Habsburger im Mittelalter - Aufstieg einer Dynastie

Habsburger – da denkt man sofort am Österreich. Aber die Herrscherfamilie hat viele Bezüge zur Pfalz, wie derzeit in Speyer zu sehen ist. Ihr erster König, Rudolf I., wurde vor 750 Jahren gekrönt und gelangte so an die Macht im Heiligen Römischen Reich

Von 
Peter W. Ragge
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Speyer. Die farbigen Balkendiagramme auf den Bildschirmen, die Hochrechnungen und Analysen – es ist ganz so wie am Abend einer Landtags- oder Bundestagswahl. Moderatorin Bettina Schausten, bekannt vom „heute journal“ und ZDF-Chefredakteurin, kommentiert aber jetzt die „Königswahl 1273“. 750 Jahre ist es her, dass mit Rudolf I. erstmals ein Habsburger einen deutschen Thron besteigt. Das hat zu diesem Zeitpunkt dem eher unbekannten Grafengeschlecht keiner zugetraut. „Sie wählten einen Underdog, den vorher keiner auf dem Schirm hatte“, sagt Schausten dazu.

Sie ist gleich am Eingang vom Historischen Museum der Pfalz zu sehen, das derzeit die große kulturhistorische Schau „Die Habsburger im Mittelalter“ präsentiert. „Von der damaligen Königswahl gibt es keine Exponate, also hatten wir die Idee, moderne Sehgewohnheiten aufzugreifen“, sagt Alexander Schubert, der Direktor des Speyerer Museums.

Mit einem modernen Fernseh-Wahlstudio wird daher eine entscheidende Weichenstellung des Mittelalters dargestellt. Das, so Schausten, „vorläufige amtliche Endergebnis“ ergibt 13 Prozent für König Ottokar II. von Böhmen, eigentlich einer der mächtigsten Reichsfürsten, aber 87 Prozent für Rudolf von Habsburg. „Eine Überraschung“, so die ZDF-Moderatorin: „Es wird eine spannende Zeit.“

Wurzeln in der Schweiz

In der Tat – und die stellen Schubert und seine Kollegen anhand von 200 ungewöhnlichen Preziosen, archäologischen Funde oder kostbaren Handschriften aus Museen, Klöstern und Bibliotheken der Schweiz, Österreichs, Frankreichs und Deutschlands auch spannend dar. Zu sehen ist der Aufstieg einer Dynastie, die mal ein Weltreich beherrscht, aber ganz klein anfängt.

Ihre Wurzeln liegen aber nicht in Österreich, sondern in der Schweiz, auf einer mittelgroßen Ritterburg im Aargau mit ein bisschen Streubesitz zwischen Alpen, Schwarzwald und Vogesen. Dass diese Familie ihre Chance bekommt, liegt daran, dass man sie unterschätzt. Bis 1254 regieren die Staufer das Reich, aber dann stirbt das berühmte Adelsgeschlecht aus. Bis 1273 gelingt es nicht, einen neuen Herrscher des Heiligen Römischen Reichs zu wählen – Interregnum wird diese Periode genannt.

Ausstellung in Speyer

Anschrift: Historisches Museum der Pfalz Speyer, Domplatz 4, 67346 Speyer, www.museum.speyer.de.

Ausstellung: Die Ausstellung „Die Habsburger im Mittelalter“ präsentiert erstmals umfassend die frühen Habsburger von Rudolfs I. 1273 bis zur Herrschaft Kaiser Maximilians I. zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Sie dauert bis 16. April 2023.

Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, in den rheinland-pfälzischen, baden-württembergischen und hessischen Schulferien auch montags von 10 bis 18 Uhr.

Eintritt: einschl. sowie Sammlungen, „Kreuz und Krone“ und „Rendezvous“ Erwachsene Di.-Fr. 16, Sa, So und an Feiertagen 18 Euro. Kinder ab 6 Jahren/Schüler/Studenten Di.-Fr. 7,50 Euro, am Wochenende 10 Euro. Generationenkarte (2 Erwachsene 3 Kinder) Di.-Fr. 40 Euro, am Wochenende 47 Euro.

