Heimkino

Serienkiller, Royals, Filmikonen - unsere Streaming-Vorschau für November

Filmexperte Gebhard Hölzl beobachtet, dass der True-Crime-Trend sich in den Streaming-Diensten verlängert, ähnlich wie die Biopic-Welle _ und Fans von "The Crown" dürfen sich auf die fünfste Staffel freuen

Von 
Gebhard Hölzl
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Längst nur noch zum Schein eine glückliche künftige Königsfamilie (v. l.): der heutige König Charles (Dominic West), Sohn Harry (Teddy Hawley), Prinzessin Diana (Elizabeth Debicki) und der aktuelle Thronfolger William (Timothee Sambor). © Keith ernstein/Netflix

Nach zwei schwachen Quartalen hat Netflix auf der Erfolgsspur zurückgefunden. Die Krise scheint überwunden, das Unternehmen gab bekannt, im dritten Quartal 2,41 Millionen Abonnenten hinzugewonnen zu haben - ein unerwartetes Plus, war der Streamer doch in seiner Prognose von „nur“ einer Million ausgegangen. Insgesamt bedeutet dies, Stand Ende September 2022, 223,09 Millionen Kunden weltweit. Rekord!

Am Erfolg maßgeblich beteiligt war sicherlich die Serie „Dahmer“ (seit 21. September), die sich als bis dato fünfterfolgreichste Netflix-Produktion entpuppte. In zehn Folgen werden Leben und Tod des titelgebenden Serienkillers nachgezeichnet. Highlight ist definitiv die erste Episode, in der im Juli 1991 der damals 31-jährige Jeffrey Dahmer, emotionslos und eisig von Evan Peters gespielt, in seiner Wohnung in Milwaukee verhaftet wird. Für die atmosphärische, an den Nerven zerrende Regie zeichnet Carl Franklin („Teufel in Blau“) verantwortlich, das exzellente Drehbuch stammt von Ryan Murphy und Ian Brennan, die schon bei „Hollywood“ (Netflix) oder „Glee“ (u.a. Prime Video) erfolgreich kooperierten.

Außerdem neu im Netz und auf DVD

  • Family Guy – Staffel 20“ (Zeichentrick; ab 2. November auf Disney+); der TV-Dauerbrenner unterhält weiter mit scharfsinnigem Humor, perfekten Parodien, schrägen Animationen und gut gewählter Musik.
  • „Im Westen nichts Neues“ (Kriegsfilm/Klassiker; Capelight, ab 4. 11.; Blu-ray/DVD); Lewis Milestones Antikriegsfilm von 1930 nach dem Bestseller von E. M. Remarque liegt in verschieden Fassungen vor, darunter als 6-Disc Ultimate Edition (5x Blu-ray + DVD)
  • „Ohne Limits“ mit Chris Hemworth (Dokumentation/Serie; ab 16. November auf Disney+). „Thor“ einmal anders. Der beliebte „Avenger“ begibt sich auf eine Work-Life-Balance-Mission.
  • „Die Geschichte der Menschheit: Leicht gekürzt“ (Comedy; Warner Bros. Home Entertainment, ab 17. 11.; Blu-ray/DVD); episodische Komödie mit Christoph Maria Herbst etc. 

Insgesamt erfreuen sich die „True Crime“-Storys, Tötungsgeschichten nach wahren Begebenheiten, gerne in dokumentarischer Form, großer Beliebtheit. Bei Netflix glänzt Eddie Redmayne im Kriminalfilm „The Good Nurse“ (seit 24. Oktober) als berüchtigter Krankenpfleger Charles Cullen, beim selben Anbieter treiben Ted Bundy in „Selbstporträt eines Serienmörders“, Cyntoia Brown in „Die Geschichte einer begnadeten Mörderin“, Henry Lee Lucas in „Geständnisse eines Mörders“, Footballprofi Aaron Hernandez in „Killer Inside“ oder die nach einer umstrittenen Berufungsverhandlung freigesprochene Amanda Knox als „Der Engel mit den Eisaugen“ ihr blutiges Unwesen.

