Herr Puhlmann, wie fühlen Sie sich heute, ein paar Tage vor der Eröffnung, wenn Sie so durch die Räume stapfen und alles sehen?
Albrecht Puhlmann: Ich bin sehr beeindruckt, wie das Ganze da entsteht und wie das Fahrt aufgenommen hat, nach einer langen Zeit, wo wir ja nicht wussten: Können wir weiterbauen? Ich bin natürlich auch aufgeregt. Wann eröffnet man schon ein Opernhaus? Heutzutage!
Müssen wir am Samstag in Gummistiefeln kommen?
Puhlmann: Die können Sie getrost zuhause lassen.
Und dann müssen wir mal eins klären: Sie sagen „der Opal“. Das ist grammatikalisch falsch, es steht ja für d i e Oper am Luisenpark …
Puhlmann: Ja, OPAL ist eben ein Akronym, und noch nicht jeder weiß sofort, dass es eine Abkürzung für die Oper am Luisenpark ist. Sicher wird es spannend, was sich schließlich durchsetzt. Oper am Luisenpark klingt jedenfalls gut. Ob die Spielstätte jetzt funkelt wie ein Opal, das ist eine andere Frage …
Am Samstag eröffnet die Opal endlich - mit rund zweijähriger Verspätung. Entspricht wenigstens das Ergebnis Ihren Erwartungen?
Puhlmann: Es ist weit besser als erwartet. Es war ein langer Weg seit 2018, wir hatten als Option erstmal das Holztheater aus Genf, dann das Trafo-Prüfwerk in Käfertal. Das hat alles aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. Und jetzt bin ich mehr als glücklich, dass wir ein Opernhaus eröffnen dürfen, in dem man sich wohlfühlt und das eine tolle Bühne und eine sehr gute Akustik hat. Es ist auch bewegend, denn was ich seit Monaten spüre, ist eine unbedingte Entschlossenheit aller, dass der Bau und der Einzug der Kunst gelingen.
Puhlmann und die Saison
- Der Opernintendant: In Bad Segeberg ist Albrecht Puhlmann 1955 geboren. In Hamburg studiert er Musikwissenschaft, Philosophie und Literaturgeschichte. Nach Jahren der Operndramaturgie leitet er die Oper Basel und wird Intendant der Staatsopern in Hannover und Stuttgart. Mannheims Nationaltheater holt ihn 2016. Sein Vertrag läuft bis 2028.
- Die Opal: Die Oper am Luisenpark ist für vier Jahre die ständige Ersatzspielstätte der Oper am NTM. Im Schlosstheater Schwetzingen wird weiterhin „Don Giovanni“ gespielt, im Februar 2025 auch „Comedian Harmonists“ und im Juli Händels „Giulio Cesare in Egitto“.
- Die Eröffnungswoche: 12.10. „Création(s)“, 13.10. Tag der offenen Tür, „Création(s)“, 14./15.10. Opal surprise, 16.10. „Création(s)“, 17.10. Opal surprise, 18.10. „Création(s)“, 19.10 Café Concert, 19.10. „Die schöne Magelone“, 20.10. Tag der Musik mit Mannheimer Ensembles.
- Die Opal-Premieren: 9.11. „La Traviata", 7.2. „Der Operndirektor“, 8.3. „Der Schmied von Gent“, 18.5. „Il trittico“, 15.7. „Die Csárdásfürstin“.
- Die Wiederaufnahmen: 6.12. „Hänsel und Gretel“, 10.1. „Ring an einem Abend“, 29.3. „Fledermaus“, 18.4. „Parsifal“.
Und überwiegt bei Ihnen jetzt kurz vor der Eröffnung die Freude, dass es endlich losgeht, oder haben Sie auch ein bisschen Angst vor den kommenden Jahren, dass nach einem Anfangsboom das Haus, das ja, glaube ich, 800 Plätze hat, auch oft nicht richtig voll wird?