Öffentliche Führungen: immer sonntags um 14 Uhr und um 15 Uhr, Kosten: 5 Euro plus Eintritt, Karten sonntags ab 10 Uhr an der Museumskasse.

Anfahrt: Die Zufahrt zum Museum ist im Umkreis von Speyer auf allen Bundesstraßen ausgeschildert. Parkmöglichkeiten auf dem Festplatz, von dort in wenigen Minuten zu Fuß. Mit der Bahn bis Hauptbahnhof Speyer, dann Linienbus am Ausgang Bahnhofstraße rechts, ca. 20 Meter über Postplatz bis zur Haltestelle Domplatz/Museum.

Dom: Der Dom liegt direkt neben dem Museum. Er ist November bis März Mo. bis Sa. 9 bis 17 Uhr, So. und feiertags 11.30 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt frei. Die Krypta mit den Kaisergräbern öffnet und schließt eine halbe Stunde nach bzw. vor den regulären Öffnungszeiten. Eintritt vier Euro, ermäßigt 1,60 Euro. pwr

Die Kurfürsten – auch der Kurfürst von der Pfalz – votieren daher in Frankfurt mit großer Mehrheit für Rudolf, am 1. Mai 1218 geboren. „Er ist der Kompromisskandidat, schon älter und nicht so reich und mächtig, dass er den Reichsfürsten gefährlich werden könnte“, erklärt Alexander Schubert die Wahl von Rudolf. Der unterlegene Ottokar will die Niederlage zwar nicht hinnehmen, verunglimpft den neu gewählten Regenten. Der Böhme muss sich indes nach einem Prozess unterwerfen – und um die Demütigung komplett zu machen, verlangt Rudolf von dem Besiegten, dass er dabei sein böhmisches Königsornat trägt, während er als bescheidener Ritter auftritt. Es ist die späte Rache, dass Ottokar den Habsburger als armen Grafen verspottet hatte.

Weil der Böhme keine Ruhe gibt, kommt es am 26. August 1278 zur Schlacht bei Dürnkrut. „Die Sache wird, wie im Mittelalter so üblich, auf dem Schlachtfeld entschieden“, so der Museumsdirektor. Die Herrscher führen ihre Heere an – und Ottokar wird auf dem Schlachtfeld getötet. „So fällt Österreich an die Habsburger“, erläutert Schubert, denn Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain sind zuvor alle von Ottokar aus Böhmen regiert worden. Nun aber gelangen diese Ländereien an die Habsburger – der Beginn der engen Beziehungen zwischen Österreich und den Habsburgern.

Freilich macht Rudolf einen Fehler, der sich später rächen wird. 1282 belehnt er seine beiden Söhne Albrecht und Rudolf den Jüngeren mit den Herzogtümern Österreich, Steiermark, Krain und Steiermark „zur gesamten Hand“ – also ungeteilt. Doch die Stände begehren auf und warnen, sie könnten nicht zwei Herren dienen. Rudolf gibt nach, „was sehr ungewöhnlich ist damals“, wie Alexander Schubert hervorhebt. Im „Vertrag von Rheinfelden“ von 1283 werden allein dem älteren Sohn Albrecht die ganzen Ländereien zugebilligt.

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Von diesem Problem abgesehen, bescheinigt Schubert Rudolf eine erfolgreiche Regentschaft. „Er schafft es, das Reich zu festigen“, so der Museumsdirektor. Viele Städte gehen auf die Habsburger zurück – gerade auch in der Pfalz: Landau, Neustadt, Germersheim, Kaiserslautern Alzey, Bergzabern, Kreuznach und einige mehr verdanken zwischen 1273 und 1291 dem Habsburger ihr Stadtrecht. Und er erlässt eine Landfriedensordnung, der Beginn geregelter Rechtssprechung anstelle von ritterlicher Selbstjustiz. „Man dachte, er wäre ein Übergangskandidat, aber er bleibt, auch wenn er bei der Wahl schon 55 Jahre alt ist, immerhin 18 Jahre an der Macht“, so Schubert über den Stammvater der bedeutenden Herrscherdynastie.

