaststätte. Mit einer über 100 Jahre währenden Restaurant- und Hotelgeschichte hatte es den Stadtteil optisch geprägt. 1893 als Hotel errichtet, wurde das Gebäude ab 2010 denkmalgerecht saniert und auf eine multifunktionale Nutzung ausgerichtet. Heute ist es ein Firmensitz und bietet Raum für Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe. Beim Rundgang erinnerte sich so mancher noch an die Zeiten, als im Haus eine Diskothek untergebracht war.
Auch die Geschäftswelt entlang der B3 hat sich enorm gewandelt. Ehemalige Supermärkte wie Coop und HL sind verschwunden und haben die fußläufigen Einkaufsmöglichkeiten vor Ort enorm reduziert. Erst in jüngster Zeit haben zwei traditionsreiche Apotheken die Rollläden zugemacht.
Ein besonderes Augenmerk richtete Ralph Stühling auf das heutige Restaurant Holzwurm, wo sich nicht nur Kinder in den 70er Jahren scharenweise zum Eisessen getroffen haben. Christian Ritsert, 1980 verstorben, war in der Region als „Eis-Christel“ bekannt. Laut Stühling lockte aber nicht nur die cremige Erfrischung zu dieser besonderen Adresse, sondern auch ein mediales Großereignis: die Westernserie Bonanza. Und zwar auf dem Farbfernseher.
Vorbei am ehemaligen Areal des Hotels „Zum Löwen“ (2010 waren drei neue Wohngebäude fertiggestellt) stoppte die Tour an einem 2600 Quadratmeter großen Gebiet zwischen Darmstädter Straße und Franz-Schubert-Straße.
Dort sollen Mehrfamilienhäuser zur Schaffung von innerstädtischem Wohnraum als bauliche Nachverdichtung entstehen. Weitere Gebäude im Bestand sollen aufgestockt werden. Die Planung ist aktuell Thema in der Stadtverordnetenversammlung Der Beschlussvorschlag wurde im Auerbacher Ortsbeirat jüngst einstimmig befürwortet.
Vorbei an der 1982 angelegten Grünfläche, wo bis zum Umzug in den Kronepark die Auerbacher Kerb beheimatet war, ging es abschließend zum 1976 gebauten Brunnen vor der Schlossbergschule, der in den letzten Jahren saniert wurde. Nur das Wasser läuft noch nicht.
Am Schlossplatz befindet sich ein Denkmal, das der Kur- und Verkehrsverein gemeinsam mit der Stadt Bensheim anlässlich des 100. Geburtstags der Heimatdichterin Mina Katzenmeier hat setzen lassen. In diesem Jahr jährt sich ihr Geburtstag zum 125. Mal.
Um ihr Werk angemessen zu würdigen, hat der Verein das Mina-Katzenmeier-Jahr ausgerufen. Ralph Stühling erinnerte an die Auerbacherin, die am 3. November 1899 geboren wurde und als Auerbacher Original gilt.
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