Bensheim. Zu den vorweihnachtlichen Traditionsterminen gehört seit vielen Jahrzehnten die geistliche Abendmusik am ersten Advent in der Michaelskirche. Mit „Schwingt freudig euch empor“ BWV 36 stand bei der aktuellen Ausgabe am Sonntag eine der längsten und zugleich schönsten Bach-Kantaten auf dem Programm.
Der vor allem in Sinsheim tätige junge Kirchenmusiker Thomas Braun leitete als Vertreter des erkrankten Dekanatskantors Christian Mause die rund 30-köpfige Kantorei Bensheim und das durch zwei Oboen markant verstärkte Kammerorchester Camerata Michaelis.
Von den zahlreichen Besuchern ausgiebig mitgesungen wurden die zwischen den beiden Kantatenteilen eingeschobenen Adventslieder „Macht hoch die Tür“, „Wie soll ich dich empfangen“, „Tochter Zion“, „O komm, o komm, du Morgenstern“ und „Seht, die gute Zeit ist nah“. Eingebunden war ebenfalls ein mit weiteren Liedern hervortretender kleiner Kinderchor. Pfarrer Markus Keller übernahm die kurzen liturgischen Wortbeiträge.
Der Komponist selbst hat seine Kantate BWV 36 wohl besonders geschätzt: Neben drei weltlichen Fassungen (mit Titeln wie „Steigt freudig in die Luft“ oder „Die Freude reget sich“) schuf er auch noch eine geistliche Adventsversion, die am 2. Dezember 1731 in der Leipziger Thomaskirche uraufgeführt wurde. Umtextiert aus der ursprünglichen Glückwunschkantate wiederverwendet finden sich darin insgesamt fünf Nummern (Eingangschor plus vier Arien).
Neu dazu kamen statt der Rezitative drei unterschiedliche Vertonungen des Chorals „Nun komm, der Heiden Heiland“ und die sechste Strophe von „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ als Schlusschoral. Bachs ebenso vielfältige wie kunstvolle Verschmelzung von bereits existierendem und frisch komponiertem Material lässt sich also gerade an diesem Werk besonders schön ablesen. Letztlich schien ihm aber immer die geistliche Fassung am wichtigsten zu sein.
Beeindruckend konzentriert bot die in Sachen Bach bekanntlich sehr erfahrene und darüber hinaus von Thomas Braun offenbar exzellent vorbereitete Kantorei den anspruchsvollen D-Dur-Kopfsatz „Schwingt freudig euch empor“. In ihrer unaufdringlichen Schlichtheit gut getroffen waren die zentrale Choralbearbeitung „Zwingt die Saiten in Cythara“ und der knappe Finalsatz „Lob sei Gott, dem Vater, getan“.
Unter den Solisten ragte vor allem der in Mannheim studierende englische Nachwuchstenor Stephen Matthews heraus, der sich in den ebenso feingliedrig beseelten wie blitzsauber artikulierten h-moll-Stücken „Die Liebe zieht mit sanften Schritten“ und „Der du bist dem Vater gleich“ als perspektivenreicher Bach-Sänger vorstellte. Ihn möchte man gerne bei einschlägigen Gelegenheiten häufiger hören. Silke Winklers wunderbar bewegliche Sopranstimme gefiel sowohl in der federleicht jubilierenden G-Dur-Soloarie „Auch mit gedämpften schwachen Stimmen“ als auch im besonders aparten fis-moll-Duett „Nun komm, der Heiden Heiland“ – hier an der Seite der ähnlich sensiblen Altistin Nicole Schumann.
Komplettiert wurde das Solistenquartett durch den souveränen Bassisten Peter Maruhn, der mit seiner sonoren D-Dur-Arie „Willkommen, werter Schatz“ beredte Ausdruckswärme verströmte.
Der herzliche Schlussapplaus des Publikums in der Bensheimer Michaelskirche gebührte nicht zuletzt dem präzise und lebendig begleitenden Orchester, dessen delikat präsentes Oboenduo ein Sonderlob verdiente.
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