Grab im Dom

Auf dem Weg nach Mainz – es ist ja die Zeit des Reisekönigtums ohne festen Regierungssitz – im Sommer 1291 verschlechtert sich Rudolfs Gesundheitszustand, als er gerade in Germersheim ist. Es ist der Moment, an dem der berühmte Satz „Auf nach Speyer“ gefallen sein soll. Der 73-jährige König entschließt sich, „den Tod vor Augen mit letzter Kraft nach Speyer zu reiten“, so Schubert. Er will dorthin, „wo mehrere meiner Vorfahren liegen, die auch Könige waren“, wie ein von ihm in der Österreichischen Reimchronik überliefertes Zitat lautet. „Es ist ein bewusster politisch-programmatischer Akt, denn er sieht es als Aufwertung seiner Dynastie, im Kaiserdom in Speyer begraben zu werden – dem schon damals berühmten Gedächtnisort der salisch-staufischen Dynastie und bedeutendsten Begräbnisort der römisch-deutschen Herrscher“, erklärt er: „Mit diesem Prestige erhöhte er die eigene Dynastie“, sagt Schubert, und tatsächlich – einen Tag nach der Ankunft, am 15. Juli 1291, stirbt er. Er wird neben dem staufischen König Philipp von Schwaben im Dom bestattet. Seine Grabplatte gilt als eine der ersten realistischen Abbildungen eines deutschen Königs überhaupt.

Speyer, Domkirche St. Maria und St. Stephan, Speyerer Dom, Kaiserdom, Krypta, Grabplatte Rudolfs von Habsburg © Florian Monheim / Bildarchiv Mon

Es gelingt ihm nicht mehr, seinen Sohn Albrecht als direkten Nachfolger zu bestellen. Stattdessen fällt die Wahl auf Graf Adolf von Nassau – der jedoch seine Wahlversprechen nicht einhält. Adolf wird daher abgesetzt und, nachdem er sich dagegen wehrt, bei einer Schlacht geschlagen und getötet. Die Entscheidung fällt in der Pfalz: im Juli 1298, in der Schlacht bei Göllheim. Nun kann Albrecht von Österreich doch – indirekt – seinem Vater folgen und damit kommt wieder ein Habsburger auf den Thron.

Da sitzt er aber nicht lange, denn 1308 wird er in der Schweiz ermordet. Sein Neffe Johann erschlägt ihn unweit der Stammburg der Familie – späte Rache dafür, dass einst 1282 dessen Vater Rudolf der Jüngere bei der Entscheidung über die Macht über die österreichischen Lande leer ausging. Dass der Mörder gefasst und gerädert wird, hilft der Familie nicht. Die Habsburger verlieren im 14. Jahrhundert den Anspruch auf den Thron und müssen die Macht an ihre Gegenspieler abgeben.

Die Fälschung

Besonders bitter: das Jahr 1356. Da wird von Kaiser Karl IV. die „Goldene Bulle“ erlassen, „das Grundgesetz des Heiligen Römischen Reiches, mit allen wichtigen Regelungen zur Königswahl, Krönung und Krönungsort“, wie Alexander Schubert betont. Es gilt bis 1806. Kurfürsten und damit wahlberechtigt sind die Erzbischöfe von Trier, Köln und Mainz sowie der König von Böhmen, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und schließlich der Pfalzgraf bei Rhein als der Reichsverweser bei Abwesenheit des Kaisers. Bei diesen sieben Kurfürsten ist kein Habsburger dabei, obwohl sie über ein großes Territorium gebieten. „Das haben sie als große Demütigung empfunden“, so Schubert.