Puhlmann: Zunächst einmal nur Freude! Aber ich habe großen Respekt, OPAL über vier Jahre zu bespielen und mit Leben zu füllen. Angst ist also vielleicht nicht das ganz richtige Wort, aber die Verantwortung spüre ich sehr deutlich. Auch gegenüber unserem Publikum und natürlich auf der anderen Seite gegenüber all denen, die sich so unfassbar engagiert ins Zeug gelegt haben und so viel Geld zusätzlich investiert haben. Gleichzeitig war es aber die einzig richtige Entscheidung, jetzt halten wir in der Sanierungszeit unsere einzelnen Gewerke, die künstlerischen Abteilungen und Kollektive gebündelt am Laufen und können so gut aufgestellt wieder am Goetheplatz einziehen.
Können Sie in der Opal auch kleinere Veranstaltungen machen?
Puhlmann: Ja, wir zeigen Oper auf der Vorbühne. Das ist dann für 400 BesucherInnen. Etwa mit Domenico Cimarosas „Operndirektor“ in dieser Saison. Im Foyer haben wir eine kleine Bühne für Kaffeekonzerte, Kammerkonzerte und andere kleinere Formate. Da gibt es auch gleich in der ersten Woche sehr viel zu sehen. Wir wollen das Haus beleben und haben jeden Tag offen. Eine Überraschung darf ich verraten: Ich selber werde mich vor dem Publikum am 14. Oktober in Kurfürst Carl-Theodor verwandeln lassen.
Zuerst eröffnen Sie aber mit einer Megaproduktion: „Création“. Was ist das eigentlich?
Puhlmann: Gute Frage, auf jeden Fall etwas ganz Besonderes, denn es ist eine eigene Kreation. Die Geburt der neuen Spielstätte aus dem Geiste der Musik, ein bunter Bilderbogen, der seine ganz eigene Schöpfungsgeschichte erzählt und dabei vor unseren Augen aus dem Nichts große Oper entstehen lässt. Hier war der Gedanke: Womit könnte man eigentlich ein Opernhaus eröffnen? Da kam die Idee einer Geburt, die die Operngeschichte seit 1600 erzählt und alles einbezieht, eine Art Phantasmagorie, eine Hommage an die Oper. Zwischen Himmel und Hölle der singende Mensch, der hier Ereignis wird.
Sie vergleichen sich mit Gott?
Puhlmann: (lacht) Ne. Aber das Theater kreiert immer wieder Neues mit Hilfe großartiger Komponisten.
Warum ist der Tanz nicht dabei?
Puhlmann: Der Tanz arbeitet aktuell an einer Premiere („Just a Game“) für Franklin. Es gibt aber auch logistische Vorgaben, wie Kapazitätsgrenzen, die zu beachten sind, deswegen fehlt leider auch der Kinderchor. Der Backstage-Bereich - es lohnt sich, ihn mal am Tag der offenen Tür am 13. Oktober anzugucken - ist klein. Garderoben, Aufenthaltsräume, Kostümabteilung, Maskenabteilung - da lässt sich nur eine begrenzte Zahl an Menschen unterbringen.
Von Musikerinnen und Musikern, oder von einem Sänger wie Thomas Jesatko, hört man von der guten Akustik der Opal. Heißt das, dass man drum herum kommt, Oper mit elektroakustischen Maßnahmen zu machen?
Puhlmann: Im Moment klingt der Saal ausgezeichnet. Wir wissen aber noch nicht und sind total gespannt, wie es klingt, wenn Publikum da ist. Wir haben mit Müller BBM ein super Akustikbüro. Sie haben hervorragende Arbeit geleistet mit konventionellen Akustiksegeln in der Decke, im Orchestergraben, auf der Bühne. Wenn wir aber doch wider Erwarten feststellen sollten, dass es die Notwendigkeit gibt, dann haben wir ja die Absicherung, elektroakustisch nachzuhelfen. Aber das wäre nur ganz subtil und nicht mit Mikro-Ports wie im Musical.
Was heißt das für „Création“?
Puhlmann: Es gibt aus szenischen Gründen sehr viele Einspielungen, aber wir gehen erst mal davon aus, dass wir mit den konventionellen analogen Mitteln eine gute Akustik hinbekommen - unabhängig davon, dass wir Werke spielen, die elektroakustische Elemente haben.
Okay, was Sie sagen, hört sich für mich an, als würden Sie die Musikgeschichte auch erzählen.
