Der neue Film

„Bugonia“: Intensiver Sci-Fi-Thriller mit Emma Stone

Für Yorgos Lanthimos‘ neuestes Projekt lässt sich eine kahlgeschorene Emma Stone in einen Keller einsperren und foltern. „Bugonia“ ist eine böse Öko-Mär.

Von 
Gebhard Hölzl
Lesedauer: 
Im Keller der Paranoia: Emma Stone als Michelle in „Bugonia“ (undatierte Filmszene). © Atsushi Nishijima/Universal/dpa

Er ist ohne Zweifel zur Zeit Hollywoods „hot property“, wird von Produzenten und Studios umworben: Yorgos Lanthimos, geboren 1973 in Athen, ausgebildet an der Stavrakos Film School. Sein zweiter Spielfilm „Dogtooth“ wurde 2009 auf dem Filmfestival von Cannes in der Reihe „Un Certain Regard“ mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Für sein gemeinsam mit Efthymis Filippou verfasstes Skript zu „The Lobster“ gewann er 2015 den Europäischen Filmpreis.

Ein weiterer Drehbuchpreis folgte 2017 in Cannes für „The Killing of a Sacred Deer“. 2019 wurde der Regisseur, Kopf der „Neuen Griechischen Welle“, für sein Historiendrama „The Favourite – Intrigen und Irrsinn“ in den Sektionen „Bester Film“ und „Beste Regie“ jeweils für einen Oscar nominiert. Und das ist nur eine Auswahl der inzwischen mehr als 70 Preise, die Lanthimos bislang entgegennehmen durfte. Nicht zu vergessen der Goldene Löwe von Venedig und der Golden Globe Award, Kategorie Komödie/Musical, für seine letzte Arbeit „Poor Things“.

Der Mann, gleichermaßen Publikums- wie Festival- und Kritikerliebling, besitzt ein feines Gespür dafür, was Kinogänger weltweit sehen wollen und Jurys für auszeichnungswürdig halten. Interessant dabei ist, dass der vielseitige Künstler, der zudem als Darsteller, Cutter und Produzent beim Theater, in der Werbung und für die Leinwand tätig ist, stets Sehgewohnheiten unterläuft, sich immer wieder neu erfindet und sich versiert zwischen den Genres bewegt, die er obendrein eigenwillig interpretiert.

Remake des südkoreanischen Films „Save the Green Planet!“

Bereits zum vierten Mal brilliert Emma Stone – man kann, muss, sie als seine Muse bezeichnen – unter Lanthimos' Regie; zum zweiten Mal – nach dessen Dreifachrolle in „Kinds of Kindness“ – ist Jesse Plemons bei ihm mit von der Partie. Sie gibt Michelle, knallharte Chefin eines Pharmakonzerns, er den verlorenen Bienenzüchter und Verschwörungstheoretiker Teddy, der sie mit Unterstützung seines devoten, nicht besonders hellen Cousins Don (Aidan Delbis) entführt. Der ist davon überzeugt, dass sie eine Außerirdische ist, die Anführerin von Aliens, die planen, die Menschheit auszulöschen. In einem einsam gelegenen, schäbigen Haus in Georgias Wäldern hält er sie fest, will sie zwingen, ihm ihren sinistren Plan zu gestehen, und sie dann zum Wohl der Welt töten.

Emma Stone



Bereits als Elfjährige war Emma Stone auf der Bühne des Valley Youth Theatre in Phoenix, Arizona, in „The Wind in the Willows“ zu sehen. Bis zu ihrem 15. Lebensjahr spielte sie Theater.

2004 zog die 1988 in Scottsdale, Arizona, geborene Schauspielerin mit ihrer Mutter nach Los Angeles, wo sie zu Hause unterrichtet wurde.

Erste Rollen landete Emily Jean Stone beim Fernsehen, in Serien wie „Malcolm Mittendrin“, ehe sie 2007 neben Jonah Hill in der Teen-Komödie „Superbad“ ihr Leinwanddebüt gab.

Nach Parts in Filmen wie „Der Womanizer“ oder „Zombieland“ gelang ihr 2010 in „Einfach zu haben“ der Durchbruch.

