Kunstfreunde Bensheim

Üppige Konzertlesung als Hommage

Boulanger Trio, Ulrich Noethen und Hans von Trotha präsentierten Texte von Laurence Sterne und eine begleitende Musikauswahl

Von 
Klaus Ross
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Das Boulanger Trio gestaltete mit Ulrich Noethen und Hans von Trotha (r.) im Parktheater eine Konzertlesung mit Texten des Schriftstellers Laurence Sterne. © Jürgen Strieder

Bensheim. Satte 130 Minuten Spielzeit für einen ganz besonderen Mix aus Musik und Literatur: Um den exzentrischen englischen Autor Lawrence Sterne (1713 – 1768) ging es beim vierten Saisonkonzert der Kunstfreunde Bensheim im gut gefüllten Parktheater. Präsentiert wurde die ausgedehnte Soiree vom Boulanger Trio (Karla Haltenwanger/Klavier, Birgit Erz/Violine, Ilona Kindt/Violoncello), dem Schauspieler Ulrich Noethen und dem in Sachen Sterne bestens ausgewiesenen Kulturpublizisten Hans von Trotha.

Beim launigen Einführungsgespräch mit Hans Hachmann im Gertrud-Eysoldt-Foyer bezeichnete von Trotha Ulrich Noethen als eigentlichen Initiator der Zusammenarbeit; Sternes „extrem musikalisch“ geschriebener und insofern „wie eine Partitur“ anmutender Text sei geradezu „zum Vorlesen gemacht“. Auch die Pianistin und die Geigerin schwärmten vom unverwechselbaren Sterne-Stil, der sie zu einer entsprechend unkonventionellen Musikauswahl inspiriert habe.

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Tatsächlich bot die Textkollektion aus dem skurrilen Monumentalroman „Leben und Ansichten von Tristram Shandy“ sowie dem eher lyrischen Nachfolgewerk „Yoricks empfindsame Reise durch Frankreich und Italien“ mannigfaltige Beispiele für Sternes erfrischende Originalität. In seiner lustvoll über alle Genretraditionen hinweg schweifenden Buntscheckigkeit wurde gerade der mit poetischen Selbstreflexionen, philosophischen Abschweifungen und humoristischen wie lasziven Episoden gespickte „Tristram Shandy“ zum Vorbild der literarischen Moderne – verehrt und bewundert von unzähligen prominenten Kollegen.

Für Goethe etwa war Sterne „der schönste Geist, der je gewirkt hat“, für Nietzsche schlicht „der freieste Schriftsteller aller Zeiten“. Sterne selbst übrigens empfahl sein Werk als „ein sorglos gemachtes, artiges, unsinnvolles, gut gelauntes Buch, das allen Ihren Herzen gut tun wird. Und auch allen Ihren Köpfen – vorausgesetzt, Sie verstehen es“.

Als Rezitator eine Klasse für sich

Ulrich Noethens Bensheimer Auftritt lieferte den Beweis, dass der gebürtige Münchner (Jahrgang 1959) besonders als Rezitator nach wie vor eine Klasse für sich ist. Melodiöser rhythmisiert und feinsinniger akzentuiert schienen die herrlich ungezügelt fabulierenden Texte des schreibenden Landpfarrers aus Yorkshire kaum vorstellbar. Als entspannter Dialogpartner auf der Bühne steuerte Hans von Trotha nicht nur spritzige Kommentare bei, sondern auch amüsante Details aus dem durchaus recht schillernden Leben von Lawrence Sterne. Etwas mehr Straffung allerdings wäre der Textauswahl wohl gut bekommen, ohne Dramaturgie und Ausdruckskraft des Abends nennenswert zu beeinträchtigen.

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Ähnliches galt für den musikalischen Programmanteil, bei dem ausschließlich Einzelsätze und sogar diese nicht immer vollständig gespielt wurden. Direkt an Sternes Zeit erinnerte nur eine Händel-Miniatur („Affettuoso“-Kopfsatz aus der späten D-Dur-Sonate HWV 371), indirekt immerhin Arvo Pärts 1992 entstandenes „Mozart-Adagio“ über das wunderbare f-Moll-Adagio aus dessen F-Dur-Klaviersonate KV 280. Bedauern mochte man vor allem, dass gerade die komponierenden Originale der Empfindsamkeitsepoche wie etwa Carl Philipp Emanuel Bach unberücksichtigt blieben.

So gab es viel gefällig zubereitete Romantik von Schumann (aus den Fantasiestücken opus 88 und dem d-Moll-Trio opus 63), Schubert (c-Moll-Andante D 929 und Es-Dur-Notturno D 897) sowie aus der Feder der allzu wenig bekannten französischen Komponistin Mel Bonis („Soir“ opus 76/1 von 1907).

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Zur Hochform lief das gewohnt makellos harmonierende Boulanger Trio besonders bei seinen bestens zu Sternes Exzentrik passenden übrigen Ausflügen ins 20. Jahrhundert auf: zündend die rhythmische Verve der Rahmensätze aus Frank Martins „Trio sur des mélodies populaires irlandaises“ (1925), erquickend der freche Witz des als übermütige Folksong-Collage daherkommenden Scherzo-Mittelsatzes aus Charles Ives‘ einzigem Klaviertrio (1904), spannend die vergleichbar provokative Lakonie dreier Ausschnitte aus Mauricio Kagels erstem Klaviertrio von 1985.

Appetit auf diese höchst individuellen Raritäten machten die ideenreichen Boulanger-Damen allemal. Am Ende eines langen Abends stand verdienter großer Beifall für alle fünf Sterne-Enthusiasten.

Freier Autor Besprechung klassischer Konzertveranstaltungen seit über drei Jahrzehnten (darunter als Schwerpunkte das umfangreiche regionale Kirchenmusikangebot sowie die renommierten Kammermusikreihen der Kunstfreunde Bensheim und von Forum Kultur Heppenheim)

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