Auerbach. Mit dem Titel „Mobiles Bensheim 2040“ hat die Stadtverordnetenversammlung im Dezember 2022 die Erstellung eines Mobilitätskonzeptes beschlossen und ein knappes Jahr später den Auftrag dafür vergeben. Die Stadt stellt dafür über einen Zeitraum von vier Jahren 250.000 bis 300.000 Euro zur Verfügung.
Kernpunkt soll die Erstellung eines Verkehrsmodells sein. Dieses soll ermöglichen, digital Veränderungen zu simulieren und somit Auswirkungen potenzieller Maßnahmen zu erkennen, bevor diese umgesetzt werden. Außerdem soll das Konzept mit breiter Beteiligung erstellt werden. Vorgesehen sind in den kommenden Jahren unter anderem Haushaltsbefragungen zum Mobilitätsverhalten und Bürgerforen, so dass Wünsche eingebracht werden können.
Ergebnisse der Umfrage zur aktuellen Verkehrssituation wurden vorgestellt
Die Erstellung des Mobilitätskonzepts soll in sechs Phasen erfolgen, wovon mit der Information der politischen Gremien und der Auswahl des Planungsbüros die Phase 0 bereits abgeschlossen ist. Es folgen die Analyse der Ist-Situation, die Erarbeitung verkehrspolitischer Leitbilder mit den Wünschen der Bevölkerung, die Definition von Entwicklungsszenarien, ein Handlungs- und Maßnahmenkonzept und schließlich die Priorisierung der Maßnahmen mit einem Umsetzungskonzept. Mit der Fertigstellung wird bis 2027/2028 gerechnet.
So lange will die SPD Auerbach/Hochstädten aber nicht warten, und ist in eigener Sache aktiv geworden. Mit dem Verteilen von 2000 Handzetteln, Presseveröffentlichungen und der Nutzung der digitalen Medien startete sie im Februar mit einer Umfrage zur aktuellen Verkehrssituation in Auerbach einen Bürger-Dialog Verkehr, dessen Ergebnisse am Donnerstag in der Auerbacher TSV-Gaststätte „Weiherhaus“ vorgestellt wurden.
Dazu hatten sich auch einige interessierte Bürgerinnen und Bürger eingefunden, die vom Ortsbezirksvorsitzenden Jürgen Kaltwasser begrüßt wurden. Er hätte sich wohl eine größere Resonanz gewünscht, aber er weiß auch, dass es schon Veranstaltungen mit weniger Publikum gab. Doch denen, die gekommen waren, war das Thema nicht nur wichtig, sie machten im Verlauf der Diskussion deutlich, dass es in Auerbach dringenden Handlungsbedarf gibt und dass sie das Gefühl haben, die Politik macht nichts.
Bensheim sei eine "Auto-Stadt", Fahrradfahrerinnen und -fahrer seien im Nachteil
Als ein zentraler Kritikpunkt kristallisierte sich bei der Veranstaltung der Bereich Saar- und Schillerstraße in Zusammenhang mit Schule und Kindergarten heraus. Hohes Verkehrsaufkommen, zu hohe Geschwindigkeit, das Überfahren der roten Fußgängerampel und das permanente Überfahren des Bürgersteigs, um im Kreuzungsbereich zur B 3 möglichst schnell die rechte Abbiegespur zur erreichen, waren massive Kritikpunkte. Wünsche, das Überfahren der ohnehin schmalen Bürgersteige durch Aufstellen von Pollern oder ähnlichem zu verhindern, seien bislang nicht erhört worden.
Deutlich wurde in der Diskussion, dass Bensheim eine „Auto-Stadt“ sei und Radfahrer wie Fußgänger im Nachteil seien. So wunderte es auch nicht, dass als eines der von Ralph Stühling präsentierten Ergebnisse der Ausbau des Radwegenetzes die höchste Zustimmungsrate mit insgesamt 80 Prozent erhalten hatte. Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang auf die gewünschte Radwegeverbindung zwischen Auerbach und Hochstädten, für die eine Machbarkeitsstudie vorliegt. Hinsichtlich der Priorität der Maßnahmen ist vor 2027 mit einer Umsetzung nicht zu rechnen.