Puhlmann: Ja, es beginnt um 1600 mit einem Madrigal von Monteverdi, aber es wird auch komponierte Überlagerungen aus verschiedensten Musikstilen der Oper geben. Also nicht als Potpourri, sondern als eigene Kreation von Christian Dellacher, der uns die Arrangements zusammengesetzt hat.
Wird da viel gesungen?
Puhlmann: Natürlich - aber eben nicht nur Opernmusik. 14 Sänger des Ensembles und unser Opernchor und Extra-Chor sind im Einsatz, im Finale auch der Alphabet Chor.
Zuletzt bei der Baustellenführung hatten Sie mal gesagt, Sie wollen das Haus auch für die Bürgerschaft öffnen. Was bedeutet das genau?
Puhlmann: Genau, es ist uns ein Anliegen, dass wir, wenn irgend möglich, alle Anfragen umsetzen. Wir sind in dieser ersten Saison in der neuen Spielstätte noch vorsichtig, weil wir OPAL auch selber erst kennenlernen Wir planen ganz aktuell das Europakonzert mit Michel Maugé und ein Neujahrskonzert mit dem Wagner-Verband. Es würde mich freuen, wenn Enjoy Jazz wieder bei uns zu Gast wäre oder das Internationale Filmfestival von Sascha Keilholz.
Und wie sieht es mit Standard-Repertoire aus?
Puhlmann: Uns ermutigen die Technik und die technische Leitung auch dazu, klassisches Repertoire aus dem Spielhaus zu zeigen.
Sie planen ja für vier Jahre. Die Produktionen, die Sie hier jetzt machen, sind doch alle so konzipiert, dass Sie sie an den Goethe-Platz übernehmen können, oder?
Puhlmann: Auf jeden Fall. Es ist wesentlich leichter, diesen Weg vom OPAL in das Haus am Goethe-Platz zu gehen, als umgekehrt. „Maskenball“, „Hänsel und Gretel“ oder „Parsifal“ sind in der neuen Spielstätte schon dabei. Auch „Madama Butterfly“, „Tristan und Isolde“ und „Elektra“ können wir aus dem Repertoire des Spielhauses im OPAL zeigen.
Wie sieht es mit dem „Ring“ aus?
Puhlmann: Das lässt leider die Technik nicht zu. So viele Verwandlungen gibt der Schnürboden nicht her. Außerdem haben wir keine Untermaschinerie.
Und wird das sanierte Haus 2028 Ihr Nachfolger eröffnen?
Puhlmann: Mein Vertrag geht bis 2028.
Und es ist jetzt ausgeschlossen, dass Sie verlängern?
Puhlmann: Das ist offen. Ich bin mit Bürgermeister Thorsten Riehle im nächsten Jahr für Gespräche verabredet.
Haben Sie sich eigentlich ein Ziel gesetzt für die erste Spielzeit? Sie haben ja ein Haus mit 800 Plätzen, das Sie theoretisch zumindest etwa 300 Mal bespielen könnten.
Puhlmann: 300 Mal ist eine sehr theoretische Annahme, dann müssten wir auf alle Proben verzichten, ohne die wir bekannterweise nicht vor Publikum spielen können. Wenn man ein Budget aufstellt, hat das immer mit Einnahmen und Ausgaben zu tun. Wir rechnen konservativ und gehen mal von 70 bis 75 Prozent Auslastung pro Vorstellung aus. Und wenn es besser kommt, umso schöner.
Aber 70 Prozent wovon? Je weniger Sie spielen, desto höher ist wahrscheinlich die einzelne Auslastung.
Puhlmann: Dabei gehen wir pro disponiertem Abend aus, an dem wir spielen. Die Auslastung wird bei „Traviata“ oder „Csárdásfürstin“ naturgemäß besser sein als beim unbekannten „Schmied von Gent“: So oder so aber wünschen wir uns, dass unser Mannheimer Publikum die Oper am Luisenpark als neues Zuhause unserer Kunst schätzen und lieben lernt. Das ist die Hoffnung, die uns alle trägt.
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Bergsträßer Anzeiger Plus-Artikel Kommentar Warum "Opal" eine Chance für die Oper ist