Was für ein genussvoller, vielfarbiger Konzertabend der Konkordien-Kantorei! Leiterin Heike Kiefner-Jesatko hat wieder einmal aus einem wohldurchdachten Programm ein funkelndes Juwel erarbeitet. Unter dem Titel „O Magnum Mysterium – O Heiland reiß die Himmel auf“ entwickelt sie in der Konkordienkirche mit ihrem homogenen Gesangsensemble ein wirkungsvoll abgestimmtes Zusammenspiel mit dem preisgekrönten 20-jährigen Cellisten Lionel Martin.
Dieser setzt verschiedene Akzente mit bewegenden, meditativen Solostücken: der siebensätzigen Suite Nr. 2 d-Moll Johann Sebastian Bachs und dem „Capriccio per Siegfried Palm“ von Krzysztof Penderecki. Beide zählen in Schwierigkeitsgrad und Ausdrucksstärke zu ranghöchster Cello-Literatur. Besonders Pendereckis experimentelles Werk ist eine Herausforderung: Tremolo, Vibrato, Streichen auf dem Saitenhalter oder Klopfen auf die Holzdecke des Instruments. Sensibel und fokussiert auf die unorthodoxe Spieltechnik präsentiert Lionel Martin sein persönliches Herzensstück.
Der Cellist ist auch wesentlicher Bestandteil des ätherischen Chorwerks „Serenity“ des Norwegers Ola Gjeilo, das er beherzt und mit gefühlvollem Bogenstrich führt. Der Chor beeindruckt hier durch seine energiereiche Klarheit und Dichte. Obwohl rund 60 Sängerinnen und Sänger vor dem Altar stehen, gewinnen die Zuschauer den Eindruck, als höre es ein Ensemble von gerade einem Dutzend Stimmen zu, so fein und intim klingt dieses zu Anfang düstere, später immer hoffnungsfroher klingende Werk.
Heike Kiefner-Jesatko hat den Abend thematisch um das frühbarocke Lied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ gruppiert. Mehrere Variationen sind an diesem Abend zu hören und markieren den Kern seiner religiösen Botschaft. Zum Auftakt die üppig melodiöse Version von Johannes Brahms, zum Abschluss das titelgebende „O Magnum Mysterium“ des Amerikaners Morten Lauridsen, in dem der Chor die ineinander geschichteten Melodiewellen spielerisch und gekonnt vereint. Alle Stimmgruppen sind auf dem gleichen elaborierten Niveau. Einsätze, Artikulation und Dynamik sind durchgehend stimmig.
Diese Qualität ist auch Voraussetzung für die Intonation von Arvo Pärts „Magnificat“. Hier bewegen sich Harmonie als auch Melodie sieben Minuten um die Achse weniger Akkorde, aus Reibungen werden die Melodielinien sanft gepuffert zusammengeführt. Die besondere Kompositionstechnik des estnischen Komponisten ist eine Herausforderung, die nicht viele Chöre bewältigen. Die Konkordien-Kantorei bringt dieses Werk so zum Klingen, dass es wie aus dem ewigen Universum geschickt zu sein scheint.
Der andächtige adventliche Grundton schwingt wie selbstverständlich über die ganzen 90 Minuten mit. Durchgehend spürbar die Handschrift der musikalischen Leiterin. Heike Kiefner-Jesatko gibt dann noch Lionel Martin mit seiner tief empfunden Cello-Komposition des titelgebenden Adventsliedes Platz. Der Solist ist als Teil des Konzertabends nicht nur prominentes Glanzlicht, sondern Teil eines gewollten Ganzen. Kiefner-Jesatko selbst steuert ein eigenes „O Heiland, reiß die Himmel auf“ bei. Was aus dem Publikum als zunächst nicht identifizierbares Stimmengewirr des Chores aus dem Altarraum hervorwispert, wird bald als kompositorisch überzeugender Kniff wahrnehmbar und wächst wieder zur schlichten Liedform zurück.
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