Überrascht hatte den SPD-Kommunalpolitiker und ehrenamtlichen Stadtrat vor allem, dass beispielsweise der Wunsch nach weiteren Tempo 30-Zonen nur von 46 Prozent der Teilnehmenden gewünscht wurde, obwohl das Problem der zu hohen Geschwindigkeit von 56 Prozent gesehen wird.
SPD fordert mehr Mut bei Ausweisung von Tempo-30-Zonen
In Auerbach gebe es nur noch vier Straßen, die keine Geschwindigkeitsbeschränkung hätten, so Stühling. Der vom Ortsbeirat Auerbach gefasste Beschluss, die Saarstraße und den Brückweg entsprechend temporeduziert auszuweisen, könne seitens der Stadt nicht umgesetzt werden, da ein entsprechender Gesetzesvorschlag, der für Gemeindestraßen den Kommunen die Entscheidung überlässt, im Bundesrat abgelehnt worden sei.
Jürgen Kaltwasser sprach hier von einem „Zielkonflikt zwischen Rechtslage und gesundem Menschenverstand“ und wünschte sich etwas mehr Mut seitens der Kommunalverwaltung. Ein generelles Problem bei der Verkehrsplanung in Bensheim sah Stühling in den Fehlern der Vergangenheit. Mangels eines Gesamtkonzeptes gebe es ein Flickwerk von Einzelmaßnahmen, die geheilt werden müssten. Ein Problem, das fortgeführt werde, so Stühling mit Hinweis auf die Entwicklung des neuen Wohngebietes auf dem Sanner-Gelände.
Architekt Sanjin Maracic sah das Problem noch grundsätzlicher. „Wie groß soll die Stadt werden?“ stellte er die Frage nach den Wachstumsgrenzen. Erst wenn man wisse, wohin man wolle, könne auf dieser Basis zukunftsorientiert geplant werden.
Nur wenig Interesse an der Schaffung neuer öffentlicher Parkplätze
Neben der hohen Erkenntnis (65 Prozent), dass es in Auerbach zu viel Verkehr gibt, sehen auch über die Hälfte der Umfrageteilnehmer (58 Prozent) das Problem der überall fehlenden Parkplätze. Ein nach wie vor ungelöstes Problem ist hier die Bachgasse mit der Touristenattraktion Fürstenlager, die insbesondere an Wochenenden zu katastrophalen Parksituationen führt. Seitens der Schlösserverwaltung/Land Hessen als Eigentümer gibt es diesbezüglich keine Unterstützung, zumal sie auch keine Parkplätze nachweisen müsse.
Vor diesem Hintergrund überrascht allerdings das Umfrageergebnis bezüglich der Schaffung zusätzlicher öffentlicher Parkplätze. Nur 38 Prozent zeigten dafür hohes bis sehr hohes Interesse, 62 Prozent sahen dagegen nur geringe bis sehr geringe Chancen.
Ähnlich gewichtet war das Ergebnis beim Thema Shuttle-Bus, der nach Auffassung der Anwesenden aber auch „schlecht beworben“ war. Der 2019 angebotene Pilotversuch war mit einer schlechten Bilanz und nach der Corona-Pandemie eingestellt worden. Die Stadt hatte das Projekt rund 32.000 Euro gekostet, es wurden insgesamt 423 Fahrgäste transportiert. Rechnerischer Ticketpreis pro Fahrgast: 75,65 Euro.
Die Ergebnisse der Auerbacher Verkehrsumfrage sollen der Verwaltung und dem Planungsbüro zur Verfügung gestellt werden.
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