„Diese Schmach treibt die Habsburger um“, sagt er, und sie lassen sich „eine sehr kreative Lösung“, wie er schmunzelnd sagt, einfallen: Herzog Rudolf IV. von Österreich, bekannt als Gründer der Universität Wien, präsentiert dem Kaiser eine Reihe von Urkunden, darunter das „Privilegium maius“. Unter Berufung auf Julius Caesar, Nero und Barbarossa – also weit zurückgehend – billigt das Papier den Habsburgern allerlei Privilegien zu, die sie mit den sieben Kurfürsten – fast – gleichstellen. Dazu zählt, dass sie für sich den Titel „Erzherzog“ erfinden.

Blöd nur, dass sich die Papiere als, so Schubert, „plumpe Fälschung“ erweisen – zum Beispiel weil der Titel Kaiser verwendet wird, den es unter Caesar noch gar nicht gibt.

Der Kaiser weist die Ansprüche aus den Urkunden zwar zurück, aber sitzt ansonsten die Probleme aus. Auch ohne Berechtigung tragen die Habsburger einfach weiter die Bezeichnung Erzherzog und sorgen dafür, dass er sich langsam durchsetzt. Dazu kreieren sie einen – in Speyer derzeit ausgestellten – prachtvollen, kronengleichen „Erzherzogshut“ mit viel Gold, Silber und Perlen. Und bis heute unterschreibt der amtierende Chef der Familie Habsburg immer noch als Erzherzog.

600 Jahre an der Macht

Der Reichsthron und die Mitwirkung an der Kaiserwahl bleiben den Habsburgern dennoch versagt. Aber dann passiert das, was Schubert „eine sehr geschickte Heiratspolitik“ nennt, wodurch die Familie durch kluge Erbverträge „nach und nach entscheidende Territorien eingesammelt“ habe. So kommt sie der Macht doch immer wieder näher. Als Schwiegersohn des letzten Luxemburgers auf dem Thron gelangt daher Albrecht V. 1438 an die römisch-deutsche Königswürde, die fortan bis zum Untergang des Heiligen Römischen Reiches 1806 mit nur wenigen Jahren Unterbrechung in den Händen der Habsburger bleibt. Kaiser von Österreich-Ungarn bleiben sie bis zum Ende des Ersten Weltkrieges 1918. Zeitweise ist ihr Herrschaftsgebiet so groß, dass in ihrem Reich die Sonne nie untergeht. „Aus keiner anderen Adelsfamilie kamen vergleichbar viele Regenten, keine herrschte zusammengenommen über eine annähernd lange Zeit, rund 600 Jahre“, so Schubert. Und noch heute gehört das Haus Habsburg, aus dem auch die berühmte Maria Theresia oder Kaiserin Sisi stammen, zur Elite des europäischen Hochadels.

In Speyer ruht nicht nur Rudolf von Habsburg – übrigens in jener Grablege, die für Friedrich I. Barbarossa reserviert war, dessen Leichnam aber nach seinem Tod beim Kreuzzug in der Türkei verschollen ist. Auch Rudolfs Sohn Albrecht I. ist in Speyer bestattet, das damit den einzigen außerösterreichischen Grablegeort der Habsburger außerhalb Österreichs darstellt. Maximilian (1449 bis 1519), als Kaiser am Höhepunkt der Macht angelangt, plant daher für den Dom ein bombastisches Denkmal als Rundtempel aus zwölf achteckigen Säulen, einem Durchmesser von sechs Metern und an der Spitze eine mächtige Krone, um an die im Dom bestatteten Kaiser, Könige und Kaiserinnen zu erinnern. Das 1514 begonnene Werk ist nach dem Tode des Kaisers aber nie vollendet – aber jetzt, für die Ausstellung, virtuell rekonstruiert worden.

Redaktion Chefreporter

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