Kommentar Bezahlkarte in Mannheim: Die Kommunen bleiben die Getriebenen

Mannheim und Heidelberg führen schrittweise die Bezahlkarte für Geflüchtete ein. Das Land spricht von einem Erfolg, der Aufwand vor Ort ist hoch. Größer könnte die Diskrepanz kaum sein, kommentiert Sebastian Koch.

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Sebastian Koch
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Mannheim. Es klingt einfach: Geflüchtete bekommen statt Bargeld eine Bezahlkarte, mit der sie einkaufen und kleinere Beträge abheben können. Weniger Bürokratie, mehr Kontrolle, weniger Missbrauch – so lautet die politische Erzählung. Doch was auf dem Papier so geradlinig erscheint, erweist sich in der Praxis alles andere als einfach.

Mannheims Sozialdezernent hält die Karte für das falsche Signal – und hat Argumente dafür. Integration gelingt nicht, wenn der Alltag komplizierter wird. Wer mit einer Bezahlkarte und kaum Bargeld auf dem Flohmarkt oder in Second-Hand-Shops einkaufen will, wird schnell feststellen, dass das nicht Teilhabe, sondern Ausgrenzung bedeutet. Genau darin liegt das Problem: Ein Instrument, das Sicherheit und Übersicht schaffen soll, verstärkt das Gefühl, auf Distanz gehalten zu werden.

Gleichzeitig muss man die andere Seite sehen: Die Einführung der Bezahlkarte ist kein Zufall. Sie ist Ergebnis einer bundespolitischen Stimmung, in der Migration in Sozialsysteme stark umstritten ist und das Land gesellschaftlich wie politisch an Grenzen stößt. Bund und Länder haben nachvollziehbarerweise nach einer Lösung gesucht, dass Leistungen hierzulande nicht ins Ausland fließen und Missbrauch erschwert wird. Ja, es gibt Fälle, in denen Gelder zweckentfremdet wurden. Der Staat muss Regeln setzen und die Auszahlung kontrollieren. Denn das Geld dient dazu, den Menschen hier vor Ort zu helfen. Die Frage aber bleibt, ob der gewählte Weg trotzdem der richtige ist.

Während das Ministerium von einer „geräuschlosen Einführung“ spricht, berichten Städte von erheblichen Hürden. Die Diskrepanz könnte größer kaum sein.

Denn während Bund und Land den Nutzen der Karte betonen, bleibt der Aufwand an den Kommunen hängen. In Mannheim müssen acht Angestellte mehr als 1.100 Menschen auf das System umstellen – mit persönlichen Gesprächen, technischer Begleitung, zahllosen Freigaben. Gleichzeitig haben Rathäuser nahezu keine Spiel- und Gestaltungsräume.

Genau darin liegt das Problem: Die Politik beschließt ein Modell, das Verwaltungen vor Ort unter Druck umsetzen müssen – und erklärt es zugleich zum Erfolgsmodell. Während das Ministerium von einer „geräuschlosen Einführung“ spricht, berichten Städte von erheblichen Hürden. Die Diskrepanz könnte größer kaum sein.

Dass Mannheim und Heidelberg diese Politik nun umsetzen müssen, obwohl sie deren Sinn teils infrage stellen, zeigt: Kommunen bleiben Getriebene, während die große Politik die Schlagzeilen macht. Und die Menschen, um die es eigentlich geht, stehen am Ende an der Kasse und merken, dass ihre Karte nicht funktioniert.

Redaktion Reporter in der Lokalredaktion Mannheim & Moderator des Stotterer-Ppppodcasts

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