Aus heimischer Sicht ist der Mehrteiler „Mördermann“ (auf Joyn) zu nennen, in dem Strafverteidiger Uwe Krechel, den man aus der Sat.1-Soap „Richterin Barbara Salesch“ kennt, von seinen Fällen berichtet. Über 300 Mörder und Totschläger hat er in seiner Karriere bislang mit polternder, rauer Stimme vertreten. Er gefällt als großartiger Erzähler, besticht mit Wortwitz und gibt gerne zu, dass ihn menschliche Abgründe faszinieren.

Nicht minder populär sind beim Publikum die Royals. Passend dazu geht am 9. November auf Netflix „The Crown“ in die fünfte Runde. Die Queen, diesmal in Person von Imelda Staunton („Downton Abbey“), lässt zum 40. Jahrestag der Thronbesteigung ihre Regentschaft Revue passieren, die von neun Premierministern, dem Aufstieg des Fernsehens und vom Zerfall des Empire geprägt war. Schwierigkeiten bereiten der Untergang der Sowjetunion und die Übergabe der Kronkolonie Hongkong an China. In der Familie kriselt es heftig, weil Prinz Charles (Dominic West) seine Mutter unter Druck setzt, der Scheidung von Diana (Elizabeth Debicki) zuzustimmen.

Ein Hit mit Ansage, passend flankiert von der zweiten Staffel der schwedischen Coming-of-Age-Serie „Young Royals“ (seit 1. November). Der für seine Eskapaden bekannte Prinz Wilhelm (Edvin Ryding) soll auf dem renommierte Internat Hillerska herausfinden, wer er ist und was er aus seinem Leben machen will. Er beginnt, von einer Zukunft voller Freiheit und Eigenständigkeit fernab höfischer Verpflichtungen zu träumen. Bis er in der Thronfolge an die erste Stelle rückt...

Eisern seine Pflicht tut der dauerrauchenden Chefankläger Julio Strassera, grandios verkörpert von Ricardo Darín, im Polit-Thriller „Argentina, 1985“ (seit 21. Oktober auf Prime Video). Santiago Mitre zeichnet, beruhend auf tatsächlichen Ereignissen, den so schwierigen wie gefährlichen Prozess gegen die Militärchefs der ehemaligen Junta-Regierung (1976 - 1983) nach. Gedeckte Farben, lange Schatten, ein eindringlicher Score. Costa-Gavras („Z“) ist mit seinen Werken Pate gestanden. Menschenrechte, Gleichstellung und Freiheit sind Thema, böse Witze sorgen für Entspannung.

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Veröffentlicht
Von
Oliver Stöwing
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Mehr Eskapismus, weniger Realismus und vor allem großartige Schauspieler bieten jene 28 Filme, die der Dienst LaCinetek seit dem 27. Oktober unter dem Titel „Französische Filmikonen“ präsentiert. (Wieder-)Entdecken ist angesagt. Ob nun Simone Signoret in Henri-Georges Clouzots „Die Teuflischen“, Lino Ventura in Jean-Pierre Melvilles „Armee im Schatten“, Jean-Paul Belmondo in Philippe de Brocas „Abenteuer in Rio“, Patrick Dewaere in Jean-Jacques Annauds „Damit ist die Sache für mich erledigt“, Sandrine Bonnaire in Maurice Pialats „Auf das, was wir lieben“ oder Anna Karina in „Elf Uhr Nachts“.

Womit sich der Kreis zum kürzlich verstorbenen Jean-Luc Godard schließt. „Er war der richtige Mensch am richtigen Ort zur richtigen Zeit“, merkte Georg Seeßlen in seinem Nachruf auf den Kinorevolutionär, (Film-)Philosophen und Mitbegründer der Nouvelle Vague an. Und weiter: „Godard ist der Name für eine Sphäre, in der sich Bilder, Worte und Klänge auf eine neue Weise organisieren“. Zu überprüfen auf LaCinetek, nicht nur bei „Außer Atem“.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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