Seitdem ist sie in Boxoffice-Hits wie „The Amazing Spiderman“ oder „Birdman“ ebenso präsent wie bei Arthouse-Produktionen wie „The Help“ oder „Kinds of Kindness“ und außerdem als Produzentin – siehe „Bugonia“ – tätig.

Mehr als 110 Filmpreise hat sie bislang erhalten, darunter Oscars für ihre Hauptrollen in „La La Land“ und „Poor Things“.

Von 2011 bis 2015 war das It-Girl mit schwedisch-deutschen Wurzeln mit Andrew Garfield liiert, 2020 hat sie den Regisseur und Drehbuchautor Dave McCary geheiratet. Ihre Tochter Louise Jean kam 2021 zur Welt.

„Bugonia“ ist ein Thriller, eine schwarze Komödie, angesiedelt nah an unserer Zeit, in der Fake News zum Alltag gehören, Chemtrails, sprich angeblich absichtlich vergiftete Kondensstreifen, bei Teilen der Bevölkerung für Angst und Schrecken sorgen und selbst gebastelte Aluminiumhüte vor gefährlichen Strahlen schützen sollen.

Der Titel bezieht sich auf den in der Antike entstandenen Glauben, dass Bienen aus den Kadavern von Rindern oder anderen toten Tieren entstehen. Der Film ist also auch eine Reinkarnations- und Öko-Mär, ein Remake der südkoreanischen Science-Fiction-Komödie „Save the Green Planet“ (2003) von Jang Joon-hwan, zu dem Ausnahmeautor Will Farley („Succession“) das bitterböse, wendungsreiche Skript geschrieben hat.

Michelles Alltag wird zunächst beschrieben. Mit schweißtreibendem Workout und Schwimmen wird gestartet, dann ins schicke, Business-mäßige Outfit geschlüpft. High Heels sind Pflicht. Im schwarzen Benz-SUV geht’s zur Arbeit. Nebenbei wird telefoniert. Delegiert. Im Büro wartet die effiziente Sekretärin.

Derweil kümmert sich Teddy – Baumwollhemd, wirres rotes Haar, ungepflegter Bart – um seine Bienen. Klärt Don im Hochsicherheitsheim über die drohende Invasion auf.

Zwei (Werte-)Welten – Powerfrau kontra Hinterwäldler – treffen aufeinander, nachdem Teddy Michelle eingesperrt, sie an ein Bett gekettet und das Haar geschoren hat. Dann wird diskutiert. Um die Macht gerungen. Unter Zeitdruck: weil bei der kurz bevorstehenden Mondfinsternis die Kontaktaufnahme zum Mutterschiff vom Planeten Andromeda stattfinden soll.

Mehr zum Thema

Der neue Film

Marvel lässt grüßen: So ist Guillermo del Toros „Frankenstein“

Veröffentlicht
Von
Gebhard Hölzl
Mehr erfahren
Der neue Film

„Franz K.“: Ein Film wie ein kaleidoskopartiges Puzzle

Veröffentlicht
Von
Gebhard Hölzl
Mehr erfahren
«Avatar: Fire and Ash»

Miley Cyrus schreibt «Avatar»-Song: «persönlich betroffen»

Veröffentlicht
Von
dpa
Mehr erfahren

Es ist eine Versuchsanordnung. Wem soll man glauben? Automatisch schlägt man sich auf die Seite der rationalen, unsympathischen Michelle, während man innerlich doch eher zum getriebenen Underdog hält. Immer mehr spitzt sich die Lage zu – und mit ihr die Gewalttätigkeiten. Es wird gefoltert. Das alltägliche Hier und Jetzt im Kellergefängnis, nichts anderes als der globale Wahnsinn der Gegenwart. Passend „schmutzige“ Bilder liefert Kameramann Robbie Ryan („Tornado“), ehe es zum Schluss pastoral wird. Nach einem verwegenen, verrückten, Angst einflößenden Kniff, einem Twist, der die ganze Geschichte kurzerhand auf den Kopf stellt. Weil der blutige Streit zwischen den beiden groß aufspielenden Protagonisten plötzlich Sinn ergibt. Ob in Sachen Innovation, Story, Schauspielerführung oder Wahl des Stoffes: Lanthimos beweist erneut, warum er zu den Großen seiner Zunft zählt.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke